Was in Berlin passiert ist, schreibt Geschichte. Mit ihrem Durchhaltevermögen, ihrer Entschlossenheit und ihrer Solidarität haben die Beschäftigten der Berliner Kliniken Charité und Vivantes, unterstützt von der Berliner Bevölkerung, einen der größten Arbeitgeber der Stadt in seine Schranken verwiesen. Nach 100 Tagen Ultimatum, 50 Tagen Streik und nächtelangen Verhandlungen gibt es einen Tarifvertrag Entlastung und einen Tarifvertrag für die Tochterunternehmen, der zu 90% dem TVöD entspricht. Es war ein langer Kampf – und er fängt jetzt erst so richtig an, denn Klassenkampf bestimmt ja bekanntlich die Geschichte.
Jahrelanger Kampf um bessere Bedingungen
Seit Jahren ist der Personalmangel in der Gesundheitsversorgung ein Thema in Berlin, 2017 kam ich als Berufsanfängerin in die Stadt und fing als Pflegekraft in einem kleinen Kiezkrankenhaus an. Damals gab es bereits einen Volksentscheid für mehr Personal im Krankenhaus in Berlin, dessen Scheitern nur noch deutlicher machte, dass man sich jede noch so kleine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erkämpfen muss. Damals lernte ich bei langen Gewerkschaftssitzungen und bei meiner Arbeit einige der Pflegekräfte, Service-MitarbeiterInnen und andere Beschäftigte kennen, die mit den Berliner Kliniken schon einiges erlebt hatten. Der Pflegestreik 2016 hatte den ersten Entlastungstarifvertrag in ganz Deutschland erreicht, der aber noch nicht konsequent genug war, um die nötige Entlastung zu erbringen. Außerdem hatten sie die Ausgliederung der Töchterunternehmen aus den Betrieben und damit einhergehende Spaltung der Belegschaft in die besser bezahlten mit alten Verträgen und die neuen MitarbeiterInnen, die bis zu 500 € weniger verdienen als ihre alten KollegInnen, erlebt. Sie erzählten von Union Busting beim Charité Facility Management, von verlorenen Kämpfen der einzelnen Töchterbetriebe, von den Versprechungen des Berliner Senats, insbesondere von Linken und SPD, dafür zu sorgen, dass der landeseigene kommunale Arbeitgeber die Beschäftigten der Töchterbetriebe besser behandelt – und vom Brechen dieser Versprechungen.
Alle zusammen gegen Politik und Kapital
Die Corona-Pandemie verstärkte alle bereits vorhandenen Probleme der Berliner Gesundheitsversorgung. Und spätestens seit den gebrochenen Versprechen von SPD und Linken zur Rückführung der Töchterunternehmen wissen die Beschäftigten, dass sie sich weder von Applaus noch von Lippenbekenntnissen der PolitikerInnen etwas kaufen können. Den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen musste man selbst in die Hand nehmen, mit maximalem Druck auf den Berliner Senat und die Geschäftsführung von „ChaVantes“. Und es war auch klar, dass man gemeinsam kämpfen musste. Nicht ein Betrieb oder eine Berufsgruppe allein, sondern alle Beschäftigten der Charité und Vivantes-Kliniken Berlins, alle elf Standorte zusammen und zusammen mit der Stadtbevölkerung. Bereits 100 Tage vor dem ersten Warnstreiktag am 12. Mai 2021, dem Tag der Pflegenden, übergab die Berliner Krankenhausbewegung der Landesregierung eine Mehrheitspetition mit 8.400 Unterschriften von Beschäftigten, die nicht nur hinter ihren Forderungen standen, sondern auch bereit waren, für diese zu streiken. Damals nahmen weder der Senat noch die Geschäftsführung diese Ankündigung ernst. Unterstützt wurden die Beschäftigten auch von der Berliner Stadtbevölkerung und anderen Initiativen und Bündnissen. An erster Stelle steht hier das Bündnis „Gesundheit statt Profite“, in dem sich verschiedene Organisationen, unter anderem auch SDAJ und DKP Berlin, PatientInnen, Beschäftigte im Gesundheitswesen und andere Interessierte, zusammengeschlossen haben, um für eine Gesundheitsversorgung jenseits der kapitalistischen Profitlogik einzustehen. Als SDAJ besuchten wir die Streikposten und brachten Essen und Solidaritätsbekundungen mit, unterstützten etwa als OrdnerInnen die Demonstrationen und Kundgebungen der Krankenhausbewegung, für die wir natürlich auch mitmobilisierten, und sammelten Geld für die Streikkasse der schlechtbezahlten Beschäftigten der Tochterunternehmen.