Im seit 2011 andauernden, imperialistischen Überfall auf die arabische Republik Syrien unter Bashar al-Assad ist nach der erfolgreichen Rückeroberung von Aleppo sowie der Wiederinbetriebnahme wichtiger Infrastruktur wie der landesteileverbindenden Autobahnen oder der nationalen Flughäfen, ist es in der Nacht von Donnerstag auf Freitag dieser Woche zu einer erneuten militärischen Eskalation gekommen – welche das Potenzial zu einem regionalen sowie übergreifenden Flächenbrand hat. Fortfolgend eine erste Einschätzung und Stellungnahme.
Unsere Solidarität gilt dem syrischen Volk, dass immer weiter unter den militärischen Aggressionen leidet sowie den Geflüchteten, die in der weiteren Eskalation als Druckmittel mißbraucht werden. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriff auf Syrien aufs schärfste.
Idlib zwischen Bomben und Islamisten
Bei einem völkerrerchtswidrigen Angriff der Türkei auf Syrien kamen 33 türkische Soldaten in der Nähe des syrischen Ortes Behun, in der umkämpften Provinz Idlib, durch die syrische Armee ums Leben, zunächst beschuldigte Ankara fälschlicherweise russische Flugzeugverbände den Vormarsch der türkischen Truppen auf syrischem Staatsgebiet verhindert zu haben. Schon in den Tagen und Wochen zuvor hatte sich eine Verschärfung der Spannungen bis hin zu offenen Kampfhandlungen, Truppenverschiebungen und militärischer Schläge abgezeichnet. Die Provinz Idlib, nahe der türkischen Grenze gelegen, gilt als eine der letzten von islamistischen Kampfverbänden wie HTS (Hayat Tahir al Sham, einem Ableger von Al-Quida) unter massiver militärischer wie logistischer Unterstützung durch die Türkei zum Teil gehaltene Provinz. Nachdem die syrischen Truppen Provinz um Provinz zurückerobert haben und somit die territoriale Integrität des syrischen Landes wiederhergestellt wurde, strebt Damaskus offenkundig an, auch die verbliebene Provinz unter die Kontrolle der Zentralregierung zu bringen und den türkischen Annexionsplänen, nach den Abenteuern in Afrin, Kobane und Rojava, endgültig einen Riegel vorzuschieben. Die deutsche Bundesregierung und die deutschen Medien schweigen zum völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei und versuchen somit auch ihre eigene Mittäterschaft zu vertuschen. In Syrien kämpfen türkische Truppen und islamistische Milizen mit deutschen Waffen, so ist dort beispielsweise der deutsche Leopard II-Panzer aus der deutschen Waffenschmiede Krauss-Maffei-Wegmann im Dauereinsatz (zwischen 1990 und 2018 verkaufte KMW rund 300 Panzer in die Türkei). Die Bundesregierung verkaufte ältere Bestände der Bundeswehr sowie genehmigte neue Waffenlieferungen an die Türkei bis zuletzt, aktuell rangiert Deutschland hinter den USA auf Platz 2 der zentralen Waffenlieferanten der Türkei mit rund 14 Prozent aller Waffenexporte (Quelle: SIPRI-Institut). Darüber hinaus beteiligte sich die deutsche Bundeswehr mit Aufklärungsflügen am Krieg in Syrien. Wer Waffen und Bilder liefert, ist mitschuldig an Mord und Totschlag!
Internationale Konstellation – Gefahr eines Weltkrieges
Wir verurteilen in aller Schärfe die erneute Aggression durch die türkischen Truppen und von Seiten des türkischen Staates, denn – wie jedes Land der Welt – besitzt Syrien selbstverständlich das Recht, sogar die Pflicht, zur Verteidigung seiner Staatsgrenzen sowie seiner Bewohner. Der Plan des aufstrebenden Landes unter Recep Erdogan muss durchkreuzt werden, da dieses Vorhaben eine brennende Lunte an das Pulverfass „Syrien“ anlegt und das Potenzial besitzt zu einem globalen Kräftemessen, sogar zu einem erneuten Weltkrieg auszuarten. Kaum vorstellbar, was bei einer russischen und türkischen direkten Konfrontation für die Welt auf dem Spiel stände.
Idlib ist eine strategische Entscheidungsschlacht, gelingt es dem Assad-Klan diese Provinz zurückzugewinnen, dürfte ein Ende der kriegerischen Handlungen in Syrien in greifbare Nähe rücken. Der bedeutendste Verbündete der syrischen Herrscherfamilie Al-Assad ist – neben dem Iran – der russische Kreml, welcher durch die Intervention russischer Truppen im September 2015 einen drohenden „Regime-Change“und den Sturz der syrischen Zentralregierung in Damaskus verhinderte. In den Folgejahren etablierte sich im „Astana-Format“, bestehend aus der Türkei, der Russischen Föderation sowie dem Iran, ein fragiles aber konstruktives Bündnis zur politischen Lösung des Konfliktes um Syrien. In der Folge, nach den Überfällen und Annexionen der türkischen Seite gegenüber den kurdisch-syrischen Gebieten sowie aktuell gegenüber der Provinz Idlib, scheint dieses Bündnis in Auflösung begriffen.
Die Türkei hält weiterhin an ihrem Kurs der militärischen Landnahme im syrischen Grenzgebiet fest und arbeitet dabei Schulter an Schulter mit islamistischen Terroristen sowie ehemaligen IS-Soldaten. Der Moskauer Kreml unterstützt und tendiert – zumindest aktuell zu Damaskus – müsse sich aber bei einer weiteren Aggression definitiv entscheiden, auf wessen Seite man stünde. Nachdem die Türkei ankündigte, die NATO im Rahmen eines Bündnisfalles anzurufen, kam als unmittelbare Reaktion aus den herrschenden Kreisen der USA sowie aus Saudi-Arabien die Meldung, dass „man eine neue Unterstützung überdenke“. Bei der Beratung der NATO-Staaten blitzte die Türkei mit ihrem zentralen Anliegen – der Errichtung einer Flugverbotszone – jedoch ab. Lediglich eine verstärkte Überwachung des Luftraumes wurde durch das Kriegsbündnis NATO zugesichert, man prüfe jedoch regelmäßig, ob weitere „Unterstützung notwendig sei“.
Es gilt klar zu sagen, dass um jeden Preis eine militärische Konfrontation zwischen Russland und den NATO-Staaten in Syrien – gerade im Angesicht von Defender 2020 in Osteuropa – zu verhindern ist. Beide Seiten müssen zurück an den diplomatischen Tisch und die Türkei muss unverzüglich die Unterstützung islamistischer Banden einstellen, das syrische Territorium in Gänze verlassen sowie jegliche militärische Drohgebärden oder Manöver auf oder in unmittelbarer Nähe zu Syrien einstellen. In diesem Zusammenhang ist wahrscheinlich auch die heutige Öffnung des Weges zu den EU-Grenzen zu sehen. Um den Druck auf die europäischen NATO-Staaten zu erhöhen – unter Vorschieben der Anschuldigung, die EU halte sich nicht an ihren Teil des Flüchtlingsabkommens – hält die türkische Regierung Geflüchtete nun nicht mehr von ihrem Weg nach Europa ab. Tausende Menschen sind zur Stunde bereits an der griechischen Grenze angekommen und unterliegen dort massiver Gegenwehr und Gewalt durch die griechische Polizei. Hier werden Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt durch imperialistische Machtkämpfe als Druckmittel und Manövriermasse missbraucht. Hierbei geht es uns nicht um die Frage, wessen „Schuld“ oder wessen Tat den „Deal“ obsolet machte, sondern vielmehr darum zu betonen, dass dieses Abkommen von Anbeginn menschenverachtend, falsch und dreckig war. Die EU und ihre Mitgliedstaaten versuchten sich durch Milliarden-Zahlungen an die Türkei von den menschlichen Folgen (den Geflüchteten) ihrer kriegerischen Politik „freizukaufen“. Die deutschen Herrschenden sind mitschuldig am Leid und Elend der Flüchtenden und sind Mitverursacher ihrer Fluchtgründe – namentlich am Krieg (siehe oben) um Einfluss und Profit in Syrien – aus diesen Gründen muss die deutsche Abschottungspolitik in Europa ein schnelles Ende finden und Syrien sowie der Nahe Osten zu einem gesunden Frieden ohne ausländische Einmischungen kommen. Wir fordern die deutsche Bundesregierung und die regierenden Parteien auf, unverzüglich ihr militärisches Engagement zu beenden, Geflüchtete aufzunehmen wie abzusichern und weitere Abkommen zum Nachteil von Migrantinnen und Migranten zu unterlassen.
„Über Leichen zum Ziel“ – zur Rolle des deutschen Imperialismus
Die Leidtragenden sind jedoch keinesfalls die Herrschenden in der Türkei, den USA oder in Russland, sondern die Menschen – das syrische Volk und die Arbeiterklasse – vor Ort. Ekelerregend ist hierbei, wie der „Westen“ (die deutsche Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas voran) die desolate Lage der Menschen für ihre Machtspiele missbraucht. Außenminister Maas vergoss Krokodilstränen, in völliger Verkennung der Sachlage, beschuldigte er Russland und Syrien die Zivilbevölkerung zu gefährden sowie Krankenhäuser und Schulen zu bombardieren. Kein Wort über die deutsche Zuarbeit für die Luftangriffe der Koalition. Jahrelang lieferten deutsche Bundeswehrtornados die Aufklärungsbilder zu Mord und Bombenterror. Damit offenbart sich, dass für den deutschen Imperialismus und seine Waffenbrüder die Karte des Schutzes der Zivilbevölkerung das letzte Ass im Ärmel ist. Wir dürfen uns von den Nebelkerzen nicht blenden lassen, die deutsche Außenpolitik und seine medialen Sprachrohre sind mitschuldig an Flucht, Zerstörung und Krieg – eine Lösung und Frieden kann es weder mit noch durch Sie geben. Gleichzeitig mit der geheuchelten Solidarität könnte sich die BRD nach einem Vorstoß der USA an einer erneuten Verschärfung der Sanktionen gegenüber der syrischen Ökonomie und dem syrischen Volk beteiligen. Nach dem Tenor aus Washington sollen die zu treffenden Maßnahmen einen Regime-Change durch „Hungerrevolten“ auslösen, damit zeigen die deutsche Bundesregierung und die herrschende Politik ihr wahres Wesen und ihre hässliche Fratze. Für Einfluss, Profit und geopolitische Ziele geht das deutsche Monopolkapital über Millionen syrischer Leichen. Wir halten die Politik sowie die Bundesrepublik Deutschland als Staat für imperialistisch, da – nach unserer Definition beruhend auf Lenin – „der Imperialismus der Kapitalismus unserer Zeit“ (Köbele) ist und auf der ständigen Neuaufteilung der Welt, seiner Rohstoffe, Arbeitskräfte und Profite beruht. Überschüssiges Kapital in Deutschland drängt zur Anlage in fremde Länder und Kontinente und macht eine militärische Aggression in Konkurrenz zu anderen Ländern – in der kapitalistischen Logik – unausweichlich. Die Folgen dieser Politik sind anhand der Flüchtlingsbewegungen, der Zerstörung ganzer Länder und Regionen sowie der Untergrabung der menschlichen Existenzgrundlagen kaum mehr zu übersehen – die Lage im Nahen Osten und die Abkommen mit der Türkei bilden einen lebendigen Beweis.
Zum Schluss bleibt festzuhalten: die Aggression des türkischen Staates unter der Schirmherrschaft seiner deutscher, amerikanischen und arabischen Waffenbrüder muss unverzüglich aufhören, eine weltpolitische Konfrontation zwischen der NATO und Russland darf es unter keinen Umständen geben, die Bundesrepublik Deutschland und ihre herrschende Klasse unterstützen und befeuern die Eskalation um Idlib – dies muss ein Ende haben -, die Wirtschaftssanktionen gegen das syrische Volk sind ein Menschheitsverbrechen und die geheuchelte Solidarität durch die deutschen Politiker muss entlarvt, entkräftet und beendet werden.
Es bleibt unsere Aufgabe, dagegen auf die Straße zu gehen und unseren Protest klar und deutlich zu artikulieren! Deshalb:
- Stoppt die deutsche Kriegsbeteiligung!
- Gemeinsam gegen die Kriegspolitik mit Syrien!
- Gegen jede militärische Intervention, Frieden mit Syrien, Russland und Iran!
SDAJ AG Internationalismus