Knapp 3 Millionen Menschen sind Erwerbslos, nochmal fast genauso viele befinden sich in Kurzarbeit und müssen auf bis zu 40% ihres Lohnes verzichten, was viele Menschen an den Rand des Existenzminimums bringt. Die Zahl der Lehrstellen sinkt um 12% und 32% der Studierenden haben Probleme, finanziell über die Runden zu kommen, während die Ausbildungsqualität sinkt und die ausbildungsfernen Tätigkeiten zunehmen. Gleichzeitig bleiben auf der anderen Seite die ausgezahlten Dividenden von BASF, Daimler und Co gleich oder steigen sogar an. VW konnte im vergangenen Jahr beispielsweise 8,8 Milliarden Gewinn einfahren, während dort weiterhin Beschäftigte in Kurzarbeit sind.
Schuld ist die Pandemie?
Covid-19 kommt sicherlich als verstärkender Faktor dazu. Seit Beginn der Pandemie wurden und werden in Deutschland Tausende von Stellen abgebaut und zum Teil ins Ausland verlagert. Oft wird hier neben den gesunkenen Aufträgen und zu hohen Personalkosten zusätzlich das Thema Umweltschutz als Grund vorgeschoben.
Die Ursache für diese Abwärtsspirale ist aber das System, in dem wir leben: Der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium: Im Zuge des internationalen Konkurrenzdrucks geht es darum, die Wettbewerbsbedingungen der deutschen Konzerne abzusichern und den Standort Deutschland in der Weltmarktkonkurrenz voranzutreiben. Schaut man sich die Lohnstückkosten hierzulande im Vergleich zum Umsatz der Konzerne an, sieht man sehr schnell, dass dies auch gelingt: Entgegen der Propaganda der Arbeitgeber ist Deutschland im europäischen Vergleich ein Niedriglohnland.
Jetzt den Gürtel enger schnallen?
Dies wird ideologisch befeuert durch Standortnationalismus: Um an der internationalen Spitze zu bleiben, müssten wir hier produktiver arbeiten, als die Beschäftigten in anderen Ländern. Das wiederum findet sich in der gestiegenen Arbeitshetze derer, die ihren Job noch nicht verloren haben, wieder. Zudem heißt es immer wieder, wir müssten den Gürtel enger schnallen, um gemeinsam aus der Krise zu kommen. Doch Lohnverzicht hat noch keinen Arbeitsplatz gerettet, oft verloren die Beschäftigten sowohl ihre Lohnaufstockung, als auch einen Teil ihrer Kollegen.
Internationale Zusammenhänge
Das gegenseitige Unterbieten der Länder in Sachen Löhnen und Sozialstandards führt jedoch nicht weltweit zu blühenden Landschaften, sondern in eine Abwärtsspirale. Das zeigt sich u.a. daran, dass der von Grünen und SPD durchgedrückte Abbau des Sozialstaats mit den Agenda-Reformen nicht abgeschlossen ist, sondern Deutschlands Arbeitgeber auf das Nachziehen der anderen Länder wiederum mit weiterem Lohndumping antworten. Die Kapitalisten aller Länder sind also darauf aus, möglichst billig an Arbeitskräfte zu kommen. Die Konkurrenz der Lohnabhängigen um die Jobs befeuert den Unterbietungswettbewerb. Ist in Deutschland der Wert unserer Ware Arbeitskraft also niedrig, können die deutschen Kapitalisten ihre Waren für weniger Geld verkaufen. Die ausländischen Kapitalisten stehen also unter Druck auch ihre Arbeitskosten zu senken, sprich die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Entsprechend eint die Beschäftigten aller Länder, dass sie ein Interesse an einem Recht auf Arbeit, Bildung und Frieden haben.
Kämpfen wir also hier in Deutschland mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, in der Region und im ganzen Land für bessere Arbeitsbedingungen und seien wir solidarisch mit den Kämpfen aller Lohnabhängigen auf der Welt. Kämpfen wir für eine Gesellschaft, die nicht darauf ausgerichtet ist, auf Kosten von Mensch und Umwelt Profite für wenige zu generieren, sondern die Bedürfnisse aller zu befriedigen – den Sozialismus!
Wir fordern:
Die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
Gleiches Geld für gleiche Arbeit!
Eine Ausbildungsplatzgarantie sowie das Recht auf Übernahme im erlernten Beruf!
Mehr Geld und Personal für Bildung und Gesundheit!
Hintergrundmaterial: Standortnationalismus und Marxismus
Einleitung:
In den deutschen Gewerkschaften werden unter dem Deckmantel der „Globalisierung“ und der aktuellen, zyklischen Krise wie der Covid-Pandemie Diskussionen geführt, welche der Arbeiterklasse vermitteln sollen: im bestehenden Wettbewerb mit anderen, kapitalistischen Staaten drohe der „Standort Deutschland“ ins Hintertreffen zu geraten, sofern die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht zu bedeutenden Zugeständnissen (Lohnverzicht, Mehrarbeit, Abbau von Rechten etc.) bereit seien. Die Folge seien „Stellenauslagerungen“ und Abwanderungen von Konzernen mit einer Welle an Arbeitslosigkeit – der Gürtel müsse enger geschnallt werden.
In diesem Material soll aus marxistischer Perspektive erläutert werden, welche Funktion der „Standortnationalismus“ in der kapitalistischen Produktionsweise einnimmt. Damit möchten wir unsere Genossinnen und Genossen befähigen, einem Grundelement der Argumentation des deutschen Imperialismus, Paroli zu bieten.
Die Funktion des deutschen „Standortnationalismus“ im Imperialismus:
Der Begriff des „Standortnationalismus“ beschreibt eine falsche Über-Identifikation mit dem wirtschaftlichen Standort Deutschland, „seinen“ Konzernen und Betrieben – in Abgrenzung zum chauvinistischen Nationalismus des Faschismus verlässt dieser selten das Gebiet der Wirtschaft, arbeitet jedoch mit rassistischen Vorurteilen, Unterstellungen oder groben Vereinfachungen, welche aus der faschistischen Ideologie bekannt sein könnten. Er begegnet uns zumeist in den Gewerkschaften, im Betrieb sowie in der Wirtschaftspolitik.
Die marxistische Forschung lehnt nicht alle Nationalismen per se ab – der vorherrschende Nationalismus der Völker in Asien, Afrika oder Lateinamerika kann eine fortschrittliche Rolle spielen (Vgl. Kuba, Venezuela, Palästina usw.). Da dieser sich z. T. gegen „Kolonialherrschaft, Imperialismus und neokoloniale Abhängigkeiten wendet“1- neben diesem Nationalismus in den abhängigen Staaten versuchten progressive Köpfe im Zeichen des Internationalismus einen Nationalismus in den westlichen Staaten zu schaffen, der den „proletarischen Klasseninteressen“2 dient - der Nationalismus der deutschen Großbourgeoisie hingegen verfolgt ein differentes Ziel.
Josef Stalin beschrieb die Nation als „eine historisch entstandene stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der Grundlage der Gemeinschaft, der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart“3. Hieraus folgt zunächst: die Nation wie der Nationalismus können anhand objektiver Kriterien definiert werden, er geht weit über eine gemeinsame Sprache oder Religion hinaus und beinhaltet nicht automatisch eine Ideologie der herrschenden Klasse. Jedoch: im zwanghaften Kampf um Profit, Rohstoffe und Absatzmärkte, „jagt die Bourgeoise über die ganze Erdkugel“4 – dies bringt die Herrschenden eines Staates in Konflikt mit den Herrschenden eines anderen Staates – sie wetteifern um die Gunst der Monopole, den Zugang zu Rohstoffen und bei Strafe des Unterganges um den höchsten Profit. Die einheimische Bourgeoise nutzt dazu geschickt den Nationalismus als Ideologie aus, um – wie es Clara Zetkin ausdrückt – „ihre eigenen Klasseninteressen mit denen der gesamten Nation gleich (zu setzen) und ihre Interessengegensätze zu der Bourgeoisie auswärtiger Länder als nationale Gegensätze“5 darzustellen bzw. zu verschleiern. Im Ausdruck der imperialistischen Kriege findet die Zerstörung des Heimatlandes und seiner Menschen – entgegen dem beschworenen Patriotismus der herrschenden Klasse – seinen zerstörerischsten Ausdruck. Aber der Standortnationalismus ist kein einfacher ideologischer Fehltritt, der geschickt genutzt wird, hinter jenem, zeigt sich die ökonomische Basis der Gesellschaft. Der deutsche Imperialismus schafft es – nach dem vorläufigen Sieg von 1989/ 90 – einen gewissen Teil der Arbeiterklasse durch einen winzigen Anteil der Extraprofite der deutschen Dominanz in Europa (und in der EU), zu bestechen. Nutznießer und Träger der Standortlogik wird die Arbeiteraristokratie, deren bestochene Vertreter der rechten Sozialdemokratie in den Gewerkschaften zuzuordnen sind. Über das vorhandene Co-Management der deutschen Gewerkschaften, besorgen diese zuverlässig die Geschäfte und vertreten die Interessen des deutschen Kapitals, um letztendlich ihre eigenen kleinen Pfründe abzusichern. Somit zeigt sich: der Opportunismus, also die Bindung von Teilen der Arbeiterklasse an das kapitalistische System, liegt im gesellschaftlichen Prozess und System begründet. Kurz: die Quelle des Opportunismus ist der imperialistische Extraprofit der deutschen Herrschenden, dessen ideologisches Schmiermittel zur Durchsetzung seiner Ziele ist der „Standortnationalismus“. In Zeiten von zyklischer Krise und Pandemie verfangen unter den Belegschaften die Angst vor Auslagerung, Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg in Kombination mit der Standortlogik der herrschenden Klasse, teilweise sehr stark – in der innerbetrieblichen wie gewerkschaftlichen Integration (Einbindung) spielen die Gewerkschaftsführungen als opportunistischer Träger eins falschen Bewusstseins eine zentrale Rolle. In der betrieblichen wie gewerkschaftlichen Auseinandersetzung gilt es daher am proletarischen Bewusstsein und dem proletarischen Begriff von Internationalismus anzusetzen – zwei simple Beispiele mögen illustrieren, wie dies aussehen kann: aktuell (Anfang April 2021) streiken und kämpfen Beschäftigte des Versandmonopoles Amazon (Jeff Bezos) in Italien, Indien, den USA, der BRD sowie weiteren Staaten zeitgleich gegen die unmenschlichen Machenschaften in de Paketzentren und setzen die Kapitalseite unter Druck – anstatt der Standortlogik ihres Betriebes sowie der Herrschenden ihres Landes zu gehorchen. Als zweites positives Beispiel können erste Versuche in der Automobilindustrie bezeichnet werden, die deutsche IG-Metall arbeitet in Ungarn und Italien mit den nationalen Gewerkschaften zusammen, um die Rechte der Belegschaften international zu stärken, statt sich gegenseitig zu unterbieten. So streikten und kämpften die KollegInnen im Audi-Park in Györ (Ungarn), im Ducati-Werk (gehört zu VW in Italien) sowie bei Audi in Deutschland, für die selben Rechte und Ziele.
Diskussionsfragen:
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Diskutiert und benennt eigene Beispiele aus eurem gewerkschaftlichen Alltag von „Standortnationalismus“ – wie kann man – fußend auf dem vorliegenden Material - gegen jene Erfahrungen argumentieren?
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Stellt die Verbindung zwischen der Europäischen Union, dem deutschen Imperialismus und der Standortlogik dar. Wie hängen diese zusammen und wie können KommunistInnen dagegen argumentieren?
Literaturliste:
-Schleifstein, Josef: Reale Geschichte als Lehrmeister
-Zetkin, Clara: „Unser Patriotismus“
-Zetkin, Clara: „Bürgerlicher und proletarischer Patriotismus“
-Marx, Karl/ Engels: Friedrich: Gesammelte Werke Band IV
-Stalin, Josef: Gesammelt Werke Band II
1 Schleifstein 2015, S. 28.
2 Zetkin „Bürgerlicher und proletarischer Patriotismus“
3 Stalin Werke Bd. 2
4 Marx/ Engels Werke Bd. 4, S. 465.
5 Zetkin „Unser Patriotismus“
Pandemie und Krise – was bleibt ist nur Realitätsflucht und Depression?
In Anbetracht all dessen, was hier gerade passiert, kann man schonmal den Mut verlieren und sich mutlos zurückziehen. Doch schaut man sich die Geschichte an, hat sich unsere Lage bisher kaum von selbst verbessert. Und es gibt durchaus Anlass zur Hoffnung und Zeichen, dass sich Widerstand bildet: In der vergangenen Tarifrunde im öffentlichen Dienst gab es eine bemerkenswerte Kampfbereitschaft und das von denen, die derzeit einen großen Teil der Krisenlasten tragen: Beschäftigte in Kliniken. Auch in der laufenden Auseinandersetzungen im Metall- und Elektrobereich ist die Streikbereitschaft die höchste seit Jahren. Dies ist ein Indiz für die berechtigte Wut der Beschäftigten – und den Willen, die Angriffe der Arbeitgeber nicht widerstandslos über sich ergehen zu lassen. Auch am 8.März – dem internationalen Frauenkampftag – waren trotz erschwerter Bedingungen in vielen Ländern Frauen auf der Straße. Nicht nur, weil sie aktuell durch die Doppelbelastung von Homeoffice und Kindererziehung kostenlose Sorgearbeit leisten, die eigentlich der Staat zu gewährleisten hätte, sondern weil sie die jahrhundertealte Ungleichbehandlung auf allen gesellschaftlichen Ebenen satt haben.
Diese Beispiele zeigen: Die Pandemie fördert nur zu Tage, was schon lange Realität ist: Der Kapitalismus ist ein überholtes System, das für die Mehrheit nichts anderes bereithält als Krise, Ausbeutung, Unterdrückung und Vereinzelung. Wenige sichern sich ihre Profite auf Kosten von Mensch und Natur, während wir für sie tagtäglich schuften, kaum Zeit zur Erholung und Entfaltung haben oder mancherorts sogar für sie in den Krieg gegen unsere eigenen Klassenbrüder und -schwestern ziehen müssen.
Wir sind junge Menschen – Schülerinnen, Studenten, Arbeiterinnen und Angestellte, Erwerbslose und Azubis – die keinen Bock mehr haben auf dieses System! Wir wollen in einer Welt leben, in der die Produktion an den Bedürfnissen der Menschen ausgelegt ist. Dafür organisieren wir uns und kämpfen gemeinsam – in der Schule, im Betrieb und auf der Straße!
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