Während wir als Verband bundesweit zu unserer Kurzkampagne “Gesundheit statt Profite!” gearbeitet haben, hat Clemens Tönnies mit seinem Nahrungsmittelkonzern deutlich gezeigt, warum wir das tun und dass der Profit in diesem System eben nunmal vorgeht.
Denn während CoViD-19 weiterhin eine riesige Gefahr ist und es im Gesundheitssystem an allen Enden an Personal und Schutzausrüstung fehlt, da produzierte Tönnies wie gewohnt weiter und das ohne die Durchsetzung der gesetzlichen Hygieneregelungen. Das machte ihn verantwortlich für die größte Masseninfektion der Pandemie in Deutschland: Über 1.700 MitarbeiterInnen wurde, nach behördlich angeordneten Tests, eine Infektion nachgewiesen. Das führte zur Quarantäne einer ganzen Firma, einem totalen Produktionsstopp und dem regionalen Lockdown in Gütersloh und Warendorf.
Ausbruch durch Arbeitsbedingungen
Der Corona-Ausbruch bei Tönnies war aber keineswegs ein Ding des Zufalls, sondern bedingt durch die miesen Arbeitsbedingungen, unter welchen die Beschäftigten in diesem und vielen anderen Schlachtbetrieben schon lange angestellt sind und unter denen sie tagtäglich leiden müssen.
So beschäftigt Tönnies Rund die Hälfte seiner 16.500 Beschäftigen über so genannte Werksverträge, bei denen das Personal nicht direkt bei ihm in Gütersloh, sondern über Subunternehmen in Osteuropa angestellt ist. Bei derartigen Verträgen muss der deutsche Arbeitgeber (zumindest theoretisch, ob Tönnies das macht, ist unklar) zwar den deutschen gesetzlichen Mindestlohn auszahlen, aber tarifliche Bindungen der Branche entfallen. Der Konzern schafft es so also, den Beschäftigten weitaus weniger Lohn auszuzahlen und somit bleibt mehr Geld für die Kasse des Vorstands.
Zu der miesen Entlohnung kommen massenhaft unbezahlte Überstunden, die die Beschäftigten regelmäßig leisten müssen, noch hinzu. Gleichzeitig müssen sie für Schutzausrüstung und Arbeitsmaterial selbst aufkommen, sowie ebenfalls für die Miete von Unterkünften. Diese Unterkünfte vermietet wiederum Tönnies ihnen und dort müssen sie dann mit bis zu 14 anderen Menschen auf engstem Raum in menschenundwürdigen Häusern leben. Schimmelbefall an den Wänden ist keine Seltenheit. Ob es in einer solchen Umgebung möglich ist, sich vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen, ist unwahrscheinlich.
Doch auch während der Arbeit gefährderte Tönnies seine Mitarbeiter mit einer Ansteckung: So zeigt ein im Juni veröffentlichtes Video aus dem April deutlich eine übervolle Betriebskantine ohne Mindestabstand oder anderen Hygienemaßnahmen. Dies stellt eine klare Verletzung mit zu dem Zeitpunkt vorherrschenden Hygienevorschriften dar. Dass Tönnies diese auch an anderen Stellen in der Produktion umgangen hat, lässt sich also annehmen.
Skandale sind Unternehmensgeschichte
Die Skandale sind für Clemens Tönnies jedoch nichts Neues, denn auch schon vor der Pandemie und der Gefährdung seiner Beschäftigten, wurde der Konzern Tönnies immer wieder auffällig:
So gab es im Jahr 2011 ein Strafverfahren gegen Clemens Tönnies und sieben leitende Mitarbeiter des Konzerns aufgrund von Falschetikettierung seines Hackfleischs, welches vom Landgericht Essen gegen eine Auflage von 2,9 Millionen Euro wieder eingestellt wurde. Sechs Jahre später, 2017, verurteilte das Kartellamt Tönnies wegen jahrzehntelanger illegaler Preisabsprachen mit anderen Unternehmen zu einem Bußgeld von 128 Millionen Euro, welchem er durch ein gesetzliches Schlupfloch wieder entgehen konnte. Zu dieser Zeit hatte er ein Vermögen von ungefähr 1,1 Milliarden Euro, heute wird es auf 2 Milliarden Euro geschätzt.
Vor zwei Jahren hat eine Untersuchung von zwei Wasserproben aus der Ems ergeben, dass Keime im Fluss gegen acht von vierzehn untersuchten Antibiotika immun sind sowie Resistenzen gegen drei von vier Reserveantibiotika nachweisen. Von der Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz und dem Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterung, die die Proben entnommen haben, wird ein Zusammenhang mit dem Abwasser von Tönnies, das in das Gewässer fließt, vermutet. Tönnies wies die Anschuldigung von sich und änderte nichts an seiner Abwasserversorgung.
Tönnies & Kapitalismus
Tönnies ist keineswegs ein Einzelfall, sondern er steht als Beispiel dafür, was im Kapitalismus Alltag ist und System hat: Die kurzfristige Umsetzung von immer höherem Profit ist das Einzige was für Kapitalisten zählt. Sei es VW, die zu Beginn der Pandemie, trotz Infektionen in den Werken normal weiter produziert haben oder eben Tönnies, der Kunden mit Falschetikettierung vorführt, Preisabsprachen mit anderen Monopolen trifft und gesetzliche Lücken ausnutzt, um nicht belangt zu werden.
Für die Vergrößerung seines Vermögens beschäftigt er seine MitarbeiterInnen zu miserablen Bedingungen, lässt sie in menschenunwürdigen Unterkünften leben, hat geltende Hygieneregeln nicht umgesetzt und sie so einer Infektion mit CoViD-19 ausgesetzt, wozu es schließlich dann auch kam. Tönnies ist der Profit wichtiger als die Gesundheit und das Leben seiner Beschäftigten und der Bevölkerung in Ostwestfalen-Lippe, das hat sein Handeln deutlich gezeigt.
Und auch die EU zeigt hier ihr w hres Gesicht: Die verschiedenen Lebensstandarts der Menschen aus den unterschiedlichen Ländern werden von den Arbeitgebern ausgenutzt. Es sind vornehmlich Menschen aus Osteuropa, die unter solch harten Bedingungen arbeiten, teils durch Knebelverträge aber eben auch, weil es für sie noch eine der besten Möglichkeiten ist, so das Geld für ihre Familien zu verdienen. Und das nicht nur bei Tönnies, allgemein in der Fleischindustrie, auf Baustellen, in der Landwirtschaft oder als LKW-Fahrer. Hier geht es wieder darum, möglichst viel Profit zu machen, ohne Rücksicht auf die Menschen, die ihn erwirtschaften.
Doch auch wenn Politik und Medien in den letzten Wochen das Handeln von Tönnies kritisiert und die miesen Arbeitsbedingungen hervorgehoben haben, wurde in den letzten Jahrzehnten geschwiegen und Tönnies toleriert. Gewerkschaften und lokale Bündnisse machen die Arbeits- und Lebensbedingungen der MitarbeiterInnen schon seit vielen Jahren öffentlich und versuchen für Verbesserungen zu kämpfen, doch das interessierte die Politik immer herzlich wenig. Stattdessen kam es zur Zusammenarbeit, sei es der Landrat des Kreises Gütersloh, der seine Gurken-Produkte lange selbst über den Tönnies Werksverkauf vertrieben hat, der Tönnies Werbekalender, der in der Gütersloher Kreisverwaltung hängt oder Sigmar Gabriel, der nach seiner Karriere als Bundestagsabgeordneter und SPD-Vorsitz für 10.000€ im Monat Beratertätigkeiten bei Tönnies wahrnahm und den Konzern als Musterbeispiel der Branche lobte.
Man braucht sich keine Illusionen zu machen, dass sich durch kritische Äußerungen von Parteien oder versprochenen Verbesserungen seitens Tönnies irgendetwas groß ändern wird. Denn auch wenn jetzt eventuell besondere Regelungen eintreten, wird Tönnies nicht für sein Handeln belangt werden und somit weiter versuchen den größtmöglichen Profit auf Lasten seiner Beschäftigten, deren Gesundheit und der Umwelt zu realisieren. Das zeigt sich jetzt schon deutlich daran, dass Clemens Tönnies jegliche Schuld an den Infektionen abstreitet und versucht die Lohnkosten durch den Produktionsstopp von der Regierung zurückzuholen. Das wird nun ebenfalls kritisiert, doch die Regierung hat in den letzten Jahrzehnten deutlich gezeigt, dass es ihnen wenig um die Gesundheit, die Arbeitsbedingungen und das Leben der Beschäftigten geht, sondern um den Profit von Menschen wie Clemens Tönnies. Denn Tönnies hat System und dieses System nennt sich Kapitalismus. Damit also wirklich wir, unser Leben und unsere Gesundheit zählen, muss dieses System abgeschafft werden, wir brauchen den Sozialismus.
Bis dahin fordern wir:
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Das Ende von Werksverträgen und Leiharbeit in allen Branchen und Bereichen!
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Tarifliche Entlohnung für alle Beschäftigten bei Tönnies und überall!
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Schluss mit unbezahlten Überstunden! Her mit lebensgerechten Unterkünften!
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Tönnies muss haften und Strafe an das Gesundheitssystem zahlen!
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Die Umsetzung von Gesundheits- und Arbeitsschutz, hohe Strafen bei Verstößen!
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Die Übernahme der Folgekosten durch Tönnies’ Vermögen!
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Den Rücktritt aller PolitikerInnn, die vom System Tönnies profitiert haben!
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Enteignung des Konzerns und eine demokratische Kontrolle der Produktion!
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Hoch die internationale Solidarität! Wer in Deutschland arbeitet, muss auch nach unseren Standards bezahlt werden!