Seit der kubanischen Revolution 1959 erprobt der Karibikstaat immer wieder neue Methoden und Wege, eine Gesellschaft abseits von Egoismus und Profitlogik aufzubauen. Trotz vieler Rückschläge und der kolonialistischen und imperialistischen Ausbeutung des globalen Südens, die heute stärker stattfindet als jemals zuvor, beschreitet Kuba diesen Weg nun schon seit 61 Jahren. Eine große Stärke Kubas ist die Fähigkeit, sich an Situationen anzupassen, Neues zu erproben und durch Auswertungen aus den gemachten Erfahrungen zu lernen.
Von der Alphabetisierung bis zur großen Zuckerernte
Dabei spielt seit der Revolution die Einbeziehung der gesamten Bevölkerung und die Befähigung dieser zur Teilhabe eine wichtige Rolle. Ein gutes Beispiel dafür ist das Heer von knapp 300.000 Freiwilligen, das 1961 während der Alphabetisierungskampagne allen KubanerInnen lesen und schreiben beibrachte. Die ehemaligen Kasernen der Batista-Diktatur sind heute Schulen und Kuba hat die geringste Analphabetisierungsrate in ganz Südamerika. Ein anderes historisches Beispiel für die Beteiligung der ganzen Bevölkerung an nationalen Zielen ist die „Gran Zafra“ (große Ernte) von 1970. Diese Kampagne, die vor genau 50 Jahren stattfand und mehrere Jahre vorbereitet wurde, machte es sich zur Aufgabe, innerhalb eines Jahres zehn Millionen Tonnen Rohrzucker auf Kuba zu erwirtschaften. Dafür wurden ganz nach dem Vorbild und den voluntaristischen Bestrebungen des Che, landesweit Freiwillige, SoldatInnen und ArbeiterInnen aus anderen Bereichen mobilisiert. Dadurch kam Kuba auf die dreifache Zahl an ArbeiterInnen für die Zuckerrohrernte, wobei die Einbindung der Landbevölkerung und insbesondere der Frauen eine wichtige Rolle gespielt hatte. Zusätzlich wurde während der Kampagne die ländliche Infrastruktur gestärkt, vor allem durch die Einrichtung neuer Schulen und Ärztestationen, während die Mitgliedszahlen der Massenorganisationen deutlich anstiegen.
Trotz aller Bemühungen wurde das Ziel der zehn Millionen Tonnen nicht erreicht, was zum einen an veralteter Technologie, zum anderen an organisatorischen Mängeln lag. Einige Aspekte der Kampagne wurden als Fehler ausgewertet und Fidel Castro bot seinen Rücktritt an. Die wirtschaftliche Orientierung ging daraufhin weg vom Voluntarismus und mehr in Richtung des europäischen Sozialismus. Trotzdem gelang es den KubanerInnen in diesem Jahr 8.537.600 Tonnen Rohrzucker zu ernten, die größte Zuckerernte in der Geschichte Kubas, mithilfe derer die Industrialisierung Kubas in den kommenden Jahren vorangetrieben und soziale Errungenschaften gefördert werden konnten und die einen wichtigen Grundstein für eines der Hauptexportgüter Kubas in den kommenden zwanzig Jahren legte.
Kind seiner Widersprüche
Die „Gran Zafra“ zeigt, wie flexibel das revolutionäre Kuba, Kind seiner Widersprüche, sich an die jeweiligen historischen Situationen anzupassen vermag. Der Zucker ist über 200 Jahre Grund und Symbol der Erniedrigungen der BewohnerInnen Kubas gewesen. Wie der Autor E. Galeano in den „Offenen Adern Lateinamerikas“ dazu schrieb, „verwandelte sich der Zucker, der als ein Faktor der Unterentwicklung betrachtet worden war in ein Instrument der Entwicklung. Man hatte keine andere Wahl, als sich die Früchte der Monokultur und der aus dem Eintritt Kubas in den Weltmarkt entstandenen Abhängigkeit zunutze zu machen, um Monokultur und Abhängigkeit das Rückgrat zu brechen.“
Jurek, Essen
Dieser Artikel erschien in der aktuellen Position, dem Magazin der SDAJ.