„Verteidigung der legitimen Rechte“
Die Exilregierung der West-Sahara mit Sitz in Algerien hat mit sofortiger Wirkung den seit 1991 geltenden Waffenstillstand mit der marokkanischen Besatzungsmacht aufgekündigt. In einem veröffentlichten Kommuniqué vom vergangenen Freitag erklärte die sahrauische Befreiungsbewegung in deutlichen Worten ihre Beweggründe zu diesem international unerwarteten und in den Medien der westlichen Welt nur als Randnotiz zur Kenntnis genommenen Schritt – ihr Sprecher und Vorsitzender Brahim Ghali sagte, dass die Kämpfe wiederaufgenommen werden würden, „um die legitimen Rechte des sahrauischen Volkes“ zu verteidigen. Der Vertreter der Polisario in Madrid (Spanien) – Abdulah Arabi fügte hinzu, dass man sich nicht mehr auf die UNO und ihre Mission verlassen werde, da diese zum „Garanten der Besatzung und der Ausbeutung der Rohstoffe des Landes durch Marokko“ geworden seien.
Die Frente Polisario genannte Befreiungsbewegung des sahrauischen Volkes, bezieht sich auf den ursprünglichen Plan der UNO an, nach dem Waffenstillstand von 1991 – eine Volksabstimmung durchführen zu lassen, an – Das marokkanische Königreich, sowie dessen europäische Unterstützer allen voran Spanien und Frankreich, ignorieren und sabotieren dieses Vorhaben seit Jahren. Öffentlich erklärten Vertreter des marokkanischen Staates seit Jahr und Tag, dass man sich nicht einigen könne, welche Personen über den weiteren Status der sahrauischen Gebiete abstimmen sollen – die Frente besteht darauf, dass nur die angestammten sahrauischen Stämme sowie deren Nachkommen abstimmungsberechtigt sind, Marokko hingegen möchte, dass auch marokkanische Siedler sowie Volksstämme aus dem südmarokkanischen Kernland ihre Stimme, selbstredend zu Gunsten der marokkanischen Krone, abgeben sollen.
Der Konflikt eskalierte erneut, nachdem es am 21. Oktober zu einer Blockade der einzigen Verbindungsstraße zwischen den von Marokko besetzten Gebieten, dem selbstverwalteten Gebiet der Volksbefreiungsfront und Mauretanien, durch friedliche Aktivisten der Frente Polisario gekommen war. Die marokkanische Besatzungsmacht löste den Protest mit Waffengewalt auf – da diese Räumung auf dem Gebiet der Frente Polisario rund um die Stadt Guerguerat stattfand, stellt dies einen eklatanten Bruch der Vereinbarungen dar, auf welchen die Reaktion des sahrauischen Volkes folgte. Unterschiedliche Quellen berichten, unter anderem die algerische Zeitung Al Watan sowie die deutsche FAZ, dass es in der Folge zu Raketenbeschuss auf marokkanische Stellungen kam, Tote und Verletzte seien zu beklagen – die marokkanische Seite dementierte etwaige Meldungen heftig und wiegelt ab, indem man in Rabat nur von „Provokationen“ sprach und betonte sich an den geltenden Waffenstillstand zu halten. Nach Meldungen der Frente Polisario seien „Tausende Kämpfer“ mobilisiert worden und bereit in den Kampf zu ziehen – dieser habe begonnen. Außerdem vermeldete man, dass 6 Militäreinrichtungen angegriffen worden seien und dabei „Soldaten des Feindes“ getötet worden seien.
Historischer Hintergrund – imperialistische Aufteilung
Zum Hintergrund: die Westsahara war wie die anderen Teile des Maghreb bis ins Jahr 1975 Kolonie des faschistischen Spanien, statt jedoch in die formale Unabhängigkeit entlassen zu werden, wurde im völkerrechtswidrigen Geheimvertrag von Madrid zwischen Marokko, dem Anrainer Mauretanien und Spanien das Gebiet des sahrauischen Volkes aufgeteilt. Die Gründung einer „Demokratischen Arabischen Republik Sahara“ konnte die Besetzung durch das marokkanische Militär sowie Siedlertrecks im „Grünen Marsch“ nicht verhindern. Dieses Abkommen sicherte in imperialistischer Manier den Zugriff des spanischen Staates auf die wirtschaftlichen Güter des Gebietes. Während Mauretanien aus dem Krieg ausstieg und mit der Polisario einen Frieden schloss, dauerte der Krieg zwischen Marokko und der 1973 gegründeten Frente Polisario bis zum Waffenstillstand im Jahr 1991 an. Gelöst, vergessen oder befriedet ist der Konflikt auch nach 40 Jahren nicht. Rund 170.000 Sahrauis leben nach offiziellen Angaben in den Elendslagern von Algerien. Im beanspruchten Gebiet, welches von Marokko als historisches Staatsgebiet gezählt wird, leben noch rund 150.000 Menschen sahrauischer Abstammung, welche einer Siedlerübermacht von knapp 350.000 marokkanischen Einwanderern gegenüberstehen. Marokko kontrolliert somit rund 80 Prozent der West-Sahara, ein 3.000 Kilometer langer, verminter Wall („Berm“) trennt die besetzenden Gebieten vom verbliebenden Flecken unter der Selbstverwaltung der Frente Polisario. Offiziell hat Marokko die Gebiete entgegen den Beschlüssen der UN sowie des geltenden Völkerrechtes annektiert – eine Entkolonialisierung steht aus. Die UNO entsandte mit Minurso eine wirkungslose Blauhelmtruppe, deren offizielle Aufgabe darin besteht die Feuerpause beidseitig zu kontrollieren – durch ein Veto Frankreichs jedoch nicht mit der Aufgabe etwaige Menschenrechtsverletzungen durch die marokkanische Seite zu unterbinden oder auch nur zu dokumentieren. Die jährlich wiederholten, zahnlosen Appelle, in diesem Jahr vorgetragen von Antonio Guterres, verhallten wirkungslos und wirksamere Maßnahmen wurden im UN-Sicherheitsrat durch europäische Staaten blockiert.
Völkerrecht contra Phosphatprofite
Das Interesse der imperialistischen Staaten und ihrer Monopole begründet sich dadurch, dass die West-Sahara als ressourcenreiches Stück Land gilt. Das Gebiet beherbergt die weltweit größten Vorkommen an Phosphat, welches durch lange, überirdische Leitungen gen Marokko gepumpt wird. Zudem liegen vor der Küste reiche Fischgründe, welche – wie die deutsche Sprecherin der Frente Polisario Nadjat Hamdi betont – illegal durch die EU und Marokko ausgebeutet werden. Tomaten., Fisch, Sardinen, Phosphat – die Menschen der West-Sahara werden – durch die marokkanische Besatzungsmacht und ihre Helfershelfer in der EU – um den Reichtum ihres Landes rechtswidrig gebracht. Auch deutsche Monopole wie Heidelberg Cement und Siemens, machen gemeinsame Sache mit der Besatzung und profitable Geschäfte in den annektierten Gebieten.
Unsere Solidarität gilt dem gerechten Kampf des sahrauischen Volkes. Wir fordern Marokko sowie seine imperialistischen Verbündeten zur sofortigen Rückgabe der Gebiete auf. Frieden und Freiheit in der West-Sahara!
Hoch die internationale Solidarität!
Internationale AG der SDAJ, 20. November 2020