Die Nachricht vom spektakulären Wahlergebnis einer kommunistischen Partei in der zweitgrößten Stadt Österreichs ging um die Welt. Wir haben mit der Genossin Maike Manecke gesprochen. Sie ist Mitglied der KJÖ (Kommunistische Jugend Österreichs) und in diesem Jahr für die KPÖ in den Gemeinderat von Graz eingezogen.
POSITION: Die KPÖ konnte als stärkste Partei aus den Kommunalwahlen in der zweitgrößten Stadt Österreich hervorgegangen. Wie kam es dazu?
Maike: Es gibt mehrere Gründe für den Wahlerfolg der KPÖ. Zum einen liegt es an ihrer Ideologie und zum anderen, wie sie aufgebaut ist. Als kommunistische Partei agiert sie dementsprechend und möchte den Menschen wirklich helfen, anstatt sich selbst zu bereichern. Im Gegensatz zu den Grünen oder der FPÖ beispielsweise, die Politik nur aus Privatinteresse betreiben. Sie arbeitet täglich in den Parlamenten, nicht nur in Graz, sondern in der ganzen Steiermark, für die Menschen und vor allem mit den Menschen zusammen. Von Anfang an hat sie den Kontakt mit Menschen gesucht und konnte ihr Vertrauen gewinnen. Das Ganze war ein jahrzehntelanger Prozess und hat mit dem Einzug in den Stadtrat durch Ernest Kaltenegger 1998 begonnen. Ernest hat zum Beispiel den Mieternotruf ins Leben gerufen und einen Großteil seines Gehaltes in einen Sozialfond gegeben, um den Leuten direkt und unkompliziert in Notlagen helfen zu können. Mittlerweile zahlen alle MandatsträgerInnen in diesen Sozialfond ein und seit 1998 sind so bereits 2,5 Millionen Euro zusammengekommen. Später wurde der Erfolg der KPÖ in Graz als „Kaltenegger-Effekt“ bezeichnet und man ist davon ausgegangen, dass die KPÖ keine Erfolge mehr erzielen wird, wenn Ernest nicht mehr in Graz ist. Tatsächlich sind die Stimmen dann zunächst zurück gegangen, als er 2005 in den Landtag eingezogen ist. Weil die KPÖ aber so weiter gemacht hat, wie davor, wurde den Leuten klar, dass die KommunistInnen nicht nur reden, sondern auch machen. Auch der außerparlamentarische Kampf ist Bestandteil unserer Arbeit. Zusammen mit anderen Organisationen und der Gewerkschaft setzt sie sich für die Interessen der Arbeiterklasse ein. Zum Beispiel organisieren sich viele Menschen in unserem offenen Arbeitskreis zum Thema Gesundheit, der vor kurzem einen Protest vor dem Landtag organisiert hat, um auf die miserablen Zustände im Gesundheitswesen hinzuweisen. Wir haben zunächst mit 50 TeilnehmerInnen gerechnet, am Ende kamen 400. Viele, die sich in unserem Arbeitskreis organisieren, sind nicht Mitglied der KPÖ. Es kommen Leute, die sagen, dass sie eigentlich nie was mit Politik zu tun gehabt haben, sich aber jetzt organisieren wollen. Die Kommunistische Partei wird als positive Kraft wahrgenommen. Es ist klar, wir sind ehrliche Leute, die nicht Politik für uns selbst machen, sondern für die Menschen.
Die Forderungen nach Gemeindewohnungen spielte in eurem Wahlkampf eine große Rolle. Was sind die Schwerpunkte eurer Arbeit und wozu arbeitet ihr noch?
Maike: Unsere Partei wurde schon immer mit Wohnen assoziiert. Das liegt vor allem auch daran, dass Ernest zunächst im Stadtrat das Ressort „Wohnen“ zugewiesen bekommen hat, weil es völlig heruntergewirtschaftet und damit am schwierigsten war. Man wollte, dass sich die KommunistInnen daran die Zähne ausbeißen. Tatsächlich konnte da aber viel erreicht werden, wie zum Beispiel eine Mietobergrenze für städtische Wohnungen oder dass verhindert wurde, dass diese privatisiert wurden. Wo aber auch viel gemacht wird, ist beim Sozialen. Es gibt verschiedene SozialarbeiterInnen, die mit und bei uns arbeiten. Der Sozialfond hilft nicht nur finanziell, sondern auch niedrigschwellig wie beim Ausfüllen von Formularen oder Mietrechtsberatung. Wir beteiligen uns auch aktiv bei Protesten, wie zum Beispiel vor kurzem in der Elementarpädagogik, also bei den ErzieherInnen und PädagogInnen.
Im Parlament diskutieren und Anträge stellen, Mieter- und Sozialberatung – ist das nicht Stellvertreterpolitik?
Maike: Kommunistische Politik darf nicht immer nur einseitig von Revolution sprechen, nicht nur Generalstreik und Weltrevolution propagieren, wie viele Kommunistische Organisationen das beispielsweise tun, die zwar über Kommunismus schwadronieren, aber selten einen Blick für die Lebensrealität der Menschen haben. Wir erleben eine Arbeiterklasse ohne Klassenbewusstsein, die sich immer weiter entpolitisiert. Eine KP muss Klassenbewusstsein schaffen. Es bringt uns nichts, wenn die Bevölkerung glaubt, dass die KommunistInnen schlimme Kinderfresser sind. Wir glauben, dass es auf der einen Seite Kämpfe im Parlament braucht, welche die Situation der Klasse verbessern, und wollen dabei auch deutlich machen, dass sie sich selbst in den politischen Prozess einbringen kann. Also ja, auf dieser Ebene machen wir Stellvertreterpolitik. Aber vor allem als Zugangspunkt zur Klasse, um das Vertrauen einer zunehmend entpolitisierten Klasse zu gewinnen. Andrerseits arbeiten wir auch mit anderen Organisationen zusammen, damit wir nicht nur das innerparlamentarische haben: Durch die KJÖ und dem KSV haben wir einen Zugang zu Schülis und Studis. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Betriebsräten versuchen wir, Menschen zu motivieren, selbst für ihre Rechte einzutreten. In den Medien heißt es immer, in Graz wird bald die Revolution ausgerufen. Uns ist bewusst, dass wir das hier nicht können, weil wir eben nur in dem System wirken können, indem wir uns befinden. Aber wir mobilisieren die Menschen und machen deutlich, dass sie sich selbst organisieren müssen.
In den Medien wurde zum Teil von einer KPÖ gesprochen, die eher einer Linkspartei als einer kommunistischen Partei ähnelt. Wie siehst du das?
Maike: In unserem Grundsatzpapier steht der Sozialismus. Wir wollen nicht nur davon träumen, sondern auf der einen Seite die Ideale der sozialistischen Gesellschaft leben und auf der anderen Seite proaktiv darauf hinarbeiten. Wir müssen zunächst schauen, wie wir Menschen in der akuten Lage helfen können, um sie dann dafür zu bewegen, gegen das gesamte System zu kämpfen. Dabei dürfen wir den Sozialismus nicht aus den Augen verlieren. Keine Partei ist perfekt und es geht immer darum, sie weiterzuentwickeln. Bei uns gibt es zum Beispiel in der Bildungsarbeit noch viel zu tun. Wir haben zwar den Bildungsverein der KPÖ, indem niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel Buchvorstellungen und musikalische Darbietungen stattfinden, es gibt aber keine klassischen Lesekreise, um zum Beispiel „Was tun“ zu lesen. Diese Lesekreise gibt es zwar bei KJÖ und beim KSV, finden aber nicht so im großen Ausmaß statt. Der Zugang zur Klasse über Bildungsarbeit ist also ausbaufähig. Der Preis von Kommunalpolitik ist, dass sie Kapazitäten frisst: Wir haben insgesamt 80 Leute in Funktionen und das ist eine große Herausforderung. Aber wenn man sich sozialdemokratische Parteien wie die Linkspartei in Deutschland ansieht, dann ist zwar klar, dass man sich in einer ähnlichen Tradition versteht, wir aber nicht das große Ganze, den Sozialismus, aus den Augen verlieren. Wenn MandatsträgerInnen einen Großteil ihres Einkommens abgeben, dann nicht, um die Partei damit zu finanzieren, uns in Posten und Funktionen verlieren und uns persönlich zu bereichern, sondern um akut den Leuten zu helfen und damit einen Zugang haben, der am Ende Klassenbewusstsein schaffen kann.