Die Bundesregierung will sich in der Sicherheits- und Rüstungsindustrie platzieren
„Verstärkte „Europäisierung“ der Verteidigungsindustrie ist [die] Lösung“. So hieß es im letzten Strategiepapier der Bundesregierung von 2015. Und an dieses wurde sich auch maßgeblich gehalten und Notwendiges umgesetzt. Nun ist rund 5 Jahre später eine Fortsetzung beschlossen worden: Das „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ (2020). Es soll sowohl das Papier von 2015 ersetzen als auch das das Innere betreffende „Strategiepapier zur Stärkung der zivilen Sicherheitsindustrie“ aus dem Jahr 2016.
Während es im alten noch heißt „die zunehmende Globalisierung und die gleichzeitig zunehmende Zahl fragiler Staaten, neue Machtkonstellationen wie auch die Infragestellung bewährter Ordnungsprinzipien und alter Gewissheiten – das sind die derzeitig akuten Herausforderungen für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik“ scheint die Panik um die gewohnte Machtstellung im neuen Papier gewichen: „Die regelbasierte nationale und internationale Ordnung, die mit ihren Organisationen und Institutionen den Rahmen für das politische Handeln der Bundesrepublik Deutschland setzt, muss gestärkt und weiterentwickelt werden“. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren weitgehende Maßnahmen beschlossen, um Sicherstellung der ökonomisch-politischen Interessen, die damals noch gefährdet schienen, zu gewährleisten.
Interessant zu sehen, ist, dass nicht mehr in Richtung des Äußeren Feindes, sondern des Inneren geschaut wird. „Im Kampf gegen nationalen und transnationalen Terrorismus und Extremismus sind die Analysefähigkeiten der Sicherheitsbehörden zu stärken und es muss sichergestellt werden, dass diese angemessene und praxistaugliche Befugnisse besitzen, um Bedrohungen frühzeitig aufklären zu können.“ Ein Anfang wurde mit den Polizeigesetzen und der massiven „armee-ähnlichen“ Aufrüstung der Polizei dabei schon geleistet. Daran soll anscheinend weitergearbeitet werden.
Eine elementare Aufgabe des Staates ist es, die Sicherung des inneren und äußeren Friedens sowie die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Zentrale Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist eine bestmögliche Ausrüstung der zivilen Sicherheitsorgane sowie der Bundeswehr und ihrer Verbündeten.“ Hier wird noch einmal deutlich, dass der Machterhalt im Inneren als eine parallele Arbeit zum Einsatz der Bundeswehr für ökonomische Interessen sein und auch davon ausgegangen wird, dass ein Markt zum Export der Technologien Realität ist.
Dem Ziel der Europäischen Verteidigungsunion (EVU) ist man durch PESCO (Permanent Structured Cooperation) und CARD (Coordinated Annual Review on Defence) schon große Schritte nähergekommen. Über diese Strukturen gibt es Zugriff auf ein von Deutschland beeinflusstes Netz der Sicherheits- und Verteidigungsindustrien. Über die Möglichkeiten dessen soll eine Studie in Auftrag gegeben werden, welche „grundlegende Kennzahlen, Branchen und Strukturen, Produkte und Märkte sowie Perspektiven und Chancen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie untersuch[t]“.
„Zum Erhalt bzw. zur Stärkung der sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien wird die Bundesregierung diese vor allem bei den unten genannten Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation (V.1.), Produktion (V.2.), Beschaffung (V.3.), Exportunterstützung und -kontrolle (V.4.) sowie Investitionskontrolle (V.5.) besonders fördern und schützen.“ Zusätzlich hat die Bundesregierung erkannt, dass die Akzeptanz in bestimmten Bereichen der Bevölkerung von starker Bedeutung ist und gleichzeitig einen wichtigen Angriffspunkt gegenüber der bevorstehenden Militarisierung herausgehoben: und zwar bei den rüstungsproduzierenden Arbeitnehmern. Wenn die Belegschaften sich weigern, Rüstung zu produzieren, schadet das nicht nur unmittelbar der Rüstungsindustrie, sondern ist auch ein Mittel gegen die Umsetzung der deutschen Kriegseinsätze und Großmachtbestrebungen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die groben Pläne von 2015 für den Ausbau der deutschen und Europäischen Rüstungsindustrie und Militarisierung detaillierter weitergeführt werden. Neu ist, dass die Politik scheinbar Militarisierung nach Außen und Militarisierung nach Innen als etwas sieht, das sich immer mehr annähert – zumindest zeitlich.