„Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.“ So bereitete Kriegsminister Boris Pistorius schon bei seinem Amtsantritt die nun laufende Debatte über die Wiedereinführung genau dieser Wehrpflicht vor. Aber warum kommt diese Debatte eigentlich gerade jetzt auf und um welche Interessen geht es da eigentlich?
Warum wurde die Wehrpflicht ausgesetzt?
Das geschah zum 1. Juli 2011 und ging damals einher mit einer grundlegenden Veränderung im Aufgabenbereich und im Charakter der Bundeswehr. So stieg die Anzahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr ab 1990 stark an. Die Bundeswehr entwickelte sich hin zu einer globalen Eingreiftruppe, die stets in der Lage sein sollte, die Interessen der deutschen Wirtschaft auf dem ganzen Globus abzusichern. So wie es auch in den grundlegenden Strategiepapieren der Bundeswehr beschrieben wird. Dafür benötigt sie aber vor allem gut ausgebildete, erfahrene Berufssoldaten anstelle von Wehrpflichtigen. Daher nahm die Anzahl der tatsächlich Eingezogenen auch schon lang vor der letztendlichen Aussetzung der Wehrpflicht konstant ab. Mit der Aussetzung sollte dann endgültig der Übergang zur Berufsarmee vollzogen werden.
Warum kommt sie dann zurück?
Mit den Ambitionen Deutschlands, erneut zur Weltmacht aufzusteigen, verändern sich auch die Anforderungen an die Bundeswehr. Aktuell bedeutet das vor allem, sich eine Führungsrolle in der NATO innerhalb Europas zu sichern. Das ließ sich gut an Deutschlands Rolle beim vergangenen Defender-Manöver erkennen. So galt Deutschland da bereits als „logistische Drehscheibe“ der NATO, aber auch die direkte militärische Position soll ausgebaut werden.
Während dafür laut Verteidigungsministerium mindestens 203.000, aber eher 240.000 SoldatInnen benötigt werden, sind die Zahlen der Bundeswehr allerdings rückläufig. Denn trotz aggressiver Werbung auf Social Media und immer häufigeren Auftritten an Schulen bleibt das Sterben eine schlechte Berufsperspektive. Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht sollen dabei zwei Dinge erreicht werden: Die Bundeswehr soll in der Gesellschaft normalisiert werden und mehr Jugendliche sollen mit ihr in Kontakt kommen. Davon erhofft man sich zum einen mehr gesellschaftliche Akzeptanz für die Militarisierung, aber auch, dass mehr junge Menschen sich danach für den Dienst in der Bundeswehr entscheiden. Es geht also nicht um einen Schritt weg von einer Berufsarmee, sondern um eine effektivere Rekrutierung und mehr Akzeptanz für diese Armee.
Die neue Wehrpflicht
Am 12. Juli hat Boris Pistorius nun ein neues Konzept für die Umsetzung der Wehrpflicht vorgelegt. Konkret soll es jetzt einen für alle jungen Männer verpflichtenden Fragebogen geben, den sie mit dem 18 bekommen und ausfüllen müssen. Wer danach zur Musterung eingeladen wird, muss auch daran verpflichtend teilnehmen. Einen Fragebogen für junge Frauen soll es ebenfalls geben; dieser soll allerdings, zumindest fürs Erste, nicht verpflichtend sein. Die Entscheidung für den Wehrdienst bleibt momentan weiterhin für alle freiwillig; um die Anzahl der Rekruten trotzdem zu erhöhen, soll es dafür verschiedene Prämien geben, falls sich für eine Verpflichtung entschieden wird. Zum Beispiel der Führerschein, der von der Bundeswehr bezahlt werden könnte, wurde von Pistorius erwähnt.
Man geht mit diesem Modell davon aus, dass sich so aus 400.000 jungen Männern etwa 40.000 Musterungen ergeben, von denen dann am Ende 5.000 verpflichtet werden sollen. Ob damit langfristig die Personalprobleme der Bundeswehr gelöst werden können, bleicht fragwürdig, die Debatte wird also vermutlich weitergehen.
Wie geht es weiter?
Genau vorherzusagen, was passiert, ist natürlich schwierig, die Umsetzung des vorgelegten Konzeptes ist allerdings wahrscheinlich. Immerhin werden die Gegenstimmen zu einer Wehrpflicht in den Reihen der bürgerlichen Demokraten immer leiser. Stattdessen ist schon erste Kritik zu vernehmen, dass der Entwurf nicht weit genug geht. So gibt es Stimmen aus der CDU, die sowohl die fehlende Verpflichtung zum Wehrdienst als auch die fehlende Verpflichtung von Frauen kritisieren. Pistorius selbst kündigt ebenfalls an, dass er die Diskussionen um eine allgemeine Wehrpflicht sowie die Ausdehnung der Wehrpflicht auf junge Frauen für nötig halte. Das scheint er aber zumindest momentan noch nicht durchsetzen zu können.
All das lässt vermuten, dass das Kapitel Wehrpflicht hiermit nicht abgeschlossen ist und es sich eher um eine schrittweise Wiedereinführung handelt. Vorteile davon könnten zum einen die möglicherweise geringere Empörung sein, aber auch die Möglichkeit der Bundeswehr, ihre Strukturen anzupassen. Momentan würden für eine größere Menge an Rekruten schlicht die Ausbilder fehlen.
Was heißt das für uns?
Unabhängig vom jeweiligen Modell ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht gegen unsere Interessen. Denn die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber. So sind Mobbing, Rassismus, Sexismus und sogar sexuelle Übergriffe bei der Bundeswehr keine Seltenheit. Etwa die Hälfte der Soldatinnen berichtet davon, Opfer von sexueller Belästigung geworden zu sein; ebenso ist Missbrauch und Erniedrigung von Männern, auch durch Vorgesetzte, keine Seltenheit.
Doch damit nicht genug, bei der Bundeswehr zu arbeiten heißt auf das Töten und Sterben im Krieg abgerichtet zu werden; durch Disziplin und Drill wird man zu Befehlsgehorsam gezwungen; da bleibt für Persönlichkeitsentwicklung kein Platz.
Hat man dann all das hinter sich, bleibt die eigentliche Aufgabe, der Einsatz als Soldat und damit stets die Gefahr zu sterben. Wie oben bereits erwähnt haben die Auslandseinsätze der Bundeswehr nichts mit Verteidigung zu tun, wie es uns immer wieder vorgelogen wird. Die Bundeswehr soll eine globale Eingreiftruppe sein, die überall auf dem Globus deutsche Wirtschaftsinteressen durchsetzen kann und damit überall auf dem Globus unser Leben diesen Interessen zu opfern bereit ist.
Das lassen wir nicht zu! Deswegen werdet aktiv gegen die Wehrpflicht und die Bundeswehr bei euch vor Ort!
Lukas, Darmstadt