Wie von der Leyen die EU weiter militarisieren will
Bereits in ihrer Bewerbungsrede vor dem EU-Parlament skizzierte Ursula von der Leyen die politischen Schlagrichtungen für ihre Amtszeit. Kritik wurde in der deutschen Medienlandschaft allenfalls an einer mangelnden Schwerpunktsetzung laut. In der Tat war die Rede ein vor Floskeln triefender Rundumschlag, der kaum als zuverlässiger Prädiktor der künftig zu erwartenden, konkreten Politik der EU-Kommission gewertet werden kann. Diese wird weiterhin von taktischen Interessen vor allem der deutschen und französischen Regierungen abhängen, die in Zeiten einer sich anbahnenden Krise der Weltwirtschaft einem raschen Wandel unterworfen sein können.
Wandel der EU-Entscheidungsmechanismen: Friss oder stirb!
Dennoch lohnt ein Blick auf die Inhalte: Einerseits kann der Aufbau der Rede als vorläufiges Resultat des Ringens der EU-Nationalregierungen um die mittelfristige strategische Aufstellung der EU betrachtet werden; andererseits lässt sich anhand der wenigen Konkretisierungen aufzeigen, wie von der Leyen Verbündete zur Durchsetzung der Interessen Berlins zu gewinnen gedenkt. Ob in der Sozial-, Umwelt-, oder Rüstungspolitik – von der Leyen bietet Investitionen und Subventionen als Zuckerbrot, während die Peitsche des Ausbleibens ebendieser für Widerspenstige unausgesprochen zwischen den Zeilen knallt.
Zentraler Hebel für die Überwindung von Widerständen bei der europäischen Integration bleibt eine vertiefte Kooperation in Militär- und Rüstungsfragen. Entsprechend salbungsvoll fällt von der Leyens Darstellung der Notwendigkeit eines „entschlosseneren Auftretens Europas in der Welt“ aus. In überraschend klaren Worten verdeutlicht sie: Eines der Hauptziele ihrer Amtszeit ist die Etablierung einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung in Fragen der Außen– und Sicherheitspolitik. Durch Experimente, wie die Einrichtung eines europäischen Sicherheitsrates, neue PESCO-Projekte und die Finanzierung gemeinsamer Rüstungsvorhaben durch den europäischen Verteidigungsfonds, wird eine schrittweise Annäherung an dieses Ziel erreicht. Dahinter steht der Versuch, Vorreitergruppen (gern als „Koalitionen der Willigen“ bezeichnet), bestehend aus 2-3 starken Staaten und einigen schwächeren Staaten als Mehrheitsbeschaffer, zu gewinnen. All diesen Experimenten gemein ist das „friss oder stirb“-Prinzip, bei dem mit finanziellen Vorteilen und einer Beteiligung an Entscheidungsprozessen gelockt wird, die dann jedoch oft nur für diejenigen Staaten gelten, die ein Projekt von Beginn an unterstützen.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf andere Politikbereiche übertragen. Indem von der Leyen sich durch ihre Rede sowohl die rechte als auch die linke Flanke offen gehalten hat, kann die Kommission unter ihrer Führung (durch Einbindung und Ausschluss mal dieser und mal jener Nationalregierung) geschickt zwischen verschiedenen Interessengruppen lavieren.
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