Ausbildungsreport der DGB-Jugend: Keine Perspektive für Auszubildende im Kapitalismus

veröffentlicht am: 5 Sep, 2024

Der Ausbildungsreport der DGB-Jugend punktet in diesem Jahr erneut mit einem Tiefstand nach dem nächsten

Am 22. August hat die DGB-Jugend ihren alljährlichen Ausbildungsreport vorgestellt. Dabei wird deutlich: Egal ob Ausbildungsplatzmangel, -vergütung oder -qualität, für die deutschen Unternehmen und ihren Staat scheinen Ausbildungen vor allem ein Kostenfaktor zu sein, der möglichst gering gehalten werden soll.

 

Jeder fünfte junge Mensch ohne abgeschlossene Berufsausbildung

Weniger als jeder 5. Betrieb bildet überhaupt noch aus. Wenig überraschend ist da, dass beinahe 3 Millionen der 20- bis 34-Jährigen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Das mag auch daran liegen, dass beinahe jede dritte Ausbildung abgebrochen wird. Die Gründe dafür liegen im Wesentlichen in den zu leistenden Überstunden, der unklaren Übernahmeperspektive, den ausbildungsfremden Tätigkeiten sowie der mangelnden Betreuung. Die Ausbildungsplatzgarantie, die ab 2024 greift, wird daran grundsätzlich auch nichts ändern können, da es sich dabei um schulische, unbezahlte Ausbildungen handelt und viele Bedingungen erfüllt sein müssen, bis diese überhaupt erst greift. Über 70.000 Ausbildungsplätze bleiben direkt unbesetzt. Angesichts der Ausbildungsbedingungen kein Wunder.

 

Ausbildungsplatz = gute Ausbildung? Fehlanzeige!

Das Schwerpunktthema des diesjährigen Ausbildungsreports ist das Thema Betreuung. Hier gaben ca. 20 % der Befragten entweder an, keinen Ausbilder zu haben oder ihn selten bis gar nicht zu sehen. Mehr als die Hälfte der Auszubildenden bekommt weniger als einmal pro Monat Rückmeldung von ihrem Betreuer.
Der Trend der Nicht-Ausbildung von Azubis setzt sich fort, wenn man sich anschaut, dass ca. 2/3 der Auszubildenden entweder keinen betrieblichen Ausbildungsplan haben oder dieser nicht eingehalten wird. Das deckt sich auch mit der hohen Zahl an Azubis, die regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten machen müssen – mit 15,3 % ein neuer Höchststand. Es zeigt: Für die Mehrheit der Betriebe sind Azubis billige Arbeitskräfte. Lernen? Fehlanzeige.

Wenig überraschend ist, dass die allgemeine Zufriedenheit mit der Ausbildung gering ist. Nur 69,8 % gaben an, mit ihrer Ausbildung zufrieden zu sein, der schlechteste Wert der letzten 15 Jahre.

 

Armutsfalle Ausbildung

Und auch sonst sieht es nicht rosig aus: Die durchschnittliche Ausbildungsvergütung liegt mit 965 € unterhalb dessen, was es in den großen Industrien bereits vor 10 Jahren gab. Wer Mindestausbildungsvergütung bekommt, braucht sich gar keine Hoffnungen zu machen, mit 649 € ein eigenständiges Leben zu führen. Während Azubis also oft für den Betriebsablauf unerlässliche Aufgaben übernehmen und Vollzeit oder ein Drittel von ihnen durch Überstunden noch mehr arbeiten, sind sie vor Armut nicht geschützt. Verschärft wird dieser Umstand durch steigende Mieten und hohe Preise.

 

Auch mit Ausbildung nach wie vor Perspektivlosigkeit

Und selbst wenn die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen ist, bleibt immer noch die Frage: Was jetzt?! Übernahme im erlernten Beruf? Für viele Azubis Fehlanzeige! In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass über 60 % der Befragten nicht wissen, ob sie am Ende der Ausbildung übernommen werden. Im letzten Ausbildungsjahr haben über 65 % der Azubis keine Zusage für eine Übernahme. Zukunftsplanung ist so nicht möglich.

Als SDAJ stellen wir fest: Die Zustände für die arbeitende und lernende Jugend in diesem Land sind fatal. Auszubildende werden schlecht ausgebildet, dafür schlecht bezahlt, und landen mit hoher Wahrscheinlichkeit hinterher mit einem Berufsabschluss auf der Straße! Das kann nicht sein!

 

Gesetz heißt nicht umgesetzt

Der Ausbildungsreport belegt somit eine Reihe von Verstößen gegen das Berufsbildungsgesetz, wie das regelmäßige Heranziehen minderjähriger Azubis für Überstunden, Überstunden ohne Ausgleich und das Ausbilden von Azubis ohne Ausbildungsrahmenplan und ausbildungsfremde Tätigkeiten. Gesetz heißt also nicht gleich umgesetzt. Kontrollieren und durchsetzen müssen wir das gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen.  Es braucht starke gewerkschaftliche Strukturen und Interessensvertretungen im Betrieb, allein damit die gesetzlich festgeschriebenen Vorgaben eingehalten werden! Jemand anderes wird das nicht für uns machen. Auch auf den Staat, der diese Gesetze verabschiedet, können wir uns hierbei nicht verlassen. Er schaut untätig zu, wenn diese jeden Tag unterlaufen werden. Staatliche Kontrollen sind eine absolute Seltenheit. Bei der reinen Durchsetzung bestehender Regelungen dürfen wir aber nicht stehen bleiben.

 

Als Azubis gemeinsam kämpfen – gegen die Interessen der Unternehmen!

Im Kapitalismus sind wir gezwungen, unsere Arbeitskraft gegen Lohn zu verkaufen, um unser Leben zu finanzieren. Unser zukünftiges Leben hängt also maßgeblich von unserer Ausbildung ab. Wer keinen Abschluss vorweisen kann, ist in besonderem Maße von ständiger Unsicherheit bedroht. In diesem System dienen Ausbildungen einzig der ökonomischen Verwertbarkeit. Somit steht das Profitinteresse der Unternehmen dem Interesse der Azubis an einer umfänglichen und qualitativ guten Ausbildung, einem Azubigehalt, das zum Leben reicht, und einer unbefristeten Übernahme entgegen.

Als SDAJ waren wir von Anfang an Teil des Kampfes um bessere Ausbildung. Angesichts des katastrophalen Zustands der Ausbildung fordern wir: Azubis dürfen nicht länger als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden! Wir brauchen ein Ausbildungssystem, das uns umfassende berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten, Allgemeinbildung und politisches Wissen vermittelt. In der Ausbildung wollen wir dazu befähigt werden, gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen – unabhängig davon, ob wir Anlagenmechaniker, Ingenieurin oder Friseurin werden. Was wir brauchen, ist ein Recht auf eine betriebliche Ausbildung, die uns in unseren Fähigkeiten und Interessen fördert, die uns nicht an den Rand der Erschöpfung bringt und von der wir gut leben können. Für die bessere Planbarkeit und Sicherheit unserer Zukunft brauchen wir zudem eine Garantie auf unbefristete Übernahme. In einem Gesellschaftssystem, welches auf der Ausbeutung unserer Arbeitskraft beruht, wird uns so eine Ausbildung nicht geschenkt werden. Die SDAJ kämpft zusammen mit den Gewerkschaftsjugenden, den Azubis im Betrieb und im Rahmen von Tarifrunden für:

  • Unbefristete Übernahme im erlernten Beruf!
  • Konsequente Durchsetzung des Verbots ausbildungsfremder Tätigkeiten!
  • Mehr Zeit für Praxisanleitung durch mehr qualifizierte Ausbilder:innen!
  • Eine Mindestausbildungsvergütung, die für ein eigenständiges Leben ausreicht!

 

Hier geht es zum Ausbildungsreport der DGB-Jugend.

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