Gegen wen richtet sich der Anti-Drogen-Krieg auf den Philippinen?
Über 3.000 Tote. Das ist die bisherige Bilanz im Krieg gegen die Drogen, der seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Rodrigo Duterte im Juli auf den Philippinen stattfindet. Beim Großteil der Opfer handelt es sich um Süchtige, Kleindealer oder schlichtweg um Personen, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort befanden. Die großen Kartelle und kriminellen Verstrickungen von Politik und Staatsapparat zum Drogenhandel blieben bisher weitgehend unberührt. Stattdessen erhofften sich insbesondere korrupte Polizisten derzeit, durch das freie Töten ungebetene Zeugen aus dem Weg zu räumen. Doch nun könnten auch hochkarätige Richter, Beamte und Abgeordnete dran sein, sofern sie dem Präsidenten nicht passen. Erste Listen existieren bereits.
Duterte kann bei seinen Maßnahmen auf alte Erfahrungen zurückgreifen. In seiner Zeit als Bürgermeister in der südlich gelegenen Großstadt Davao ließ er durch ein Todesschwadron Kleinkriminelle, Bettler sowie Straßenkinder aus dem Stadtbild „entfernen“. Auch politische Gegner, darunter Journalisten und wohl auch ein Vertreter des Justizministeriums, zählen zu den Opfern. Rund 1.000 Menschen sollen auf diese Weise während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit umgekommen sein.
Nach seinem Wahlsieg hat er es sich außerdem zur Aufgabe gemacht die Todesstrafe wieder einzuführen und das Alter der Schuldfähigkeit auf zwölf Jahre zu reduzieren. Dabei kann sich Duterte auf Zustimmung in weiten Teilen der Bevölkerung stützen. Besonders dort, wo er sich als Korruptionsbekämpfer und Volksheld inszeniert.
In der Tradition des Diktators
Duterte ist Mitglied der föderalistischen und populistischen Partei PDP-Laban. Seine Regierungskoalition besteht aus größtenteils konservativen Parteien. Teil der Allianz ist auch die rechtspopulistische Partei Nacionalista. Mit ihrer Hilfe gelangte einst der Diktator Ferdinand Marcos an die Macht. Unterstützt von den USA herrschte Marcos von 1965 bis 1986 über die Philippinen und widmete seine Amtszeit vor allem der Bekämpfung von Kommunisten. Massive Korruption, Bereicherung durch Staatsgelder, die Verhängung des Kriegsrechts und rund 10.000 Tote waren das Resultat seiner Herrschaft.
Duterte hatte bereits vor seiner Präsidentschaft angekündigt, Marcos Leichnam auf den Heldenfriedhof in Manila umzubetten. Nach seinem Wahlsieg bekräftigte Duterte sein Vorhaben, dem einstigen Diktator die letzte Ehre zu erweisen. Für die Opfer der Diktatur ist das ein Schlag ins Gesicht.
Seit Ende der 1960er Jahre kämpft die philippinische Armee sowohl gegen muslimische Aufständische im Süden als auch gegen maoistische Rebellen. Dutertes Regierung will nun mit beiden Gruppen in Verhandlungen treten und gleichzeitig mit besonderer Härte gegen den lokalen Ableger des Islamischen Staates vorgehen. Mit den Maoisten wurden bereits Gespräche geführt und die Regierung ließ einige politische Gefangene frei. All das dürfte aber weniger aus humanistischen Motiven als aus rein strategischem Kalkül passiert sein. Bisher erwies sich jegliches militärische Vorgehen des philippinischen Staates gegen die zwei genannten Gruppierungen als weitgehend erfolglos. Die Aussicht auf weitere Jahre oder Jahrzehnte des bewaffneten Konflikts und der Instabilität in Teilen des Landes hatte zuletzt wohl auch die reaktionärsten Teile der philippinischen Gesellschaft zur Einsicht bewogen, dass ein Kurswechsel in dieser Frage notwendig ist. Kaum anders lässt sich erklären, dass Duterte die Friedensgespräche bisher so erfolgreich führen kann.
Kooperation mit den USA
Trotz einiger Ausnahmen hält sich aus den USA die Kritik an Duterte und seinem Vorgehen in Grenzen. Die Philippinen stellen nicht nur einen wichtigen Absatzmarkt für die USA dar, sondern nehmen auch eine strategisch wichtige Stellung im Konflikt gegen China im Pazifik ein. Washington braucht seinen Verbündeten und trotz der bisweilen kritischen und teilweise antiamerikanischen Rhetorik Dutertes sieht es nicht so aus, als würden die Philippinen ihre Haltung zu den USA grundlegend ändern.
Die Vereinigten Staaten sind der zweitwichtigste Handelspartner der Philippinen und Geschäftsleute des Inselstaates unterhalten umfassende Beziehungen in die USA. Das erklärt auch, warum auf die Forderung Dutertes nach einem Abzug der US-Truppen aus dem Süden des Landes keine Maßnahmen von Seiten der philippinischen Regierung ergriffen worden sind und auch die USA derartige Äußerungen bisher nicht sonderlich interessierten. Von den umfassenden Militärmanövern und Kooperationsabkommen zwischen den beiden Ländern will Duterte nicht einmal sprechen.
Verbindungen nach Europa
In Deutschland und der EU verhält es sich ähnlich. Das EU-Parlament verurteilte zwar mittlerweile das Vorgehen der Regierung in Sachen Drogenbekämpfung und möchte daher eine Delegation entsenden, die Bundesregierung hüllte sich bisher jedoch in Schweigen. Auch das nicht ohne Grund, denn seit Ende 2015 laufen zwischen der EU und den Philippinen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Mit über 100-Millionen Einwohnern befinden sich die Philippinen weltweit auf Platz zwölf der bevölkerungsreichsten Länder und bieten damit einen großen Absatzmarkt für diverse Produkte. Vor seinem Wahlsieg kündigte Duterte außerdem eine Steuerreform und die Vereinfachung von Direktinvestitionen an.
Duterte gibt sich also volksnah und so stehen auch über 90 Prozent der Bevölkerung hinter dem Präsidenten. Doch seine Politik spricht eine andere Sprache: von sozialem Kahlschlag, der politischen Rehabilitierung eines reaktionären Regimes und eines tendenziellen Abbaus bürgerlich demokratischer Rechte.
Worin in diesem Zusammenhang die Hauptsorgen von Banken und Konzernen bestehen, erklärt Günter Taus, Chef der Europäischen Handelskammer: „Wir sehen sehr, sehr viel Zurückhaltung bei neuen Investoren. Die Firmen warten alle derzeit erst einmal ab“. Bodo Goerlich von der deutschen Außenhandelskammer in Manila teilt die Sorgen. Denn die Menschenrechtsverletzungen könnten auch die Gespräche um ein Freihandelsabkommen zwischen den Philippinen und der EU gefährden.
Leo, München