Kommerzialisierung im Sport (POSITION #02/19)…

veröffentlicht am: 1 Jul, 2019

Kommerzialisierung im Sport (POSITION #02/19)
WIE DER KAPITALISMUS AUCH DEN SPORT VERÄNDERT

Am vierten Februar um 22:50 Uhr deutscher Zeit gewannen die New England Patriots den Super Bowl LIII mit 13:3 gegen die Los Angeles Rams. Die Halbzeitshow mit Maroon 5, Travis Scott und Big Boi sahen sich mehr US-amerikanische Fernsehzuschauer an als das eigentliche Spiel. Ein 30-sekündiger Werbespot kostete durchschnittlich 5 Millionen Dollar. Viele Zuschauer schauen sich das Event inzwischen vor allem wegen der aufwendig produzierten Werbefilme an. Um dem genug Raum zu geben, wurde das Spiel 20-mal zwei Minuten lang für sogenannte „media timeouts“ unterbrochen. Die Fankultur im Stadion beschränkte sich auf das Tragen des Trikots der eigenen Mannschaft sowie auf das Schwenken gekaufter Papierfähnchen. Choreographien oder selbstgemalte Banner suchte man vergebens. Die Rolle des Fans war beschränkt auf die eines stumpfen Konsumenten. Ist das einfach nur der normale Wahnsinn in der Heimat des Kapitalismus oder die Zukunftsperspektive für den globalen Sport?

FUSSBALL IM WANDEL
Natürlich sind für Deutschland die Entwicklungen im Football erst einmal nicht so relevant, in Deutschland und Europa ist Fußball Volkssport Nummer 1. Aber auch hier hat sich in den letzten Jahren einiges verändert und immer mehr Ultragruppen, aber auch normale Fans, kritisieren die zunehmende Kommerzialisierung ihrer Lieblingskultur.
Mit der Übertragung im Privatfernsehen stiegen die Gewinne des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) aus der TV-Übertragung der 1. Bundesliga von 9,2 Millionen DM 1987/88 (die letzte Saison, die exklusiv im Öffentlichen Rundfunk übertragen wurde) auf 20,45 Millionen DM in der Saison 1988/89 (der ersten, in der die Bundesliga im Privatfernsehen übertragen wurde). 2017/18 kosteten die Übertragungsrechte bereits 1,16 Milliarden Euro. Die Folge ist, dass die Klubs der ersten und zweiten Liga heutzutage so viel wirtschaftlichen Spielraum haben wie nie zuvor. So zahlte Borussia Dortmund 2018 28 Millionen Euro Ablöse an Mainz 05 für den Spieler Abdou Diallo. Die Spieler des erfolgreichsten deutschen Vereins, FC Bayern München, verdienten in der Saison 2017/18 durchschnittlich 5,68 Millionen Euro. Die großen Vereine haben sich längst zu normalen kapitalistischen Firmen weiterentwickelt: wie im Kapitalismus üblich, geht es hier vor allem um Profitmaximierung. Die Fans merken das insbesondere an steigenden Preisen. Tagestickets für Spiele der ersten Liga kosten heute schon mal 40 Euro und der 500 ml Becher Bier in der Regel acht Euro. Aber auch der Sport an sich wird zugunsten der Profitmaximierung verändert. Ein gutes Beispiel ist der Versuch des DFB, Montagsspiele in den ersten drei Ligen einzuführen. In der ersten und zweiten Liga konnte das zwar durch Protest und Boykott der Fans rückgängig gemacht werden, in der dritten Liga gelang das aber bisher nicht.

WO GEHOBELT WIRD, DA FALLEN SPÄNE
Der Deutsche Fußball-Bund zahlte mehr als 6,7 Millionen Euro, um die Abstimmung um den Austragungsort der WM 2006 zu gewinnen. Und dass auch der Austragungsort der Olympischen Spiele nicht durch fairen Wettbewerb, sondern durch die Größe der Bestechungssummen, die die Kontrahenten zu zahlen bereit sind, entschieden wird, ist längst ein offenes Geheimnis. Überraschen sollte das nicht, mit den großen Sport-Events der heutigen Zeit wird so viel Geld verdient, dass der Sport an sich in Anbetracht der möglichen Gewinne zweitrangig ist. Die Sportverbände sind hauptsächlich damit beschäftigt, möglichst viel Geld in die Tasche ihrer Funktionäre zu wirtschaften. Da spielen die Interessen der Sportler oder gar der Sportfans nur eine sehr untergeordnete Rolle. Heraus kommen dabei Dinge wie die WM in Katar (die Sunday Times berichtete von Bestechungen in Millionenhöhe), einem autoritären Regime ohne eigene Fußballtradition, in dem die Stadien mithilfe von Arbeitssklaven gebaut werden. Um auch noch den letzten Profit aus den Fans zu pressen, wurde die Anzahl der teilnehmenden Länder von 32 auf 48 erhöht. Das bedeutet bis zu sechs Spiele pro Tag, was es für arbeitende Fans unmöglich machen wird, jedes Spiel ihrer Mannschaft zu verfolgen. Und ob das sportliche Niveau mit mehr Mannschaften noch gehalten werden kann, ist mehr als fraglich. Insgesamt sollen zwischen 1991 und 2015 über 150 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern in der FIFA geflossen sein.

AUS ALLEM KANN PROFIT GESCHÖPFT WERDEN
Jeder Wettkampf, der Menschen begeistert, sei es Teamsport oder eine Einzeldisziplin, kann zu Geld gemacht werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Bereich des E-Sports. Ungefähr 1,18 Milliarden Menschen weltweit spielen Computer- oder Konsolenspiele. Schon Ende der 90er-Jahre bildete sich hier eine Profi-Sportszene mit eigenen Turnieren, Sponsoren und Werbeverträgen. Inzwischen gibt es eine ganze Industrie, die sich auf E-Sport-Hardware, z. B. spezielle Computer oder Mousepads, spezialisiert hat. In Südkorea haben die Star-Craft-Wettbewerbe denselben Stellenwert wie Fußball in Deutschland. Immer wieder gibt es Wettskandale. Am bekanntesten ist der Fall vom Teammanager Noh Dae Chul, der sein Team zwang zu verlieren, nachdem er gegen seine eigene Mannschaft gewettet hatte.

Jedes Jahr wird die Begeisterung vor allem junger Menschen für eine neue Trendsportart künstlich angeheizt, um so eine Nachfrage nach neuen Produkten zu erzeugen. Vor sechs Jahren war es Parcour, vor drei Jahren das Longboarden. Es geht meistens nicht mehr um Teamgeist und das über sich Hinauswachsen, sondern darum, Produkte zu verkaufen. Mit der immer rasanteren Kommerzialisierung entfremden sich die ProfisportlerInnen zunehmend von ihren Fans und ihren Vereinen. War es früher normal, dass ein Sportler einen Großteil seiner Karriere bei einem Verein spielte und sich mit dessen Stadt und Fans verbunden fühlte, sind heute schnelle Wechsel die Regel. Man geht dahin, wo das meiste Geld zu holen ist. Darunter leiden vor allem die Fans, die zu KonsumentInnen degradiert werden und denen jede Mitsprache verweigert wird. Aber auch die Amateursportler profitieren nicht von den Gewinnen, die mit dem Sport gemacht werden. In ländlichen Regionen hat sich zwischen 2006 und 2016 jeder neunte Verein aufgelöst.

[Cyril, Frankfurt]

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2019
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