Aufstand gegen die Rückkehr des Kleiderbügel
Die Proteste rund um das neue Abtreibungsgesetz in Polen, welches faktisch jede Art der Abtreibung verbietet und Frauen zwingen würde auch tödlich fehlgebildete Föten auszutragen, halten an. Organisiert im Bündnis „Strajk Kobiet“ strömen Hunderttausende auf die Straßen des Landes. Die in über 500 Städten stattfindenden Proteste, wovon 90 Prozent in Ortschaften mit unter 50.000 Einwohnern abgehalten werden, fordern jedoch nicht nur die Abschaffung dieser Gesetzeslage, sondern darüber hinaus kostenfreie Verhütung, die Zurückdrängung des Einflusses der katholischen Kirche aus Politik wie Gesellschaft, die konsequente Verfolgung aller Gewalt an Frauen, die ökonomische Gleichstellung sowie ein Verbot von faschistischen Gruppen. Die Demonstrierenden organisieren sich über Social-Media und blockieren ganze Straßen, stören Gottesdienste oder belagern das Haus des PiS (Partei: Recht und Gerechtigkeit) – Chef Jaroslaw Kaczynski.
Die Forderungen streben eine Veränderung der polnischen, klerikal-geprägten Gesellschaft an. Die Reaktionen der PiS-Partei und der katholischen Kirche sind ablehnend-negativ: Kaczynski spricht öffentlich von einem „Krieg gegen Polen“, das Staatsfernsehen bezeichnet polnische Abgeordnete im Parlament als faschistisch, sofern diese gegen das Gesetz im Sejm (dem Parlament) protestierten – schlussendlich werden die Proteste bischöflich zur Sünde verklärt. Aber neben dem staatlich-klerikalen, verbalen Säbelrasseln kam auch die Militärpolizei zum Einsatz, die sich, wie in Warschau geschehen, schützend vor Kirchen postiert. Darüber hinaus gab es tätliche Angriffe von Hooligan-Banden und Faschisten gegen die friedlichen Demonstrantinnen und ihre Verbündeten.
Lockdown, Krise, Kapitalismus
Trotzdem protestieren Hunderttausende gegen die Regierung, auch der verhängte Lockdown konnte die Wut auf den Straßen nicht bremsen. Die Proteste stoßen auf Resonanz in der Bevölkerung: die PiS-Partei verlor 11% in aktuellen Umfragen, 70% der Bevölkerung sind für den Rücktritt von Vizeministerpräsident Kaczynski. Solidarisch zeigten sich neben internationalen, feministischen Gruppen auch polnische Rentnerinnen, die Bauernschaft sowie Angestellte im öffentlichen Nahverkehr mit einem Streik. Die jetzigen Proteste in Polen sind kein Vorabend einer proletarisch-feministischen Revolution, jedoch Teil des Kampfes gegen den reaktionären Staatsumbau der von PiS und seinen Koalitionspartnern sowie der katholischen Kirche vorangetrieben wie forciert wird. Dieser Vorgang ist ein Kampf um demokratische Rechte und ein zähes Ringen mit der Herrschaft der Monopole. Die katholische Kirche sowie die PIS-Partei stehen im Dienst der herrschenden Klasse von Polen – hieran ändern auch die seichten Sozialmaßnahmen wie das Kindergeld (von 500 Zloty) wenig.
Die PIS-Partei war nie eine soziale Alternative zum neoliberalen Kapitalismus, das kapitalistische System wird durch traditionelle Werte in seiner Herrschaft legitimiert und abgesichert. Die Bourgeoise, die im Bund mit der Kirche den Sozialismus vernichtete, die polnische Linke aus dem öffentlichen Leben verdrängte und das Leben von Frauen zur Hölle machen will, muss bekämpft werden. Der Kampf für einen neuen Sozialismus in Polen muss begonnen werden, hierzu bieten die Kämpfe einen ersten Ansatz. Dies erfordert den Kampf um eine bürgerliche Demokratie, den Kampf um Frauenrechte sowie die Zurückdrängung reaktionärer Maßnahmen. Wir solidarisieren uns mit allen fortschrittlichen Kräften in Polen und stehen Ihnen im Kampf gegen den reaktionären Staatsumbau, die faschistischen Umtriebe in ihrem Land sowie im Kampf um die feministischen Menschenrechte wie einem neuen Sozialismus, solidarisch zur Seite!
Hoch die internationale Solidarität!
Internationale AG der SDAJ, 04. November 2020