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Alles Lügen?

veröffentlicht am: 17 Jan, 2021

Alles Lügen?

Über Propaganda von Oben und Unten

Der Begriff Propaganda wird heute sehr negativ genutzt. Häufig hören wir den Begriff als etwas, das fremde, andere Länder oder Gruppierungen und Mächte verbreiten, um ihren Machterhalt zu sichern. Und das ist immer falsch. Verschwiegen wird aber im Geschichtsunterricht, dass auch der deutsche Staat seine Propaganda-Mechanismen betreibt – etwa der Geschichtsunterricht selbst.

Der Begriff wurde geschichtlich durch die katholische Kirche geprägt und beschreibt im Grunde die Verbreitung von Ideologie, also von politischen Ideen. Damit ist das Ganze an sich nichts Schlechtes, sondern es geht immer darum, wer dahintersteht und was damit bezweckt werden will. In den kapitalistischen Staaten wurden in den Jahren der Weltkriege schnell manipulative Instrumente der Propaganda entwickelt. Mit psychologischen und empirischen Mitteln wurde etwa der erste Weltkrieg in den USA durch breite staatliche Kampagnen der Bevölkerung schmackhaft gemacht. „Make the world safe for democracy“, hieß es und funktionierte leider sehr gut. Federführend dabei war Edward Bernays, der später die klassische „PR-Kampagne“ schuf und für die größten Monopolbetriebe Werbekampagnen entwarf. Aus „Arbeiter“ wurde „Konsument“, aus „Propaganda“ wurde „Öffentlichkeitsarbeit“ und künstliche Bedürfnisse wurden als lebenswichtig propagiert – vor allem in Jahren der Krise.

Kommunistische Propaganda?

Während in der westlichen Welt die Ideen des kapitalistischen Wahnsinns strategisch verbreitet wurden, musste sich die erstarkende ArbeiterInnen-Bewegung fragen, mit welcher Strategie sie sich schnellstmöglich aus genau diesem Wahnsinn befreit. Um sich von Ausbeutung und Elend zu befreien, musste man besser sein als der Klassenfeind und große Menschenmengen erreichen. Schnell entbrannten zentrale Streitfragen innerhalb der kommunistischen Weltbewegung, welche Methode nun die richtige war.

Der sozialistische russische Autor Plechanow, der sich in späteren Jahren vom revolutionären Teil der kommunistischen Bewegung um Lenin abwandte, hielt bereits 1883 fest, dass man unterschiedliche Ausgangsbedingungen in der Arbeiterklasse berücksichtigen muss. Für ihn war klar: Alleine schon aus den Lebensumständen heraus, müsse an Land- und Stadtbevölkerung unterschiedlich herangetreten werden. Während das junge Industrieproletariat bereits oftmals Schreiben und Lesen konnte, war das im russischen Hinterland selten der Fall. Für Ihn war klar: Es muss unterschieden werden zwischen vielen Ideen, die an eine oder mehrere Personen vermittelt werden (Aufgabe des PropagandistInnen) und wenigen Ideen, die dafür aber an eine ganze Menge von Personen vermittelt werden (Aufgabe des AgitatorInnen). Somit brauche man AgitatorInnen, die im ganzen Land konkrete Missstände und Frechheiten der Herrschenden skandalisierten und aufdeckten. PropagandistInnen wiederum vermitteln den Marxismus und das materialistische Weltbild gezielt an kleinere Gruppen.

Als Lenin 1902 eines seiner Hauptwerke „Was Tun?“ schrieb, griff er Plechanow auf und entwickelte die zentrale Strategie einer Russischen Kommunistischen Partei. Der theoretischen Frage, wie die sozialistische Idee in der Arbeiterklasse verbreitet werden könne, stülpte er die praktische Umsetzung über: Das Organisationsprinzip einer solchen Partei. Für ihn war klar, dass es ein Instrument brauchte, das ArbeiterInnensowohl aufklärt, als auch unmittelbar organisiert: „Derjenige riskiert am wenigsten, die Revolution zu verpassen, der eine das ganze Volk erfassende politische Agitation zum Eckpfeiler seines Programms, seiner Taktik und Organisationsarbeit macht […]“

Die Iskra

Unter anderem mit Plechanow gründete Lenin die illegale Zeitung „Iskra“. Sie war Dreh- und Angelpunkt von Lenins Theorie der Organisation. So genannte „Arbeiterkorrespondenzen“, also Berichte aus Betrieben aus dem ganzen Land, konnten eingereicht werden und wurden dort abgedruckt. Die ArbeiterInnen organisierten sich selbst – durch das Schreiben, gemeinsame Lesen und Verbreiten der Iskra und ihrer Beiträge. Wo einmal eine revolutionäre Zelle zusammenbrach, brauchte es nicht viel, bis der blinde Fleck wieder geschlossen wurde, denn die Iskra wurde nach wie vor von zentraler Stelle herausgegeben.

Lenins demokratischer Zentralismus

Man kann nie alle überzeugen, indem man ihnen das Kommunistische Manifest oder das Kapital um die Ohren haut. Das scheitert zum einen an Verständnisschwierigkeiten, denn den ArbeiterInnen wird von den Herrschenden kaum das nötige Wissen vermittelt, um theoretische Zusammenhänge zu erfassen. Zum anderen aber auch an der fehlenden Relevanz fürs tägliche Leben. Aber man kann dennoch durch geschickte RednerInnen und aktive AutorInnen der Iskra mit den einfachsten Beispielen aus dem Land einen Großteil der Menschen erreichen. Denn die Gemeinsamkeit der ArbeiterInnen Russlands waren ihre selben Probleme, Ängste und Nöte. Wer das verstanden hatte wurde schnell aktiv, interessierte sich für andere, tiefer gehende Artikel der Iskra und diskutierte in Zirkeln mit Gleichgesinnten über den Sozialismus.

Lenins Konzept für die Iskra ähnelte seinen Vorstellungen über die Organisation einer revolutionären Partei: zentral koordiniert und damit handlungsfähig. In der Masse verankert, an ihren Problemen ansetzend. Die Zeitung forderte nicht Parlamente auf, andere Entscheidungen zu treffen, sondern die ArbeiterInnen, ihre Lage gemeinsam zu verändern. Es wurden keine Illusionen in den Staat und seine Institutionen geschürt. Das tun, was für die arbeitende Bevölkerung tatsächlich relevant ist. Die Einsätze und Ausbildung der AgitatorInnen wurden kontrolliert und gesteuert, nicht aber was sie sagten – nämlich das, was sie aus dem ganzen Land zusammentrugen.

Wenn es richtig ist

Die Frage, wie Ideen vermittelt werden, zieht sich durch die Geschichte und ihre Klassenkämpfe. Für die kommunistische Bewegung in Russland galt ganz einfach: Es braucht keine Manipulation oder Psychologie, um erfolgreich zu sein, wenn das, was vermittelt wird, der Wahrheit entspricht. Die politischen Ideen der Oktoberrevolution entsprangen den Lebensumständen der Menschen und orientierten sich daran. Und so war sie auch erfolgreich.

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