In Moskau fanden Kommunalwahlen statt
Seit nunmehr fast 20 Jahren bestimmt die Partei „Einiges Russland“ mit Wladimir Putin an der Spitze die Politik der Russischen Föderation. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen wurde er mit knapp 77% der Wählerstimmen im Amt bestätigt. Dennoch wird Putin in jüngerer Zeit eine schwindende Machtbasis attestiert, bürgerliche Medien spekulieren über ein baldiges „freies Russland“ und meinen damit natürlich vor allem die Freiheit des westlichen Kapitals, sich das riesige Land unter den Nagel zu reißen und weltweit bei seinen Raubzügen nicht mehr gestört zu werden. Doch was ist dran an der „bröckelnden Macht“ Putins?
Das Wahlergebnis
Im September waren 56 Millionen Menschen zur Wahl von 16 Gouverneuren und 13 regionalen Parlamenten aufgerufen. Alle Amtsinhaber, die durchweg „Einiges Russland“ oder einer ihr nahestehenden Gruppierung angehörten, wurden im Amt bestätigt. Trotz des Sieges musste die Partei um Präsident Putin in vielen anderen Regionen sichtbare Verluste hinnehmen, so auch in der Hauptstadt Moskau. Ihre Fraktion fiel hier von 38 auf 25 von 45 Mandaten zurück. Verbessern konnte sich vor allem die Kommunistische Partei (KPRF), die mit 13 Sitzen ihren Anteil mehr als verdoppelt hat. Die prowestliche Partei „Jabloko“ kam auf drei Sitze. Das hinderte bürgerliche Medien nicht daran, von einem Erfolg „der“ Opposition zu sprechen. Besonders absurd ist, dass vielfach geschrieben wird, die „Taktik“ des reaktionären „Kreml-Kritikers“ Alexei Nawalny sei aufgegangen, der vor der Wahl die Losung ausgegeben hatte, jedes Mandat weniger für „Einiges Russland“ sei ein Erfolg für sie.
Unmut in Russland?
Tatsächlich setzte sich aber mit den Stimmverlusten der Regierungspartei ein längerer Trend fort. Bereits vor einem Jahr verlor sie zwei Gouverneurswahlen gegen Kandidaten der rechtsnationalistischen „Liberaldemokraten“. In der fernöstlichen Region Primorje gewann ein Kandidat der KPRF deutlich, woraufhin die Wahl kurzerhand annulliert wurde. Auch bei den jetzigen Wahlen in Moskau kam es unzweifelhaft zu Wahlbehinderungen oppositioneller Kandidaten – KommunistInnen genauso wie prowestliche PolitikerInnen – seitens der Behörden. Doch war es das, was Zehntausende Menschen vor den Wahlen in Moskau zu Demonstrationen zog, gegen welche die Staatsmacht teils gewaltsam vorging? Das Bild ist wohl differenzierter. Einerseits verliert Putin gerade bei jungen Menschen an Zustimmung. Sie haben die Zeit des Raubes und der ungezügelten Zerstörung bestehender Wirtschafts- und Sozialverhältnisse in den 1990ern unter Jelzin nicht erlebt und sehen die mit der Regierungszeit Putins einsetzende Stabilisierung als Selbstverständlichkeit an. Was sie sehen ist, dass die Reallöhne in den letzten Jahren teils drastisch gesunken sind oder die Lebenshaltungskosten sich mit u.a. mit einer Mehrwertsteuererhöhung von 18 auf 20% verteuert haben. Für die ältere Bevölkerung ist vor allem die Rentenreform vom September 2018, wodurch das Eintrittsalter für Frauen von 55 auf 63, für Männer von 60 auf 65 erhöht wird, Stein des Anstoßes. Die kaum verhüllten Wahlmanipulationen sind in diesem Kontext eher Verstärker als Auslöser von Unzufriedenheit. Welche politische Kraft von dem steigenden Unmut und der Proteststimmung letztlich profitiert und ob sie die Machtbasis Putins wirklich gefährdet, ist ungewiss. Sicher ist, dass sich die Situation wesentlich komplexer darstellt, als es einem Nawalny und die ihn feiernden westlichen Medien mit ihrem „Alle gegen Putin“ gerne weismachen wollen.
Daniel, Trier
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