Sonderbehandlung für Tönnies – Gesundheitsamt Gütersloh lockert Quarantäneregeln für Milliardenkonzern

veröffentlicht am: 8 Feb, 2022

Erst kürzlich wurden die geltenden Quarantäne- und Isolationsmaßnahmen verändert: Ursprünglich mussten sich Infizierte für 14 Tage isolieren und am Ende ein negatives Testergebnis vorlegen – nun dauert die Isolation nur noch 10 Tage. Nach 7 Tagen ist es möglich, sich frei zu testen. Der Kreis Gütersloh hat jedoch eine besondere, nicht nach außen kommunizierte Regel: Mit dem Unternehmen Tönnies wurde offenbar eine Sonderregelung vereinbart, die ausschließlich diesen Konzern betrifft. Das geht aus internen Papieren hervor, die eine uns bekannte Quelle bereitgestellt hat. Sowohl der Konzern, als auch das Gesundheitsamt bestreiten die Vorwürfe, entgegen der gesichteten Unterlagen, behaupten beide die Regelung sei das gängige „Standardverfahren“ gewesen.

Wird bei einem Tönnies-Mitarbeiter ein positiver PCR-Test mit einem hohen CT-Wert nachgewiesen und ist dieser geimpft/genesen sowie asymptomatisch (nach Angaben der infizierten Person, wird nicht näher kontrolliert), darf schon nach zwei Tagen erneut ein PCR-Test durchgeführt werden. Ist dieser Test dann negativ, oder positiv mit weiterhin hohem CT-Wert, darf die Isolation frühzeitig beendet werden. Diese Regelung entspricht nicht den Richtlinien des RKI. Laut Tönnies handele es sich bei diesem Vorgehen nur um restpositive Fälle, also Personen die schon einmal infiziert waren und deren Test immer noch positiv ist. Dies widerspricht jedoch den uns vorliegenden Dokumenten. Zum Vergleich: Während im Kreis GT eine Freitestung vor dem siebten Tag für die Allgemeinbevölkerung nur mit ärztlicher Konsultation/Absprache der Gesundheitsamt Mitarbeiter mit der Teamleitung möglich sind (und auch da erst ab Tag 5) ist dies bei Tönnies nicht der Fall.

CT-Wert steht für „cycle threshold“ (dt. „Zyklus-Schwelle) und stellt einen Richtwert für die Ansteckungsgefahr da. Dabei steht ein hoher CT-Wert für eine niedrige Ansteckungsgefahr. Da bei einer beginnenden Infektion hohe CT-Werte jedoch durchaus möglich sind und noch absinken können, nehmen Tönnies und der Kreis Gütersloh damit in Kauf, dass positive und noch ansteckende ArbeiterInnen wieder zurück in die Werkshalle kommen und so weitere Mitarbeiter anstecken. Dazu kommt: Tönnies soll vom Gesundheitsamt in den meisten Fällen mit oberster Priorität behandelt werden. Die zweiten Tests werden von einem mobilen Testteam des Kreises durchgeführt, wodurch es an Kapazitäten für die eigentlichen Aufgaben des mobilen Teams fehlt. Diese werden unter anderem eingesetzt, um Senioren zuhause zu testen.

Der Kreis Gütersloh trägt also dazu bei, dass der Großkonzern Tönnies seine Gewinne über Menschenleben stellen kann. Tönnies spendete in der Vergangenheit größere Summen an die CDU und ist wegen illegaler Preisabsprachen und Falschettiketierungen juristisch belangt worden. Auch im vergangenen Jahr bewies der Konzern seine Rücksichtslosigkeit: Nach einem der größten betrieblichen Corona-Ausbrüche, der durch die miesen Arbeits- und Hygienebedingungen im Unternehmen verursacht wurde, forderte Tönnies sogar den durch die Anordnung von Quarantäne ausgefallenen Gewinn vom Kreis Gütersloh zurück. [Tönnies hat System – SDAJ, SDAJ Stellungnahme Tönnies, 2020] Nun gefährdet er erneut die Gesundheit der Beschäftigten, um den Schlachtbetrieb und so seinen Profit trotz Omikron und seinem unzureichenden Infektionsschutz aufrecht zu erhalten.

Die Pandemie könnte schon längst beendet sein, wäre es je um eine ernsthafte Bekämpfung und nicht um das Aufrechterhalten von Profit gegangen: Niedrigschwellige Impfangebote oder gar ein Aufheben der Impfpatente waren beispielsweise nie im Interesse der Herrschenden. Entweder zu teuer oder eben gegen die Profitorientierung der Pharmaindustrie. Dafür wurden dann eben die niedrigen Impfquoten und immer neue Virusvarianten in Kauf genommen. Die Regierung hat versagt und eben deshalb sind wir nun fast zwei Jahre später wieder und immer noch mit steigenden Zahlen konfrontiert.

Mit den neuen Maßnahmen beginnt das Lied von vorne: Das Soziale wird einschränkt, während Großkonzerne ungestört weiter Profite maximieren dürfen. In Büros und Fabriken werden Ansteckungen riskiert, damit die deutsche Wirtschaft gut dasteht. Dabei scheint die Politik und das Kapital mittlerweile vollkommen auf eine Durchseuchung der Bevölkerung gesetzt zu haben – Tausende Tote werden riskiert und um größere Ausfälle der Wirtschaft zu verhindern, werden eben die Quarantänemaßnahmen verkürzt.

Es zeigt sich deutlich wem dieser Staat gehört: Während es in ganz Deutschland immer schwerer wird, überhaupt an einen PCR-Test zu kommen, und bundesweit von einer radikalen Einschränkung der kostenlosen Tests die Rede ist, muss sich Clemens Tönnies nicht darum sorgen, dass sein Profit ausfällt oder er gar selbst für die Gefährdung seiner Mitarbeiter aufkommen muss. Der Staat verfolgt ihn nicht, sondern steht ihm mit Sonderregelungen beiseite. Seit beinahe zwei Jahren müssen wir mit den Einschränkungen der Pandemie leben und nun die zunehmende Inflation und Energiepreise verkraften, während die Politik alles daransetzt, Wirtschaftsinteressen zu schützen.

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