In unserer Gesellschaft ist vieles was mit Sex zu tun hat tabuisiert und mit (falschen) Erwartungen und Vorstellungen verbunden. Friedrich Engels forderte schon vor über hundert Jahren, dass „die deutschen Arbeiter sich gewöhnen, von Dingen, die sie täglich oder nächtlich selbst treiben, von natürlichem, unentbehrlichen und äußert vergnüglichen Dingen“ endlich „unbefangen zu sprechen“. Wir sprechen mit Fred, der sich in seinem Studium der sozialen Arbeit auf Sexualität und Geschlechtlichkeit konzentriert hat und in verschiedenen Einrichtungen als Sexualpädagoge gearbeitet hat.
Diesmal möchte Luca, 19 wissen: Ich traue mich nicht, meine Freundin zu fragen ob sie es sich selbst macht… Wie ist das überhaupt? Ist Selbstbefriedigung in einer monogamen Beziehung Betrug? Und befriedigen sich alle Geschlechter gleichermaßen?
Das sind sehr verschiedene Fragen. Mit „Betrügen“ ist ja meistens gemeint, dass man die Exklusivrechte des Partners/der Partnerin verletzt. Wenn man in einer Beziehung für so etwas keine Regeln aufgestellt hat, werden die meisten von uns allgemeingültige Normen voraussetzen. Mit anderen Knutschen, Streicheln und Schlafen ist in der Regel nicht ok, die eigene Selbstbefriedigung aber aufzugeben ist eigentlich kein erwarteter Standard.
Einige wollen aber nicht, dass der/die PartnerIn masturbiert. Dahinter steht oft die Angst, dass Selbstbefriedigung bedeutet, dass die Paarsexualität nicht als ausreichend empfunden wird, oder dass man dabei an jemanden anders denkt. Das kann aber beim Paarsex ebenso der Fall sein.
Ob erwünscht oder nicht, die große Mehrheit der Männer (über 90%) und Frauen (über 60%) masturbieren zumindest gelegentlich. Und zwar innerhalb und außerhalb der Beziehung. Frauen allerdings etwas seltener als Männer und alle in Beziehungen seltener als im Singleleben. Darüber geredet wird trotzdem selten. Ist auch nicht einfach Worte zu finden, mit denen man in die Intimsphäre des Gegenübers eindringen möchte.
Selbstbefriedigung hat viele Anlässe: Geilheit oder Langeweile, unerfüllte Phantasien oder Phantasien die auch Phantasien bleiben sollen, Routine oder auch zur Bekämpfung von Depressionen. Immer ist es etwas sehr Privates und auch in einer Beziehung muss man nicht immer alles teilen. Fürs Fragen hilft es, wenn du die vorher alle Formulierungen überlegst und ein paarmal probeweise laut aussprichst. Die Worte, die dir am besten zur Situation passend vorkommen, kannst du dann auch im Gespräch verwenden.
Ich glaube Selbstbefriedigung in der Beziehung ist kein Betrug. Und klar: Man sollte sich nie blöd vorkommen Fragen zu stellen, aber Respekt vor der Intimsphäre des Gegenübers ist immer gut.
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