Kamala Harris ist die erste weibliche Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, ein symbolischer Gewinn für die liberale westliche Linke. Das ist doch der beste Beweis dafür, dass wir ganz nah dran sind an der Gleichstellung der Geschlechter, oder? Nein. Sehen wir mal genauer hin. Hat sich durch diese Wahl irgendwas an den materiellen Bedingungen für die Mehrheit der Frauen verbessert? Nein. Wir müssen verstehen: Frauen werden im Kapitalismus unterdrückt und daran ändert sich auch nichts, wenn jetzt neuerdings immer mehr Frauen daran beteiligt sind, diesen Unterdrückungsapparat aufrecht zu erhalten.
Es gehört heute zum guten Ton sich als Feministin zu bezeichnen. Angela Merkel tut es. Ivanka Trump tut es. Beyoncé tut es. Und: alle Linken tun es. Aber irgendwie können die doch nicht alle den gleichen Feminismus meinen. Gucken wir also genauer hin: Woher kommt der Feminismus überhaupt historisch und welchen Standpunkt nehmen KommunistIinnen dazu ein?
Die Anfänge der Frauenbewegung
Die Forderung nach einer, im Gesetz verankerten, Egalität von Frauen geht auf die Französische Revolution zurück, genauer gesagt auf die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ von Olympe de Gouge. Die Erklärung nimmt an, dass Männer eben nicht von Natur aus den Frauen überlegen sind und es deshalb einer Gleichstellung beider Geschlechter vor dem Staat bedarf. Teile dieser Forderungen finden sich auch in den Anfängen der bürgerlichen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts wieder. Zu ihren Belangen gehörte das gleiche Recht auf Eheschließung (sprich die freie Wahl des Ehepartners), gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sowie der Anspruch auf Eigentum. Bemühungen um politische Teilhabe blieben bis Anfang des 20. Jahrhunderts zweitrangig, wenn nicht ungeachtet – die Forderung nach dem Wahlrecht, wurde erst am Anfang des 20. Jahrhunderts lauter. Dieser bürgerlichen Frauenbewegung stand eine proletarischen Arbeiterinnnebewegung gegenüber. Letztere war eingebettet in die internationale sozialistische Bewegung und wurde in Deutschland von Clara Zetkin angeführt. Sie konzentrierte sich eben nicht auf ein “Recht auf Arbeit”, sondern auf das Erkämpfen besserer Arbeitsbedingungen in den Fabriken, Mutterschutz sowie einer generellen Verbesserung der Lohnsituation für Frauen. Zusammengefasst: Reformen, die das Leben irgendwie erträglich machen sollten. Aber die proletarische Frauenbewegung wäre nicht sozialistisch gewesen, wenn sie nicht verstanden hätte, dass Reformen nur bedingt etwas ändern können und dass es eine an die Wurzel gehende Veränderung braucht, um die Frauen zu befreien: Eine sozialistische Revolution.
Ursache: Kapitalismus
Die zwei Werke „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ von Friedrich Engels und „Die Frau und der Sozialismus“ von August Bebel bildeten die theoretische Basis der Frauenfrage innerhalb der sozialistischen Bewegung. Sie leiten her, dass die Unterdrückung der Frau aus dem Kapitalismus rührt. Die Frau arbeitet nicht nur in der Fabrik für weniger Geld als ihre Arbeit wert ist, sondern zuhause sogar ganz ohne Lohn. Sie wird doppelt ausgebeutet. Diese Zusammenhänge zu erkennen ist bis heute für KommunistInnen entscheidend – die Stellung der Frau hat einen ökonomischen Ursprung. KommunistInnen wird nicht selten vorgeworfen, dass sie die Klassenfrage über alles stellen und die Frauenfrage zu unrecht vernachlässigen. Hier geht es aber nicht um Priorisierung, sondern um Zusammenhänge.
Frauen sind nicht nach Gottes Willen benachteiligt, sie sehnen sich auch nicht nach der schwächeren Position in der Gesellschaft und es sind auch keine abstrakten patriarchalen Strukturen, die aus dem Nichts heraus die Frauen unterdrücken. Die Unterdrückung der Frau hat eine ökonomische Grundlage und nur wer diese versteht kann auch die Befreiung der Frau erkämpfen.
Das öknomische Verhältnis
Die Elemente aus der bürgerlichen Frauenbewegung, sprich die Trennung der Frauenfrage von Klassenverhältnissen, kennzeichnen auch den heutigen Mainstream Feminismus. Repräsentation in staatlichen Institutionen als auch in den Medien, werden als essenzielle Bedingungen für eine Gleichberechtigung dargestellt; ökonomische Missstände wie die sogenannte „Gender Pay Gap“ sollen über Gesetze geregelt werden. Das moderne Verständnis, eine Frau sei dann emanzipiert, wenn sie ihre eigenen Entscheidungen treffen kann, ist Symptom dieser Isolierung der Frauenfrage von ökonomischen Verhältnissen.
Die Illusion, dass die Befreiung der Frau erlangt werden kann, wenn Frauen den gleichen Zugriff auf Machtpositionen wie Männer haben, ist die perfekte Verschleierung der Herrschenden um die Klassenfrage auszublenden. Statt des kapitalistischen Systems wird der Mann als Individuum zum Feindbild gemacht. Dadurch werden patriarchale Unterdrückungsstrukturen von ihrer Funktion für das System losgelöst und ihre Ursache in der Boshaftigkeit von Männern lokalisiert. Die aus dem Sexismus resultierenden Ungerechtigkeiten werden so nur oberflächlich versucht zu beseitigen: Genereller Männerhass mag eine nachvollziehbare Reaktion auf eine Welt sein, die Frauen ausbeutet und unterdrückt, verkennt aber die ideologische Funktion des Sexismus, die er im Erhalt bestehender Herrschaftsverhältnisse einnimmt.
Gemeinsam kämpfen!
Wir sehen also: Die ökonomische Schlechterstellung der Frau hat ihre Wurzeln nicht darin, dass Männer irgendwie scheiße sind, sondern in der kapitalistischen Logik (die historisch gesehen immer von Männern in Entscheidungspositionen aufrechterhalten wurde und wird). Die Linie verläuft demnach nicht zwischen Männern und Frauen, sondern wenn man genau hinsieht zwischen oben und unten. Das erklärt auch, warum die proletarische Frauenbewegung – und in ihr und mit ihr die KommunistInnen – immer stark gemacht haben, dass der Kampf um die Befreiung der Frau nicht die Aufgabe der Frauen sein kann, sondern die Aufgabe all derjenigen sein muss, die nicht vom kapitalistischen System profitieren.
Moderne Feministinnen sind manchmal schon einen Schritt weiter und rufen Männer dazu auf, als ally (eng.; Verbündete:r) die Frauen zu unterstützen. Das ist schon mal besser, als der Männerhass, der lange propagiert wurde – verkennt aber, dass wir einen gemeinsamen Kampf zu führen haben. Denn wie Alexandra Kollontai schon sagte: „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – und ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus.“ Also: Stop being an ally, start being a comrade! Kämpfen wir gemeinsam Seite an Seite für die Geschlechtergerechtigkeit und gleichzeitig für die Abschaffung der binären Geschlechtsnormen. Kämpfen wir Seite an Seite für die Abschaffung des Kapitalismus und gleichzeitig für die Verbesserung der Lage der Frauen in diesem System.