Taiwan gehört seit dem späten 17. Jahrhundert zu China. Japan riss sich die Insel 1895 als Kolonie unter den Nagel, musste sie aber 1945, nach seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg, zurückgeben. Ende der 1940er Jahre begannen dann die Verwicklungen, die bis heute andauern. Am 1. Oktober 1949 gründete sich die Volksrepublik; als Nachfolgerin der Republik China übernahm sie – so ist es im Völkerrecht üblich – deren gesamtes Territorium. Was Taiwan betrifft, wurde sie allerdings rein praktisch daran gehindert: Auf Taiwan hatte sich die Guomindang nach ihrer Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten festgesetzt. Auf der Insel proklamierte nun der Guomindang-Anführer Chiang Kai-Shek, die Republik China bestehe unter seiner Herrschaft fort. Ihm kam zugute, dass sich der Westen rasch auf seine Seite schlug: Taiwan konnte den Platz Chinas bei den Vereinten Nationen einnehmen, inklusive des ständigen Sitzes für China im UN-Sicherheitsrat, und die Vereinigten Staaten unterstützten das Regime in Taipeh, der größten Stadt auf der Insel, auch militärisch. 1954 schlossen sie ein Verteidigungsabkommen mit Taiwan und begannen, dort Truppen zu stationieren – zeitweise bis zu 30.000 US-Soldaten.
Spaltung gegen Zugeständnisse
Die Wende kam in den 1970er Jahren. Zum einen gelang es der Volksrepublik, am 25. Oktober 1971 in der UN-Generalversammlung eine Mehrheit für die Resolution 2758 zu erhalten, in der es hieß, „legitime Repräsentanten Chinas“ seien die Repräsentanten Beijings; seitdem hat nicht mehr Taiwan, sondern die Volksrepublik den Platz Chinas bei den Vereinten Nationen inne. Die UN-Generalversammlung beschloss in der Resolution 2758 zudem, die Repräsentanten Taiwans seien, da es nur ein China gebe, aus den UN-Gremien zu entfernen; das erhält neue Bedeutung, seit die westlichen Mächte versuchen, taiwanischen Funktionären einen Sitz in UN-Organisationen zu verschaffen – gegen die damalige, bis heute gültige UN-Resolution. Doch zurück zu den 1970er Jahren: Damals entfaltete ein zweiter Faktor große Wirkung – die Tatsache, dass die USA beschlossen, eine Phase der Kooperation mit der Volksrepublik einzuleiten. Einer der wichtigsten Gründe dafür war der Versuch, die Spannungen zwischen Beijing und Moskau, damals Hauptstadt der UdSSR, zu nutzen, um einen tiefen Keil zwischen sie zu treiben. Washington bereitete nun also die diplomatische Anerkennung der Volksrepublik vor, die schließlich zum 1. Januar 1979 erfolgte. Es musste dafür allerdings Zugeständnisse machen.
Ein Zugeständnis bestand darin, die „Ein-China-Politik“ zu respektieren, nach der ein Staat lediglich diplomatische Beziehungen zu einer der beiden Seiten haben kann – zu Beijing oder zu Taiwan. Washington löste das Problem, indem es die Beziehungen zu Taiwan informell gestaltete: Es unterhält dort seitdem anstelle einer regulären Botschaft das formell private „American Institute in Taiwan“. Die praktischen Unterschiede sind minimal. Ähnlich halten die anderen westlichen Staaten, die diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik aufgenommen haben; gewöhnlich tragen die jeweiligen Vertretungen Namen wie „Deutsches Institut Taipei“ oder „Taipeh Vertretung“. Dass in Litauen am 18. November ein „taiwanisches Repräsentationsbüro“ eröffnet wurde, deutet wohl bewusst eine Abkehr von der „Ein-China-Politik“ an; Beijing protestiert scharf dagegen.
Ein zweites Zugeständnis: Da die USA Taiwan nicht mehr als eigenen Staat anerkannten, konnten sie keine offiziellen Regierungskontakte dorthin unterhalten. Dasselbe gilt für alle anderen Staaten, die diplomatische Beziehungen zu Beijing aufgenommen haben. Seit geraumer Zeit provoziert Washington, indem es Kontakt zu immer höherrangigen Funktionären aus Taipeh aufnimmt; einige EU-Staaten empfangen inzwischen den taiwanischen Außenminister, und vor kurzem traf eine Delegation des Europaparlaments in Taipeh sogar mit der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen zusammen. Auch dies stößt in Beijing, da das die „Ein-China-Politik“ zumindest schwächt, auf Protest.
Ein drittes Zugeständnis: Die USA mussten ihre Truppen aus Taiwan zurückziehen. Seitdem rüsten sie Taiwan zwar noch auf, allerdings offiziell nur zur Selbstverteidigung; und um sicherzustellen, dass Taipeh möglichst viel Geld für Rüstungskäufe bei US-Waffenschmieden ausgibt, haben sie Taipeh keine feste militärische Beistandsgarantie gegeben. In der Praxis besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass Washington Taipeh im Fall eines Krieges mit Beijing militärisch stützen würde.
Wie hoch ist die Kriegsfgefahr?
Muss ein solcher Krieg befürchtet werden? Eigentlich nicht. Der Nationale Volkskongress, das Parlament der Volksrepublik, hat am 14. März 2005 das „Anti-Abspaltungsgesetz“ beschlossen, demzufolge eine friedliche Wiedervereinigung mit Taiwan angestrebt wird. Militärische Mittel dürfen demnach allenfalls dann eingesetzt werden, wenn Taipeh offiziell seine staatliche Unabhängigkeit ausruft – oder wenn eine Wiedervereinigung aus anderen Gründen faktisch ausgeschlossen ist. Zuletzt hat Präsident Xi Jinping diese Position mehrmals bekräftigt. Ein Problem besteht lediglich darin, dass manche Politiker der gegenwärtigen taiwanischen Regierung mit der staatlichen Unabhängigkeit liebäugeln – dies, obwohl kaum sechs Prozent der Bevölkerung sie befürworten. Hinzu kommt allerdings, dass der Westen Taiwan immer mehr aufzuwerten sucht, was ein Hindernis für die Wiedervereinigung ist. Das erhöht die Spannungen und lässt Beijing zunehmend zu militärischen Drohgebärden greifen.
Ganz abgesehen davon: Sollte es aus anderen Gründen zu einem Krieg zwischen China und dem Westen kommen – etwa wegen eines Zusammenstoßes im Südchinesischen Meer -, dann kämen die Waffen, mit denen Taiwan aufrüstet, zweifellos gegen die Volksrepublik zum Einsatz. Ein Grund mehr dafür, dass Washington seine Rüstungsverkäufe an Taipeh zuletzt massiv gesteigert hat.