Kilometerlanger Stacheldraht, dahinter Tausende und Abertausende Uniformierte, die meisten in Camouflage, dazwischen immer wieder welche in Schwarz mit weißen Helmen. Alle vermummt, alle schwer bewaffnet. Die Bilder, die derzeit von der polnischen Grenze um die Welt gehen, lassen eigentlich nur eine Assoziation zu: Krieg. Und wo Krieg herrscht, gibt es Tote. Zig Menschen sind in den vergangenen Wochen und Monaten in den unwirtlichen Wäldern entlang der polnisch-belarussischen Grenze ums Leben gekommen, sie sind verhungert, erfroren oder anderweitig ihrer Erschöpfung erlegen. Hilfsdienste, ÄrztInnen, SanitäterInnen – lange Zeit wurde niemand vom polnischen Militär durchgelassen. Das war Mord.
Beeindruckende Maßnahmen
An wem? An unbewaffneten Menschen, an einfachen Familien, die aus Syrien, Afghanistan, Irak, kurzum: die aus Ländern geflohen sind, an deren Unbewohnbarkeit der westliche Imperialismus seit Jahren und Jahrzehnten mit seinen Bomben, Soldaten und Drohnen arbeitet. Und was sagt die EU dazu, dass an ihrer Grenze schwangere Frauen wie Müllsäcke von „ihrem“ Territorium geworfen werden? Frontex-Chef Fabrice Leggeri ist „beeindruckt“ über die Maßnahmen, die „zum Schutz der Grenze“ getroffen wurden.
Das ist die traurige Realität. Eine Realität, von denen die bürgerlichen Medien in Deutschland nicht allzu viel wissen wollen. Völkerrecht hin, Zusammenhänge her: Schuld an alledem, so lesen wir dort, ist einzig und allein eine Person: der „Diktator von Minsk“, der „Migranten-Schleuser“, der „Chef eines staatlichen Schleuserrings“. Gemeint ist der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko. Nun ist es sicher nicht so, dass dieser plötzlich ein Herz für verzweifelte Menschen aus dem Nahen Osten oder Afrika gefunden hat, natürlich geht es ihm darum, die Schutzsuchenden als Druckmittel einzusetzen. Aber warum ist es denn überhaupt möglich, dass verzweifelte Menschen zu einem „Druckmittel“ werden? Doch nur aus dem einzigen Grund, dass die EU in diesen Menschen, entgegen klarer völkerrechtlicher Regeln, keine Menschen auf der Suche nach Schutz, nach einem Leben in Sicherheit, sieht, sondern eine „Bedrohung“. Eine Bedrohung für ihre Strategie, den ausgebeuteten Menschen in ihren eigenen Ländern weißzumachen, der gemeinsame Feind seien Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten, dem man geschlossen entgegentreten müsse, um „unsere“ Grenze zu schützen. Wenn Außenminister Maas erklärt, die BRD und die EU ließen sich nicht erpressen, sagt er nichts anderes, als dass sie sich auch unter Druck nicht zur Einhaltung von internationalem Recht, zur Einhaltung von ihrem eigenen Recht – zur Abkehr von ihrer faschistoiden Politik gegenüber Schutzsuchenden abbringen lassen wird.
Von Wellen und Waffen
Die Entmenschlichung der Geflüchteten, auf denen die EU-Propaganda aufbaut, wird wohlwollend von der deutschen Presse flankiert, wo „tagesschau“, „Zeit“ oder „Spiegel“ permanent von ihnen als „hybride Bedrohung“ oder gar „Waffe“ sprechen, in weniger anspruchsvollen Blättern gern auch von „Welle“ oder „Flut“. Die Menschen hierzulande sollen Angst haben vor ein paar Tausend Hilfesuchenden, nicht vor einer Politik, die jährlich mehrere Millionen mehr Menschen zur Flucht aus ihren Heimatländern zwingt, die das Völkerrecht mit Füßen tritt und die sie selbst ausbeutet. Und während die „Waffen“ im Unterholz erfrieren und im Schlamm Fehlgeburten haben, rüstet das „Opfer“ weiter auf.