Katalonien – Zu leben heißt kämpfen!

veröffentlicht am: 2 Nov, 2019

Einschätzung der Kommunistischen Jugend Kataloniens (JCC) angesichts der Proteste gegen die Verhaftungen der politischen und sozialen Führer der Unabhängigkeitsbewegung

Vor gerade einmal sieben Tagen erhielten wir das gewaltige, aber von uns erwartete Urteil, welches den Schlusspunkt eines politischen Zyklus in Katalonien setzte, der als „el Procés“ bekannt war. Es ist ein repressives Urteil, das sich einzig und alleine auf Rache und der äußersten Verteidigung der Einheit des spanischen Staats gründet. Es ist die Reaktion des Regimes auf die Ausführung der Demokratie in Katalonien.

 

Der PSOE (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) hat dabei dem Regime als zentraler Stützpfeiler gedient. Der amtierende spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) äußerte, dass der Staat Katalonien mit „demokratischer Stabilität, Einheit und Verhältnismäßigkeit“ begegnen würde und ergänzte noch, dass es „keine Straffreiheit geben wird“. So wurden zuerst die Demonstrationen gewaltsam unterdrückt, es kam zu ungerechtfertigten Festnahmen und Demonstranten wurden mit Schlagstöcken niedergeknüppelt, was schließlich zu gewalttätigen Ausschreitungen führte. Zugleich geht Pedro Sánchez noch einen Schritt weiter, denn in dem er uns erzählt, dass es keine Straffreiheit gäbe, wird die nächste repressive Phase bereits eingeleitet. Staatsanwaltschaft und Polizeikräfte werden handeln und die Volksbewegung verfolgen, sollte diese die Proteste nicht einstellen.

 

Die Schwäche der katalanischen Regierung und der Stadtverwaltung Barcelonas gegen die Staatsrepressionen ist in Katalonien bereits merklich erkennbar. Der katalanische Innenminister Miquel Buch beugte sich den repressiven Maßnahmen des Staatsapparats, indem er die katalanischen Polizeieinheiten „Mozos de Escuadra“ ebenfalls gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen ließ. Zugleich verteidigte der katalanische Präsident Quim Torra das Vorgehen von Buch und den „Mozos de Escuadra“, kriminalisierte in Stellungnahmen vor allem die jugendlichen Demonstranten und beschuldigte sie, einen ermüdenden und verächtlichen anti-spanischen Kurs zu fahren. Und auch die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, setzte in mehr als unglücklichen Erklärungen das willkürliche, unverhältnismäßige und sogar illegale Vorgehen der Polizei mit der legitimen Verteidigung der Demonstranten gleich, wodurch sie letztendlich nur den Status Quo untermauerte und den Schrei nach Ordnung des spanischen Staats beantwortete.

 

Wir verurteilen die Polizeigewalt und die Verhaftungen zutiefst. Die spanische Polizei und die „Mozzzos de Escuaddra“ sind Repressionsorgane, die Staatsterrorismus ausüben. Die arbeitende Jugend von Katalonien sieht sich dieser Repression dabei nicht zum ersten Mal in diesem Jahrzehnt ausgesetzt. Wir haben sie bereits am 1. Oktober erlebt, wir haben sie während der Generalstreiks 2012 erlebt, wo tausende Streikende im ganzen spanischen Staat von einer ausufernden repressiven Welle erfasst wurden.

 

Hiermit erklären wir uns solidarisch mit allen Opfern von Repression und ihren Familien in ganz Spanien und mit den Protesten in Städten wie Madrid, Valencia, Bilbao oder Sevilla gegen das Urteil und für die Freiheit der katalanischen politischen Gefangenen. Der Staat, als Repressionswerkzeug der spanischen Bourgeoisie, unterdrückt uns sowohl als Klasse als auch als Teil des katalanischen Volks und erstickt damit die Souveränität unserer Klasse, der Arbeiterklasse des gesamten Staats.

 

Angesichts der Proteste dieser Wochen ist das Regime zusammengerückt. Die Stellungnahmen der Vertreter der spanischen Bourgeoisie aus Katalonien, beispielsweise Artur Mas oder Manuel Valls, entsprechen denen von Pedro Sánchez und grenzen sich sowohl von der Unabhängigkeitsbewegung als auch dem spanischen Ultranationalismus ab. Wir stellen fest, dass das Regime versucht, ihre Ordnung in Katalonien durchzusetzen, indem sie verschiedene organische Elemente der Bourgeoisie neu gruppiert.

 

Diese Neuformierung der Klasse ist die Antwort auf ihre Notwendigkeit, ihren Vertrag mit dem Staat neu aufzusetzen, ohne dabei weder die eigene Unterwerfung gegenüber dem spanischen Staat aufzuheben, noch einen transformatorischen Prozess auf sich zu nehmen, der sich (innerhalb und außerhalb des Staats) auf verbesserte Lebensbedingungen der katalanischen Arbeiterklasse auswirkt. Die Klasse wiegt eben mehr, die Unabhängigkeit spielt nur die zweite Geige.

 

Wir sind uns auch dessen bewusst, dass die zunehmenden Spannungen des Konflikts über die territoriale Unabhängigkeit vom konservativen Block genutzt werden. Trotzdem stellen wir fest, dass Ciudadanos en Cataluña, die wichtigste Partei des konservativen Blocks in Katalonien, große Verluste hinnehmen musste. War sie noch die erst- oder zweitstärkste Kraft im katalanischen Parlament, verliert sie nun Wählerpotenzial im Kampf um die Führerschaft im konservativen Block des ganzen Staats an die spanische Volkspartei (PP) und an die rechte Partei VOX.

 

Wir glauben, dass wir nun am Ende dieses politischen Zyklus angelangt sind. Das Regime hat zwischen den Protesten des 15. März und des 1. Oktober eine kleine Krise durchlebt, aber das Ende steht nahe bevor. Deswegen feiern wir diese Volksmobilsierung, an der wir uns weiterhin beteiligen werden. Es ist unabdingbar, diese Mobilisierung anhand konkreter politischer Aktion zu gestalten. Wir müssen mutig sein und dürfen uns davon nicht entfernen. Die neu-alte Achse der Politik greift erneut an und hat Elemente der rechts-links Achse und der Unabhängigkeit-Unionismus Achse bereits platziert. Die Widersprüche verschärfen und vereinfachen sich gleichzeitig, wir schlittern in einen Zyklus voller Kontraste statt Nuancen. Nun heißt es politischer Bruch oder Regime.

 

Unser Ziel ist die Volkssouveränität. Wir glauben, dass dieses Ziel von einem großen politischen Raum und politischen Subjekten der katalonischen Linken geteilt wird. Wir fordern Recht auf Selbstbestimmung der Völker, Recht auf ein würdiges Leben, Recht auf den eigenen Körper, Recht darauf, atmen zu können, das Recht der Klasse darauf, unsere Freiheit zu fordern und auszuführen, wenn nötig, wie immer, kämpfend.

 

Aufgrund all dessen blicken wir mit Vorfreude auf die Debatte auf der II. Nationalen Konferenz unserer Partei, Comunistes de Catalunya, am 23. November. Dort werden wir alles, was gerade passiert, analysieren und einen strategischen Vorschlag in Hinblick auf die Volkssouveränität erarbeiten. Ebenso beteiligen wir uns am 14. Dezember an der Republikanischen Versammlung der Fortschrittlichen Souveränität (Convención Republicana del Soberanismo Progresista), welche ein gemeinsamer Raum der Reflektion ist, um diesen Zyklus zu beenden, der durch „el Procés“ geprägt wurde.

 

Wir ermutigen die Jugend der Arbeiterklasse, aktiv zu werden. Wie Neus Català, Mitglied der Kommunistischen Partei Kataloniens, herausragende feministische und antifaschistische Aktivistin und eine katalanische Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück, die vor kurzem von uns ging, sagte: „Zu leben heißt kämpfen“.

 

  • Zentralkomitee der Kommunistischen Jugend Kataloniens (JCC)

 

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