Die Bundesregierung ist sehr schnell dabei, realen und vermeintlichen Antisemitismus bei Pro-Palästina-Demos zu finden. Bei antisemitischen faschistischen Netzwerken und ihren Rekrutierungsbecken in Polizei-, Bundeswehr- und Geheimdienststrukturen tut sie sich allerdings sehr schwer. Woran liegt das?
Der Antisemitismus in Deutschland
In das Image der vermeintlich geläuterten und entnazifizierten Bundesrepublik passt es gar nicht gut, dass reaktionäre Organisationen nach wie vor eine erschreckend große Mobilisierungsbasis für ihren Antisemitismus finden. Da braucht es einen Sündenbock – warum nicht einfach migrantische DemonstrantInnen auf den Pro-Palästina-Demos? Die palästinensische Befreiungsbewegung, so die bürgerliche Medienlandschaft, ist ja eh antisemitisch, weil sie die Enteignung von privaten Wohnungen in Scheich Dscharrah und die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik nicht stillschweigend akzeptieren will. Rechte und Bürgerliche aller Couleur schwafeln dabei von einem vermeintlich „importierten Antisemitismus“.
Auf eine solche ekelhafte Unterstellung antwortet man am besten mit Zahlen und Fakten: Die Parlamentsnachrichten des Bundestags meldeten für Januar bis Ende März (Stand der Zahlen: Ende April) 428 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund, darunter 6 Gewalttaten. Die Dunkelziffer dürfte freilich deutlich höher liegen. Davon fielen 387 Straftaten und fünf der Gewalttaten auf rechten und faschistischen Background, beim „Phänomenbereich“ „Politisch motivierte Kriminalität- ausländische Ideologie“ eine Gewalttat und eine sonstige Straftat.
Wer hat da aber was importiert?
Die Geschichte des rassistisch „begründeten“ Antisemitismus beginnt in Europa, erlangte vor allem in der „Upper Class“ bedeutenden Einfluss und trat seit dem Kaiserreich in voller irrationalistischer Manier und einer erschreckenden Organisiertheit auf, bis er im Hitlerfaschismus seinen traurigen Höhepunkt fand. Was soll man an Antisemitismus in eine Republik mit einer solchen historischen Kontinuität zum Kaiserreich und später zum Hitlerfaschismus noch importieren können? Man sollte dabei übrigens nicht vergessen, dass der rassistische Antisemitismus zu guten Teilen als Folge der Kolonialpolitik der europäischen Staaten in den arabischen Raum exportiert wurde. Freilich gab es auch vorher schon Erscheinungen einer religiös begründeten Feindlichkeit gegenüber JüdInnen, aber zur Massenerscheinung wurde dies erst zu dem Zeitpunkt, als die Herrschenden Instrumente brauchten und suchten, um die Bevölkerung zu spalten und Widerstand zu brechen.
Im Rahmen von Pro-Palästina-Demonstrationen kam es allerdings tatsächlich zu antisemitischen Ausschreitungen durch organisierte Faschisten. Da sind etwa die „Grauen Wölfe“, die vermutlich in Gelsenkirchen vor Synagogen antisemitische Slogans und Ausschreitungen gefördert haben und deren politischer Arm, die MHP, in der Türkei ein Wahlbündnis mit der AKP Erdogans eingegangen ist, der seinerseits Palästina-Solidarität heuchelt und gleichzeitig Waffendeals mit der Netanjahu-Regierung am Laufen hat. Aber auch die Faschisten vom III. Weg oder der NPD versuchen, die Solidaritätsbewegung zu unterwandern. Der Antisemitismus und seine Anhänger waren seit jeher die nützlichen Büttel der Herrschenden.
Wir verurteilen ganz klar die ekelhaften antisemitischen Parolen und Ausschreitungen vor Synagogen! Deswegen: Solidarität mit dem Kampf unserer palästinensischen und israelischen GenossInnen gegen die rechte israelische Regierung heißt für uns auch, die Palästinasolidaritätsbewegung gegen die Angriffe und Unterwanderung durch Faschisten zu verteidigen! Und, um es mit Lenin zu sagen: „Schmach und Schande über den, der Feindschaft gegen die Juden, Haß gegen andere Nationen sät.“
Max, Solingen