Kämpfende Frauen, Damals wie heute – Kurzportraits weiblicher kommunistischer Vorbilder

veröffentlicht am: 19 Jan, 2022

Alexandra Kollontai, oder: Den Fortschritt zwingen lernen
März 1872: Es ist vermutlich tierisch kalt in Sankt Petersburg (formerly und later known as Leningrad), der Fortschritt pennt noch in Russland, der Zar regiert mit blutiger Faust und Alexandra Kollontai wurde geboren. Der Vater war General, die Bildung entsprach einem bürgerlichen Bildungsstandard (also humanistisch aber den ArbeiterInnen gegenüber zugesperrt, aus Geldgründen) und alles in allem geht alles seinen Gang. Mit 26 beginnt Kollontai das Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, nachdem sie ihre ersten Kontakte mit der sozialistischen Bewegung knüpfen konnte. Ein Jahr später wird sie Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, stellt sich in den Parteiauseinandersetzungen zunächst auf die Seite der Menschewiki, lernt Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg kennen, wird später Mitglied der Bolschewiki und wird eine der Wenigen sein, die sich 1917, aus dem norwegischen Exil zurückkehrend, zu Beginn der Revolution auf der Seite Lenins und seiner „April-Thesen“ wiederfindet, als dieser den Bruch mit der provisorischen Regierung forderte. So weit, so konsequent. Doch was macht sie für uns heute so spannend?

Kollontai war maßgeblich beteiligt an der Gründung einer Art Frauenkomitee im Zentralkomitee der KPdSU(B). In den 11 Jahren ihres Bestehens nahm sich diese Arbeitsgemeinschaft zentraler Probleme der kämpfenden Frauen in der Sowjetunion an, etwa in Sachen Alphabetisierung, Zurückdrängung religiöser Einmischung, Ehe- und Arbeitsrecht und vielem Mehr. Weitergehend stieß Kollontai zahlreiche Diskussionen um die Zukunft von Ehe- und Liebesleben im Sozialismus an, in denen man wohl teils über ihren Standpunkt streiten kann, etwa bei der sogenannten „Glas-Wasser-Theorie“ (ein Plädoyer dafür, Sexualität wie ein sprichwörtliches „Glas Wasser“ zu genießen, das sie nicht erfunden, wohl aber übernommen hatte), um die es einige Debatten mit Lenin gab. Doch trotzdem wurde hier ein Thema angegangen, das die alte, kapitalistische Welt zu berühren längst nicht mehr gewagt hatte, zumindest nicht in einem solchen Umfang.

Schlussendlich war sie eine der ersten Frauen weltweit, die in diplomatischen Dienst traten und konnte hier eine herausragende Arbeit für die junge Sowjetunion im Kampf um die Anerkennung auf globaler Ebene führen, etwa in Mexiko, Norwegen und Schweden. Nun war Kollontai ein streitbarer Mensch, ging in einzelnen politischen Fragen auf Opposition und öfter auch mal auf Holzwege. Nichtsdestotrotz arbeitete sie auf vielen Ebenen solidarisch am Aufbau mit, befreite sich und Millionen von Frauen in Russland und den Schwesterrepubliken vom Joch der alten Knechtschaft an Heim und Herd und strahlte als Vorbild der kämpfenden kommunistischen- und Frauenbewegung international aus.

Hilde Benjamin oder: Tougher als Beton
Hilde Benjamin ist heute mehr oder weniger aus dem Bewusstsein der deutschen Frauenbewegung(en) verdrängt worden. Das ist ein ziemlich fatales Zeichen und Grund genug, sich klar zu machen, dass und warum Benjamin eine wichtige Bezugsperson der Arbeiterbewegung sein müsste und ist. Geboren als Tochter eines Angestellten studierte sie Rechtswissenschaften, wurde Mitglied der SPD, verließ diese Mitte der 20er um Mitglied der KPD zu werden, wurde Mitglied des Vorstands der Roten Hilfe und referierte neben ihrer Rechtsanwaltstätigkeit auf den Marxistischen Arbeiterschulen. Zu dieser Zeit verteidigte sie vor Allem ArbeiterInnen und eine Angeklagte im Prozess um die Tötung des ekelhaften Faschistenidols Horst Wessel. Ihr Mann, übrigens der Bruder Walter Benjamins (Philosoph der Frankfurter Schule), wurde von den Faschisten nach deren Machtübergabe aufgrund seiner jüdischen Herkunft und weil er Kommunist war, ins KZ verschleppt und ermordet, sie erhielt ein Berufsverbot und hat trotzdem den Faschisten nicht nachgegeben.

Nach der Niederschlagung Hitlerdeutschlands durch die Alliierten, allen voran der Roten Armee, wurde sie schnell eine zentrale Funktionärin in der Justiz der Sowjetischen Militäradministration und später der DDR. Hier war sie Mitglied des Zentralkomitees der SED, Vizepräsidentin des Obersten Gerichts, Abgeordnete der Volkskammer und federführend beteiligt am Aufbau eines neuen, humanistischen Justizsystems für ein neues, sozialistisches, im Erbe des Humanismus stehendes Deutschland. Sie festigte, trotz oder wegen manches umstrittenen Urteils, den sozialistischen Aufbau und die Einheit der Partei, was ihr die bürgerlichen Rechtswissenschaften bis heute nicht verziehen haben und verzeihen konnten, sonst wären sie nämlich keine bürgerlichen Rechtswissenschaften. Weder Verleumdungs- und Hetzkampagnen der bundesrepublikanischen Medien, noch die Anfeindungen einiger Opportunisten konnten an diesen zentralen Errungenschaften rütteln.

Hilde Benjamin zeigt damit exemplarisch, dass die Rolle der Frau in der kommunistischen Bewegung sich keineswegs auf rein frauenpolitische Fragen beschränkt, sondern dass sie im politischen Klassenkampf und im sozialistischen Aufbau mindestens eine genauso wichtige Rolle spielen wie ihre männlichen Counterparts – eine Erkenntnis, die selbst in den fortschrittlichen Reihen in den 50ern bis heute vielerorts nicht in ausreichendem Maße durchgedrungen ist. Sie zeigt weiterhin, dass, wo Charakter, Haltung und ökonomische und politische Rahmenbedingungen zusammentreffen, der Fortschritt in allen Bereichen des menschlichen Lebens unter sozialistischen Vorzeichen zu gigantische Schritten fähig ist, vor Allem im Vergleich mit dem feigen Rückwärtsgetrippel der kapitalistischen Nationen. Grund genug, sich diese konsequente Genossin von Zeit zu Zeit wieder in Erinnerung zu rufen.

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