6 Lügen über Venezuela

veröffentlicht am: 24 Feb, 2019

 

  1. Der Diktator Maduro hat das Parlament entmachtet

Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im August 2016 geurteilt, dass die Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstoße, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandat wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs ausgesetzt worden war, vereidigt hatte. Deswegen, weil eben drei Leute dort vereidigt sind, die das – nach Verfassung und geltenden Gesetzen in Venezuela eben nicht dürfen, weil sie allerwahrscheinlich nach nicht gewählt sind – sind die Beschlüsse des Parlaments nicht gültig. Deswegen hat der vom Volk gewählte Verfassungskonvent, ein in der Verfassung verankertes Instrument, sein verfassungsmäßiges Recht wahrgenommen, Teile der Gesetzgebung zu übernehmen, wahrgenommen, aber mehrfach auch das Parlament eingeladen, gemeinsam zu arbeiten, was das Parlament abgelehnt hat. Ferner hat das Parlament schon mehrfach per Beschluss festgestellt, dass Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sein »Amt aufgegeben« habe und die »sofortige Durchführung allgemeiner Wahlen« verlangt. Die Parlamentarier stützten sich dabei auf Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, in der Regelungen für die Nachfolge des Staatschefs festgehalten sind, wenn dieser etwa wegen Tod, Rücktritt oder aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichtshofs aus dem Amt ausscheidet oder aber das Parlament feststellt, dass der Präsident seine Funktionen »nicht wahrnimmt«.
Die Abgeordneten behaupteten, Maduro habe »seine verfassungsmäßigen Aufgaben vollständig aufgegeben«. Der Staatschef habe aufgehört, den Venezolanern »Lebensmittel, Gesundheitsversorgung und Wohlstand zu garantieren« sowie keine Maßnahmen gegen die Unsicherheit ergriffen.

Selbst der Opposition nahestehende Verfassungsrechtler halten diese Argumentation für absurd. Pedro Afonso, der an der Zentraluniversität Venezuelas lehrt, betonte im Gespräch mit der britischen BBC: »Dass ein Präsident seine Macht schlecht oder nicht entsprechend der Verfassung nutzt, ist keine Amtsaufgabe.« Die Richter des Obersten Gerichtshofs hatten bereits vor der Abstimmung in der Nationalversammlung festgestellt, dass Maduro seine Aufgaben wahrnimmt und ein anderslautender Beschluss der Abgeordneten deshalb verfassungswidrig sei.

  1. Der Diktator Maduro lässt sein Volk verhungern

Die Bevölkerung Venezuelas hungert, flieht aus dem Land und es fehlen überlebenswichtige Medikamente. Und der „kranke Tyrann“ (US-Außenminister Mike Pompeo über Maduro) stoppt internationale Hilfslieferungen an der Grenze. Das ist das, was uns die Medien erzählen. Manches davon stimmt. Waren des alltäglichen Bedarfs sind teilweise knapp und aufgrund der Inflation vor allem teuer. Der Grund dafür wird in den westlichen Medien meist verschwiegen. Es gibt eine umfassende Blockade und Wirtschaftssanktionen gegen das Land, sodass es kaum möglich ist auf dem Weltmarkt entsprechende Waren einzukaufen. Die US-Regierung hat venezolanisches Eigentum, die PDVSA-Tochtergesellschaft CITGO, deren Wert bei 7 Milliarden (!) US-Dollar, illegal konfisziert.

Gleichzeitig ist die bereitgestellte „Hilfe“ vernachlässigenswert. Sie reicht gerade mal für 5000 Menschen für 10 Tage. Das „hilft“ überhaupt nicht, reicht aber um eine große Show darum zu veranstalten. Dem Wirtschaftskrieg gegen das Land zum Trotz subventioniert die venezolanische Regierung weiter Lebensmittel, die dann zu vergünstigten Preisen verkauft werden. Sechs Millionen Familien mit im Schnitt vier Mitgliedern werden so jeden Monat durch die „Lokalkomitees für Versorgung und Produktion“ (CLAP) versorgt, das sind rund 24 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner. In den Paketen enthalten sind Pflanzenöl, Mehl, Reis, Nudeln und Linsen.

Es ist wie bei der Belagerung einer mittelalterlichen Burg: Man bewirkt Mangel, Elend, Krankheit und Tod, damit es zu einer Aufgabe oder zu einer Revolte kommt. Man schafft Elend, um „humanitär“ eingreifen zu können, so beschriebt es Dr.med. Klaus-U. Piel Facharzt für Innere Medizin treffend.

 

  1. Die Wirtschaftskrise zeigt, dass der Sozialismus Misswirtschaft, Hunger und Krise bedeutet

Venezuela ist kein sozialistischer Staat, sondern ein kapitalistischer mit bürgerlich-linkssozialdemokratischer Regierung. Die realexistierende Korruption, das Wirtschaftschaos, die Inflation – das alles sind Ergebnisse einer kapitalistischen Krise in Venezuela, die innere und äußere Faktoren hat. Äußere Faktoren sind die massiven wirtschaftlichen Sanktionen seitens der USA, der EU und ihrer Vasallen. Innere sind die Zurückhaltung von Waren, wie z.B. durch den Lebensmittelmonopolisten Polar oder der illegale Export der von der venezolanischen Regierung subventionierten Nahrungsmittel. Darüber hinaus tritt die Regierung bisher diesem Angriff des internationalen und nationalen Kapitals nicht wirksam entgegen, z.B. durch die Enteignung der Banken, um die Inflation in den Griff zu bekommen oder Polar zu enteignen und die Produktion und Verteilung von Lebensmitteln selbst in die Hand zu nehmen.

 

  1. Die Regierung von Präsident Maduro besitzt keine demokratische Legitimität

Die regierende PSUV, der Maduro angehört und die von Chavez gegründet wurde, ist eine sozialistische Massenpartei mit etwa 7 Millionen (!) Mitgliedern. Das sind 14-mal so viele Mitglieder wie alle deutschen Parteien zusammen haben und das bei einer Bevölkerung von nur ca. 32 Millionen Menschen. Das ist mehr als jeder fünfte Einwohner. Präsident Maduro wurde zweimal in international beobachteten Wahlen zuletzt mit über 6 Millionen Stimmen gewählt – bei einer Wahl mit vier Gegenkadidaten. Guaidó hingegen besitzt keine demokratische Legitimität. Seine Partei hat 14 von 165 Sitzen im Parlament und ist damit selbst unter den Oppositionsparteien nur die Drittgrößte. Zudem haben sich mittlerweile auch Teile der Opposition von der Eskalationsstrategie Guaidos losgesagt – selbst im eigenen Lager schwindet also seine Unterstützung. Guaidó hat sich zum Präsidenten ernannt nachdem Trump seine Zustimmung gab. Legitimität hat er also aus Washington und nicht aus Venezuela.

Interessant ist aber auch wie die deutschen Medien berichten: Es wird der Eindruck vermittelt, dass das ganze Volk gegen Polizei und Armee kämpfen würde. Nicht erwähnt werden deshalb die Demonstrationen der Unterstützer Maduros. Das ZDF berichtete ausführlich über das Oppositionskonzert in Kolumbien, nicht aber über das Konzert der Regierung in Caracas.

 

  1. Die Regierung bereichert sich, während die Bevölkerung hungert

Charakteristisch für die letzten 20 Jahre, in denen die PSUV regierte, ist eine massive Umverteilung des Ölreichtums: Es gibt Grundnahrungsmittel für fast umsonst, kostenlose Gesundheitsversorgung (Dank eines Abkommens über tausende kubanische Ärzte, die dauerhaft im Land sind) – das bedeutet insb. in den Armenvierteln das erste Mal, dass es überhaupt eine Gesundheitsversorgung gibt, höhere Löhne, das Land wurde vom Analphabetismus befreit. Bei Amtsantritt von Chavez Ende der neunziger Jahre lebten über 50% der Venezolaner in Armut. Sie ist nicht besiegt, aber durch die Maßnahmen der Regierung hat sich das Leben der meisten deutlich verbessert. Auch die Arbeitenden im Land konnten ihre Lage deutlich verbessern. Durch Enteignung und Übergabe an die Belegschaft konnten etliche von der Schließung bedrohte Unternehmen gerettet und die Arbeitsplätze erhalten werden. Das alles sind Errungenschaften, die die deutsche Linkspartei für ihre Regierungsbeteiligungen in verschiedenen Bundesländern nicht für sich in Anspruch nehmen kann, im Gegenteil. In der PSUV sind Korruption, Vetternwirtschaft und Kompromisslertum mit dem Kapital und dem Imperialismus weit verbreitet. Trotz aller Errungenschaften des bolivarianischen Prozesses bleibt sie eine bürgerliche Partei.

 

  1. Die SDAJ feiert Maduro blind und kritiklos ab

Es geht am Ende um das venezolanische Erdöl, um den gewaltsamen Sturz einer gewählten Regierung, die zwar den Kapitalismus nicht abschaffen will, aber immerhin der Bevölkerung nennenswerten Zugang zu Bildung, Kultur, Lebensstandard verschafft hat und keine Befehle der NATO, EU, OAS oder USA entgegennimmt, sondern souverän agiert. Das nennt man Klassenkampf und der wird in Venezuela mit ziemlicher Heftigkeit von beiden Seiten geführt. Venezuela hat noch vor Saudi-Arabien die größten Erdölreserven der Welt und sie rechnen sie in chinesischen Yuan, und nicht in Dollar ab, was den USA sehr missfällt, weil das die Weltstellung des Dollar gefährdet. Wir erleben also gerade einen Frontalangriff des Imperialismus auf Venezuela – und da gilt es erstmal die Souveränität dieses Landes zu verteidigen, wie auch bei Libyen, Syrien, Irak, Iran etc. Die Auseinandersetzung um die Fortsetzung und die Vertiefung der bolivarianischen Revolution (wie es die Genossinnen und Genossen der Kommunistischen Partei Venezuelas nennen) ist Aufgabe der venezolanischen Bevölkerung – nicht unsere. Das können wir von hier auch gar nicht. Aber was wir können ist einen Beitrag leisten, um zu verhindern, dass Staaten wie Deutschland sich dort einmischen und das venezolanische Volk von einem selbsternannten Präsidenten regiert wird. Denn genau passiert, wenn USA und EU es schaffen den Putsch zu vollenden ist, außer einer Rückkehr zum entfesselten Kapitalismus, unklar. Bisher haben sie nicht gezögert auch mit Faschisten gemeinsame Sache zu machen: ein prominenter Kommunist und Mitglied der PCV wurde bereits letztes Jahr ermordet, im Februar ein weiterer. Es geht hier also für unsere Genossinnen und Genossen um mehr als „irgendeine bürgerliche Regierung“. Und was „humanitäre Interventionen“ von NATO-Staaten bedeuten, kann man in Irak und Libyen sehen: Hunderttausende Tote, der Aufstieg von ultareaktionären Massenmördern von IS über Al-Qaida sowie die vollständige ökonomische und gesellschaftliche Zerstörung vormals lebensfähiger Länder.

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