Wir haben Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher und Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen der Fraktion Die Linke im Bundestag zu Cum Ex interviewt.
Position: Was ist Cum Ex eigentlich?
Fabio: Cum Ex ist ein bisschen wie Pfandbons drucken, ohne Flaschen abzugeben, um dann an der Supermarktkasse Pfand abzukassieren. Das Problem: die Supermarktkasse ist das Finanzamt und es geht um unsere Asche. Cum-Ex sind Geschäfte mit Wertpapieren rund um den Dividendenstichtag (wenn Aktionäre Gewinne ausbezahlt bekommen). Dabei wird eine einmal bezahlte Steuer mehrfach erstattet.
Bei Cum-Ex lässt sich ein Investor (z.B. ein Pensionsfonds) die Kapitalertragsteuer von 25% auf Dividendeneinkünfte vom Finanzamt erstatten. Das ist möglich, weil der Fonds ja die Dividenden auch als Gewinn versteuert. Damit soll eine doppelte Besteuerung der Gewinne vermieden werden. Weitere Anleger leihen sich jedoch die Wertpapiere, um sich die Kapitalertragsteuer ebenfalls erstatten zu lassen. Durch das Cum-Ex Verfahren wird also eine Steuer, die nur einmal erstattungsfähig ist, mehrfach erstattet.
Den Finanzbehörden war wegen eines gesetzlichen Schlupflochs nicht klar, wer der wahre Eigentümer der Aktie war und damit eine Erstattung einfordern darf. Das Schlupfloch wurde von der Politik viele Jahre offengelassen und mit der Bankenlobby sogar noch vergrößert. Allein die Cum-Ex Abzocke kostete laut den Berechnungen des Finanzwissenschaftlers Prof. Christoph Spengel von der Universität Mannheim 7,2 Milliarden Euro. Mit Cum-Cum etwa 30 Milliarden. Das wären eine Million Euro für jede Schule in Deutschland!
Aktuell laufen Gerichtsverhandlungen dazu. Was kannst du uns darüber sagen?
Dies ist ein sehr komplexes Verfahren gegen britischen Aktienhändler, die Kronzeugen im Prozess sind, sowie gegen Banken. Deutschland braucht dringend ein Unternehmensstrafrecht, um für Waffengleichheit mit den Banken und Konzernen zu sorgen. Sonst muss man immer sehr aufwändig Einzelnen ein Fehlverhalten nachweisen. Erstmals kommt jedoch Paragraph 73 des Strafgesetzbuchs zur Anwendung, mit dem auch Gewinne der Banken aus Cum-Ex-Straftaten abgeschöpft werden können. Richter und Staatsanwältin machen bisher den Eindruck als wollten sie die Gangster im Nadelstreifen wirklich verknacken.
Warum wurde das Thema kaum medial behandelt?
Ich denke schon, dass das Ganze medial behandelt wurde, nur braucht es auch immer Akteure, die das Ganze am Kochen halten und angesichts der kriminellen Energie, wäre mehr Debatte in Deutschland über diese organisierte Finanzkriminalität der Banken sinnvoll.