Die Politik reagiert zunehmend mit Repression auf die Klimaproteste. Warum ist das so? Und was bedeutet das für uns?
Erst Wien, dann Aachen, dann Paris: Fast im Wochentakt werden Angriffe von Polizei und anderen Behörden auf die Klimabewegung bekannt. Ende Juni fuhr mir ein Polizeiauto bei einer Straßenblockade in Wien beinahe über den Kopf, während ich fixiert am Boden lag. Bei den Aktionen von Ende Gelände kam es dann wenige Wochen später zu Schikanen gegen die KohlegegnerInnen, denen teilweise bereitstehendes Essen und Trinken verwehrt wurden. Und Ende Juni gingen dann Videos aus Paris viral die zeigen, wie Polizeibeamte hunderte Jugendliche bei einer Fridays For Future -Demo mit Tränengas einnebeln.
Mehr Widerstand gegen den Klimawandel
Warum diese Gewalt? Und warum trifft es ausgerechnet junge Leute, die ausnahmslos friedlich für die Rettung unseres Planeten auf die Straße gehen? Vermutlich hat das einerseits damit zu tun, dass die neue Klima- und Ökologiebewegung langsam die Geduld verliert und in vielen Fällen zu widerständigeren Aktionsformen greift. Das gilt sowohl für Leute die direkte Aktionen machen, um zum Beispiel Druck für den Kohleausstieg oder die Verkehrswende aufzubauen und dafür Kohlegruben und Straßen besetzen. Es gilt aber auch für Protestbewegungen wie Fidays For Future, die inzwischen gemeinsam mit Extinction Rebellion und anderen Organisationen nicht mehr nur zum Schul- sondern zum Generalstreik aufrufen. Neben der höheren Bereitschaft für zivilen Ungehorsam ist vermutlich aber auch das Anwachsen der Proteste ein Grund für die zunehmende Repression. Die TeilnehmerInnenzahl bei Ende Gelände zum Beispiel hat sich in diesem Jahr mal wieder verdoppelt. Und auch bei globalen Bewegungen, vor Allem bei Fridays For Future, schließen sich von Woche zu Woche weltweit mehr Menschen an. An manchen Freitagen waren wir bereits mehr als eine Million, von Australien bis Rojava.
Warum die Herrschenden nichts ändern
Die herrschenden Regierungen und Konzerne hätten nun natürlich die Möglichkeit, Zugeständnisse an die neue Klimabewegung zu machen, um sie zu beruhigen. Das aber will nicht so recht funktionieren, weil die Regierungen und Konzerne im aktuellen Wirtschaftssystem, dem Kapitalismus, aus den Sachzwängen nicht herauskommen. Sie sind gezwungen, miteinander zu konkurrieren und immer billiger und mehr zu produzieren. Hören sie damit auf, fallen sie hinter die Konkurrenz zurück und gehen pleite. Rücksichtnahme auf ökologische Ressourcen und nachhaltige Produktion macht im Kapitalismus also schlichtweg keinen Sinn. Man wird versuchen können, ihn grün anzumalen. Aber wirklich ändern wird sich dabei nicht viel.
Die Antwort: Gewalt und Repression
Und weil sie wissen, dass sie zu den nötigen radikalen Veränderungen nicht in der Lage sind, reagieren die Herrschenden mit Gewalt. In Wien, in Aachen und in Paris – und überall anders auf der Welt. Wir aber werden uns von dieser Gewalt nicht abschrecken lassen. Wir werden mehr, lauter und widerständiger. Für den 27. September rufen Fridays For Future und viele andere Organisator*innen zu einem globalen Generalstreik auf, der so viele Menschen für die Rettung unseres Planeten auf die Straßen bringen soll wie noch nie. Das ist unsere Antwort auf euer Pfefferspray. Eure Gewalt macht uns nur stärker.
Anselm Schindler
Anselm Schindler ist Journalist und Aktivist, u.a. im Hambacher Forst. Ende Mai wurde er auf einer Friday For Future-Demo in Wien Opfer von Polizeigewalt.
Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren unter position@sdaj.org