Öffentliche Bildung in privater Hand? (POSITION #05/19)

veröffentlicht am: 28 Nov, 2019

Das deutsche Schulsystem wird mehr und mehr privatisiert

Wer in einer Familie aufgewachsen ist, die Sozialhilfe empfängt kennt sie vielleicht: Sogenannte „Bildungsgutscheine“. Obwohl laut ‚Bundesagentur für Arbeit‘ in Westdeutschland 13,5 und in Ostdeutschland 18,4 Prozent aller Minderjährigen auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, werden nicht Millionen von diesen „Bildungsgutscheinen“ ausgestellt. Denn um diesen zu beantragen, muss ich ja ersteinmal wissen, dass mir dieser zusteht.

Mogelpackung „Bildungsgutschein“
Einfacher wäre es da doch, wenn jeder von uns den gleichen Zugang zu Bildung hätte und niemand extra Anträge schreiben muss, um auch einen Zugang zu angeblich kostenfreier Bildung zu bekommen. Doch was im Schulalter beginnt, zieht sich bis zum Einstieg ins Berufsleben. So werden sogenannte Bildungsgutscheine auch in der beruflichen Weiterbildung eingesetzt und überlassen das Weiterbildungswesen mehr und mehr dem freien Markt.
Das ganze hat System: Erstmals flächendeckend eingeführt wurden solche Gutscheine acht Jahre nach dem faschistischen Militärputsch im südamerikanischen Chile. In der Folge entstanden tausende Privatschulen und die sozialen Unterschiede im Bildungsbereich wurden immer größer. So weit ist es in Deutschland noch nicht. Doch laut Statistischem Bundesamt ist die Anzahl der Privatschulen bei uns in den letzten 25 Jahren um über 80 Prozent gestiegen – Jede/r elfte SchülerIn geht nicht mehr auf eine öffentliche Schule.

Öffentliche-private Partnerschaften
Eine andere beliebte Form der Bildungsprivatisierung in Deutschland ist das System der öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP, engl. PPP). Dazu ein altes Beispiel aus Hessen: Um die katastrophale bauliche Situation der Schulen in Offenbach zu ändern, lief dort ab 2004 das größte ÖPP im Bildungsbereich. Die Schulen sollten binnen fünf Jahren mit privatem Kapital komplett saniert werden. Anschließend übernahmen die Investoren noch weitere zehn Jahre lang den Betrieb der Schulen samt Hausmeister und Energieversorgung. Heute ist sicher, was schon damals absehbar war: Mit Eigeninitiative wäre es billiger gewesen. Es geht insgesamt um über 1 Milliarde Euro in 15 Jahren. Davon sind mehr als 120 Millionen Euro reiner Gewinn für die beteiligten Unternehmen. Gewinne für private Unternehmer, aber dafür wenigstens gute Schulen für alle? Von wegen: Gerade einmal für 40 Prozent der Schüler stehen in Offenbach sanierte Räumlichkeiten zur Verfügung.

Nächster Privatisierungsschub 2020
Ähnliche wie in Offenbach wurden dann auch in Berlin, in Kassel und aktuell in Bremen durch die Einrichtung von Schulbau-Infrastrukturgesellschaften PPP-Projekte umgesetzt. Die Berliner Schulen zum Beispiel sollen an private Investoren vermietet werden, die diese auch sanieren sollen. Dadurch kann man Schulden außerhalb des Kernhaushalts aufnehmen und somit mehr Schulen sanieren. Somit begründet die Berliner Regierung aus SPD, Linkspartei und Grüne warum sie Schulen, die der Öffentlichkeit gehören nun an private Investoren verscherbelt.
Durch die 2020 in Kraft tretende Abschaffung des sogenannten Kooperationsverbots von Bund und Länder sind dann auch ÖPP-Vorhaben durch den Bund förderungsfähig. Das heißt: Die Privatisierung unserer Bildung geht munter weiter – wenn wir uns nicht zur dagegen wehren!

 

Freya, Kassel und Mark, München

 

 

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #5/2019
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