(R)echte Friedenspolitik?

veröffentlicht am: 22 Feb, 2023

Wenn Rechte vermeintlich das Gleiche sagen

Das „Manifest für Frieden“ von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der bürgerlichen Feministin Alice Schwarzer hat innerhalb kürzester Zeit Hunderttausende Unterschriften erhalten und hat das Potenzial, zu einer der größten Friedensdemonstrationen in diesem Jahr zu mobilisieren und das obwohl auch an diesem Wochenende Tausende Menschen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz demonstriert haben.

Der Aufruf wurde nicht nur von Linken, Grünen, SPD und CSU-Politiker unterzeichnet, sondern auch von Rechten und Faschisten wie Jürgen Elsässer und Tino Chrupalla. Auch die AfD-Politikerin Alice Weidel tut gerade alles dafür, um die Teile der Bevölkerung hinter der AFD zu sammeln, die gerade Angst davor haben, in einen Weltkrieg getrieben zu werden – was immerhin noch einem Großteil der Bevölkerung ansprechen dürfte. Wenn Rechte vermeintlich das Gleiche sagen, dann ist der Vorwurf nach Querfront nicht weit. Deshalb titelte letzten Montag die bürgerliche Initiative „Endstation Rechts“: auch: „Querfront-Träume: das „Manifest“ von Wagenknecht und Schwarzer“. Über die deutlichen Schwächen des Manifests später mehr, erst einmal müssen wir uns mit der Frage beschäftigen:

Woher kommt die Friedensbegeisterung der Rechten?

Das Ganze ist natürlich kein Zufall. Das Aufgreifen von Protestpotenzial durch Faschisten lässt sich immer dann beobachten, wenn Unmut in der Bevölkerung ausbricht.

Der Staat hat das Gesundheitssystem heruntergewirtschaftet und ergreift massive Einschränkungen auf unsere Kosten zur Eindämmung der Pandemie? Die Rechten formieren Protest! Die aggressive Außenpolitik des deutschen Imperialismus sorgt für große Fluchtbewegungen? Die Rechten formieren Protest! Teile der Bevölkerung erleben diverse Umweltschutzmaßnahmen als persönliche Einschränkung? Die Rechten formieren Protest!

Dabei sind Faschisten sehr flexibel in der Wahl ihrer Positionen und Behauptungen, denn Inhalte sind für sie so viel weniger relevant als für die progressive Linke. Anders als wenn KommunistInnen gegen die Kriegstreiberei der herrschenden Klasse mobilisieren, unterliegen Rechte nicht dem Druck, eine richtige wissenschaftliche und sinnvolle Erklärung für ihre Position zu liefern. Ihre Aufgabe ist es lediglich die protestbereiten Menschen unter ihrem Banner zu vereinen, selbst wenn es Manipulation benötigt.

Aber für wen erfüllen sie diese Aufgabe?

Zum einen für sich selbst, um ihre Daseinsberechtigung als Opposition nicht zu verlieren und die damit verbundenen Gelder und Posten. Aber zum anderen, und das ist viel wichtiger für die Großkonzerne und ihren Staat, der gerade alles auf Krieg, Aufrüstung und Eskalation setzt. Denn Faschisten fungieren als Blitzableiter für den (häufig) legitimen Protest der arbeitenden- und werktätigen Bevölkerung. Wer unter dem Banner der Rechten oder vermeintlich mit ihnen zusammen marschiert, der verliert seine Legitimität. Für manche reicht dann eine einzige Unterschrift eines Faschisten unter einem Aufruf aus, um einen kompletten Protest aufzugeben oder zu delegitimieren.

Und auch wenn Rechte vermeintlich das Gleiche sagen, so meinen sie nicht das Gleiche. Ihnen geht es nicht darum, das Problem an der Wurzel zu packen und die Ursache für Krieg, also den Imperialismus, zu bekämpfen. Sie wollen und können nicht begründen, was die Art und Weise wie Monopolkapitalisten Profit erwirtschaften, mit Gewalt und kriegerischen Konflikten zu tun hat. Ihre Aufgabe ist es, die Menschen fehlzuleiten und dabei zu verhindern, dass Leute sich bei der fortschrittlichen Friedensbewegung sammeln.

Wenn Faschisten von Frieden sprechen, dann lügen sie. Wir nennen das Friedensdemagogie, welche objektiv die oben skizzierte Aufgabe für diejenigen erfüllt, die Kriege zu verursachen haben. Wenn die AfD wirklich für den Frieden ist, wieso haben dann 32 AfD-Politiker für die 100. Mrd gestimmt? Wieso haben sich ausgerechnet Chrupalla und Weidel bei der Frage enthalten? Warum bekennt sich die AfD klar zur NATO, zum verbrecherischsten Militärbündnis dieser Welt, das einen völkerrechtswidrigen Krieg nach dem nächsten vom Zaun bricht? Wieso fordert die AfD dann selbst strategische Autonomie, also letztlich, dass Deutschland weltweit eigenständig Kriege führen können soll?

Worum es der AfD wirklich geht, beweist sie in ihrem Mitgliedermagazin „AfD Kompakt“ in einem Artikel vom 10.11.2022, in dem sie beklagt, dass die Bundesregierung plane, für 16. Milliarden Euro Kampfjets und Hubschrauber von der USA zu kaufen und die deutsche Rüstungsindustrie komplett übergehe. Plakativ schreibt sie dazu „Nur die AfD stellt sich gegen den Ausverkauf deutscher Interessen“.

Auch historisch sehen wir, wie es um den Frieden steht, wenn Faschisten davon sprechen. Ausgerechnet Hitler hat bei seiner „Friedensrede“ vom 17. Mai 1933 dafür geworben, dass man gemeinsam abrüsten müsse, nur aber um längerfristig einen militärischen Vorteil bei der Durchsetzung der imperialistischen Interessen des deutschen Monopolkapitalis zu erlangen. Nur sechs Jahre später begann Deutschland dann den Zweiten Weltkrieg. Damals wie heute vertreten Rechte die Interessen der Banken und Konzerne, wenngleich es natürlich einen Unterschied macht, ob der Faschismus an der Macht ist oder seine Aufgabe in der Opposition erfüllt und es für die Menschen, die rechter Demagogie verfallen, nicht offensichtlich ist.

Wie nun darauf reagieren?

Als friedensbewegte Antifaschistinnen und Antifaschisten stellt sich nun die Frage, wie wir damit umgehen, wenn Faschisten versuchen, die Friedensbewegung ad absurdum zu führen. Die Rechten haben mit ihrer sozialen Demagogie leider Einfluss auf viele Menschen in diesem Land – Menschen, die grundsätzlich auch für eine objektiv fortschrittliche Friedensposition erreichbar sind. Es wäre falsch, sie den Faschisten zu überlassen.

Unsere Aufgabe muss es sein, den Rechten das Wasser abzugraben, die Friedensdemagogie zu entlarven und den berechtigten Protest gegen die herrschende Kriegspolitik in sinnvolle Bahnen zu lenken. Dabei dürfen wir nicht in die Fallstricke laufen, die sich dabei auftun:

Zum einen wäre es falsch, zuzulassen, dass diese Blitzableiterfunktion überhaupt eintreten kann. Einen Protest aufzugeben, weil Rechte versuchen, ihn für ihre Zwecke zu missbrauchen, kann nicht unser Herangehen sein. Menschen, die rechter Demagogie verfallen, sollten wir nicht aufgeben. Denn wir brauchen jeden, um für eine friedlichere Welt zu kämpfen, in dem Faschismus die Grundlage entzogen wird. Wenn sich also starke Friedensbewegungen formieren, die in ihrer Natur dem deutschen Imperialismus bei seiner kriegerischen Aktion in die Seite fällt, sollten wir uns bemühen, die Faschisten klein zu halten und ihre Anhänger von sinnvollen Inhalten zu überzeugen.

Zum anderen dürfen wir nicht den Fehler machen, die inhaltlichen Differenzen zu ignorieren. Wir arbeiten nicht mit Führern rechter und faschistischer Parteien zusammen. Sätze wie „Angesichts der aktuellen Situation sollten wir unterschiedliche Meinung beiseitelegen“, sollten uns hellhörig machen und müssen als Warnsignal verstanden werden. Es gibt grundlegende inhaltliche Differenzen zur rechten und faschistischen Friedensdemagogie, – die in Wahrheit eine Lüge ist – es gibt richtige und falsche Positionen. Rechte haben eine falsche, schädliche, fortschrittsfeindliche Position – das zu ignorieren ist fatal und entspricht am Ehesten dem, was man unter Querfront versteht: Inhalte aufgeben für die eine „gemeinsame“ Sache, um am Ende zuzulassen, dass sich doch die Interessen der Monopole durchsetzen.

Das Manifest für den Frieden läuft in die Gefahr, in zweitere Falle zu laufen. Es ist – vermutlich bewusst – so geschrieben, dass es auf eine inhaltliche Einordnung des Konflikts verzichtet. Das Weglassen der Vorgeschichte, die zur Eskalation des Ukrainekriegs geführt hat, das Weglassen der sozialen Frage und das Nichterwähnen der Aggression und der Interessen NATO sorgt dafür, dass gewisse demagogische Ansätze leichteres Spiel haben. Wenn der Aufruf sich klar gegen die Aufrüstung von 100 Milliarden Euro stellen würde, wenn er sich gegen die sogenannte „strategische Autonomie“ Deutschlands richten würde und damit die Aufrüstungs- und Weltmachtsambitionen der deutschen Monopole angreifen würde, dann würde er auch der Unterstützung von Rechten die Grundlage entziehen. Und dennoch: Als aufrichtige und friedensbewegte Antifaschistinnen und Antifaschisten dürfen wir diesem Protest nicht fernbleiben, sollten die Chance nutzen, wenn so viele Menschen bereit sind, der Kriegstreiberei etwas entgegenzusetzen. Vielmehr muss es darum geht, Klarheit in eine solche Bewegung zu bringen, die das Potenzial hat, in die Fallen zu laufen, die ihnen der Monopolkapitalismus so gerne stellen möchte.

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