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Eine Zeitung, in der Krieg, Faschismus und Antikommunismus nichts zu suchen haben

veröffentlicht am: 14 Jan, 2021

Eine Zeitung, in der Krieg, Faschismus und Antikommunismus nichts zu suchen haben

Interview mit dem langjährigen Chefredakteur der „jungen Welt“

POSITION: Die „junge Welt“ bezeichnet sich als unabhängige linke Tageszeitung. Könnte man sagen, dass diese objektive Berichterstattung leistet?

Arnold Schölzel: Ja, die leistet sie. Erste Voraussetzung für journalistische Unabhängigkeit und damit Pressefreiheit ist die Unabhängigkeit von Konzernen, Parteien, von Staaten und – muss man in Zeiten von Internetmagazinen hinzusetzen – von Gruppen, deren Finanzierungsquellen unbekannt sind. Marx hat das 1842 in den Satz gefasst: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein.“ Von den überregionalen deutschen Tageszeitungen z.B. fungieren „Süddeutsche Zeitung“ und „FAZ“ als Sprachrohre des Großbürgertums, „Taz“ und „ND“ sind stark von Grünen bzw. Linkspartei abhängig. Die Finanzquellen der „jungen Welt“ sind zu mehr als 90 Prozent Abonnements, die jW-Genossenschaft ist de facto ihre Hausbank. Die entscheidenden Voraussetzungen für objektive Berichterstattung sind aus meiner Sicht unter den bundesdeutschen Medien nur bei ihr gegeben.

Wie frei sind Redakteure und Redakteurinnen der jW, in dem, was sie schreiben?

Arnold Schölzel: So frei, wie es in Tendenzbetrieben möglich ist. Zu denen gehören alle Medien und das schließt bestimmte Ausschlusskriterien ebenso ein wie ein bestimmtes Profil. In der jW haben Artikel, die Krieg, Faschismus und Antikommunismus unterstützen, nichts zu suchen, sie soll vielmehr eine Tageszeitung gegen imperialistischen Krieg und für die sozialen Interessen der Mehrheit sein. In diesem Rahmen haben Redakteure und Redakteurinnen freie Hand bei der Auswahl von Themen und Autorinnen oder Autoren. Das geschieht in Abstimmung mit der Ressortleitung und auf den täglichen Redaktionskonferenzen mit der Chefredaktion. Diese legt im Tagesgeschäft – oft auf Vorschlag der Ressorts – die Themen der Berichterstattung auf den vorderen Seiten und die Meinungsartikel fest.

Begegnete euch als Redaktion von bürgerlicher Seite die Kritik, „Propaganda“ zu produzieren, und was würdest du dem entgegnen?

Arnold Schölzel: Gehört habe ich diesen Vorwurf nie. Wenn damit Verfälschung oder Vermischung von Bericht und Meinung gemeint sein sollte, müsste das konkret nachgewiesen werden, was offenbar nicht gelingt. Mit jW läuft es bei anderen Medien so: jW-Exklusivberichte werden mit Schweigen übergangen oder es wird zitiert, aber die Quelle jW nicht genannt. jW wird in den Jahresberichten des Verfassungsschutzes als einzige Tageszeitung aufgeführt. Das dient der Geschäftsschädigung und ist rechtswidrig, ein gerichtliches Verfahren dagegen ist allerdings sehr kostspielig und riskant – ein besonderer Aspekt bundesdeutscher Pressefreiheit. jW wird vom VS als „einflussreiches“ Medium im „Linksextremismus“ bezeichnet. Ich denke, damit ist der Bedarf anderer Medien, sich zu jW zu äußern, gedeckt. Bis vor zehn Jahren erhielt jW von ihnen noch schmückende Beiwörter wie „ehemaliges FDJ-Blatt“, „stalinistisch“, „Stasi-Zeitung“. Das hat sich etwas gegeben, in zugespitzten Situationen – einer tiefen Krise oder einem neuen Krieg – ändert sich das nach meiner Erfahrung aber sofort. Wer der herrschenden Sichtweise entgegentritt, wie z. B. jW im Kosovokrieg 1999 oder 2001 bei Beginn des Afghanistankrieges, den versuchen die anderen Medien zu ignorieren. jW hat allerdings im Vergleich zu damals erheblich an Auflage zugenommen, alle anderen haben massive Verluste gemacht oder machen sie noch, insofern hat sich die Situation geändert.

Das Interview führte Daniel, Trier

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