Vor einiger Zeit sorgte die Enthüllung des Soldaten Franco A. für Schlagzeilen, der Teil eines rechten Terrornetzwerkes innerhalb der Bundeswehr war. Neben Franco lassen sich unzählige Beispiele für Verstrickungen von Polizei, VS und Bundeswehr ins rechte Milieu aufzählen. Für uns Anlass genug sich genauer mit dieser Thematik zu beschäftigen, wofür im Folgenden der sogenannten „Hannibal-Komplex“ näher unter die Lupe genommen wird.
Franco A. lässt sich als Geflüchteter registrieren, versteckt eine Waffe am Wiener Flughafen und bespricht in diversen Chatgruppen mit gleichgesinnten Rechtsextremen geheime Todeslisten mit Namen dutzender PolitikerInnen & linker AktivistInnen. Es wird sich über den kommenden „Tag X“ ausgetauscht und versucht durch seine Registrierung als Geflüchteter die geplanten Angriffe/Morde geflüchteten Menschen in die Schuhe zu schieben. Diese filmreife Geschichte markiert nur den Anfang einer Reihe von Enthüllungen über ein bundesweites rechtes Terrornetzwerk das sich nicht nur über die Bundeswehr, sondern auch über diverse staatliche Institutionen & FunktionsträgerInnen erstreckt.
Die anschließenden Ermittlungen zu dem vermuteten bundesweiten Netzwerk von Rechten in staatlichen Institutionen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es gab eine Reihe von Personen in der Bundeswehr, Polizei und sonstigen Behörden die als Einzeltäter Straftaten planten/oder begangen haben. Die Anklage wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat gegen Franco A. wurde abgewiesen, er ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß.
Dies zeigt aber nur die Spitze des Eisberges und wird nicht ansatzweise dem gerecht was ReporterInnen anschließend zu Tage brachten. Somit können die Ermittlungen schlussendlich nur noch als gescheitert angesehen werden, nicht, weil es das Netzwerk nicht gibt, sondern weil die Verstrickung diverser Institutionen von Polizei, BKA, Richtern, Verfassungsschutz so groß sind, dass bei tiefergehenden Ermittlungen vermutlich das ganze politische System, samt aller Institutionen erschüttern würde.
Rechte Netzwerke bei Bundeswehr, Polizei und VS
Im Mittelpunkt der Ermittlungen stand der ehemalige Elitesoldat des KSK (Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr) André S der nachweisliche Administrator einiger Chatgruppen war und im Vorstand des von ihm mitgegründeten Vereins „UNITER e.V:“ saß. Der Verein, dessen Intention ein Netzwerk für Anschlusstätigkeiten nach der Karriere bei der Bundeswehr zu schaffen, entwickelte sich mit den Jahren zu einem Sammelbecken für Soldaten, Polizisten, Geheimdienstler und Leute aus der privaten Sicherheitsbranche, die das Interesse an Seminaren und Fortbildungen aber auch an paramilitärischen Trainings einte. So wurden innerhalb UNITERs eigene Einheiten aufgebaut, darunter auch eine „Defence Unite“ die sich an paramilitärischen Übungen beteiligte, gemeinsam haben sie bspw. das Schießen aus einem Helikopter geübt. Dies erhärtet den Verdacht, dass UNITER gezielt versuchte paramilitärische Einheiten aufzubauen, auch wenn der Verein dies bislang dementierte. (vgl. IMI-Studie 4/2019: 3) Neben seiner Tätigkeit bei UNITER, war André S. unter dem Decknamen „Hannibal“ mit einem weiteren KSK-Soldaten namens „Petrus“ Administrator zahlreicher Chatgruppen in denen Vernetzungsarbeit stattfand, auch hier haben sich nachweislich Polizisten, Soldaten, Reservisten und organisierte Rechtsextremisten getummelt.
Parallelen zur Weimarer Republik
Dies wäre nicht das erste Mal, dass eine vergleichbare „Schattenarmee“ neben den regulären Streitkräften besteht. So gab es zur Zeit der Weimarer Republik die sogenannte „Schwarze Reichswehr“ die eng mit der regulären Reichswehr verbunden und in weiten Teil aktiv unterstützt wurde, aber ins geheim sich darauf vorbereitete vor allem den „inneren Feind“ zu bekämpfen, damals waren das überwiegend KommunistInnen und andere Linke. Die „Schwarze Reichswehr“ war maßgeblich von Faschisten durchsetzt und wurde letztlich dafür eingesetzt die Weimarer Republik zu zerschlagen und den Hitler-Faschismus mit Gewalt gegenüber allen progressiven Teilen der Bevölkerung zu etablieren.
Insgesamt zeigt dieser Umstand, wie weit die Terrorpläne schon fortgeschritten waren und wie professionell sich die TäterInnen darauf schon ungestört vorbereiten konnten. Es ist davon auszugehen, dass durch die Vielzahl von Polizisten und anderen Beamten, die in dem Netzwerk aktiv waren, eine Aufklärung von Vornerein unterbunden wurde. Durch diese, in alle Teile der Staatsgewalt bestens vernetzten Leute, darunter auch ein MAD-Mitarbeiter (Geheimdienst der Bundeswehr) wurden Teile des Netzwerkes nachweislich vor Razzien gewarnt, sodass Beweise vernichtet werden konnten und das gesamte Ausmaß des Hannibal-Komplexes nie aufgedeckt werden konnte. Diese Nachlässigkeit zeigt auch schon der Umstand, dass die Behörden erst auf das Netzwerk aufmerksam wurden, nachdem Franco A sich auf so dermaßen ungeschickte und leichtsinnige Weise selbstenttarnte und die deutschen Behörden von den österreichischen Kollegen den entscheidenden Hinweis bekamen. Dies zeigt außerdem wie inaktiv der deutsche Staat gegen rechte Umtriebe in den eigenen Reihen vorgeht, tonangebend ist dabei die Bundesregierung die das Bestehen des „Hannibal-Komplex“ stets leugnete und lieber von Einzeltaten in Bezug auf die Erkenntnisse der Ermittlungen spricht.
Die Verstrickungen von staatlichen Institutionen in rechte Terrornetzwerke und mangelhafte Aufklärung kennen eine lange Tradition in Deutschland und dazu gehört neben der Verharmlosung des NSU und den blockierten Ermittlungen zum Todes Oury Jallohs nun auch der „Hannibal-Komplex“.
Reaktionärer Staatsumbau
Nun könnte man denken, dass es damit getan sei, wenn die Behörden einfach konsequenter jedes Vergehen in ihren Reihen ahnden würden. Dieses unrealistische Gedankenspiel verfehlt aber den Kern des Problems und lässt Ursache und Wirkung des gesellschaftlichen Rechtsrucks im Dunkeln.
Dieser Rechtsruck äußert sich nicht nur in der rechten Hetze von AfD und Faschisten die in der Bundeswehr und Polizei schalten und walten, sondern vor allem im Abbau demokratischer Rechte durch den Staat und die gleichzeitige Erweiterung der Repressionsmaßnahmen (z.B. die neuen Polizeigesetze) zum Erhalt der derzeitigen Klassenverhältnisse. Beides geht Hand in Hand und ist Ausdruck des reaktionären Staatsumbaus!
Solche Maßnahmen sind der Ausdruck von Zwängen, mit denen sich die herrschende Klasse in aufkommenden Krisenzeiten konfrontiert sieht, um jeden Zweifel an ihrer Herrschaft im Keime zu ersticken. Und falls doch mal größere Zweifel in Form breiter gesellschaftlicher Proteste gegen die derzeitigen Verhältnisse aufkommen sollten, stehen den Herrschenden auch im militärischen Bereich brauchbare Ansprechpartner zur Verfügung.
Es bleibt nur zu mutmaßen was passiert wäre, wenn Franco A. sich nicht selbstenttarnt hätte. Ein Attentat auf eine hochrangige politische Persönlichkeit, bei dem alle denken es wäre ein Geflüchteter gewesen und das Szenario eines darauffolgenden gesellschaftlichen Chaos – der „Tag X“ war scheinbar näher als viele denken würden.
Mehr zum Thema findet ihr in der IMI-Studie: „Hannibal-Komplex – Ein militantes, rechtes Netzwerk in Bundeswehr, Geheimdiensten, Polizei, Justiz und Parlamenten“
Mehr zum Thema reaktionärer Staatsumbau: Bildungszeitung reaktionärer Staatsumbau
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