Der offene Brief an Kevin Kühnert (POSITION #05/19)

veröffentlicht am: 4 Nov, 2019

Lieber Kevin Kühnert,

seit 2017 bist du nunmehr Vorsitzender der Jusos in der SPD. Du wirst oft als rotes Fähnchen der Sozialdemokratie dargestellt und bist für viele ein Hoffnungsträger für eine zukünftige Linkswende in der Partei. Laut eigenen Angaben hast du mit deiner NoGroKo-Kampagne rund 25.000 Neumitglieder in die SPD gelockt, die dann gegen die Fortführung einer Großen Koalition stimmen sollten.

Leider blieb Alles beim Alten und auch du hast auf einmal statt Simone Lange, zumindest eine GroKo- und Hartz-IV-Kritikerin, Andrea Nahles unterstützt, die sich offen für die Große Koalition ausgesprochen hat. Dann folgte deine grundsätzlich begrüßenswerte, aber leider inkonsequent und halbherzig angestoßene Enteignungsdebatte, bei der du auf der einen Seite gefordert hast, dass jeder nur so viel Wohnraum besitzen dürfe, wie er auch bewohnt, auf der anderen Seite aber nicht ehrlich genug warst anzuerkennen, dass es schon einige Staaten gab und gibt, in denen die Wohnungen, die Automobilkonzerne, die wirtschaftliche Planung und Produktion in den Händen der gesamten Gesellschaft lag und liegt. Geschenkt, damit hättest du dich karrieremäßig vermutlich zu sehr ins Abseits geschossen.

Jetzt bist du schon wieder in den Schlagzeilen, diesmal, weil du zur Anfeuerung des Wahlkampfs um die nächsten Parteivorsitzenden der SPD Positionsfragen an Juso-Funktionäre rausgegeben hast, um vermeintlich linke Kandidaten zu pushen. Fragen wie „Ist die schwarze Null haltbar?“ sind mittlerweile scheinbar das, was die Grenzen des Möglichen in der SPD markieren. Gleichzeitig äußerst du Sympathien für das Duo Saskia Esken (Mitglied des pro-EU-Propagandavereins „Europa-Union Deutschland“) und Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (seinerzeit Vertreter NRWs in den Aufsichtsräten von „NRW-Bank“, „Ruhrkohle AG“ und der „Portigon AG“, einem spaßigen Finanzdienstleistungsverein).

Jetzt mal Realtalk: Deine Funktion in der SPD ist, ob bewusst oder nicht, ein linkes Aushängeschild zu sein, damit die paar verbliebenen Sozialdemokraten und ihre Wählerschaft nicht ganz die Hoffnung in eine seit mehr als 100 Jahren die Arbeiterklasse verratende und nun dahinsiechende Partei verlieren. Vielleicht hoffst du perspektivisch auf ein paar Pöstchen, um ebenso gut bezahlt über die Runden zu kommen wie deine Vorgänger-linken-Aushängeschilder Nahles, Gabriel und Co. Solltest du aber ernst meinen, was du über Enteignungen und Kollektivierung, über demokratische Wirtschaftskontrolle und Sozialismus gesagt hast, dann lock nicht noch mehr linkspolitisch engagierte Jugendliche in die SPD, nur damit sie in ein paar Jahren resigniert und enttäuscht überhaupt keine Politik mehr machen oder im wilden Karrierismussumpf der deutschen Sozialdemokratie untergehen. Wenn du es wirklich ernst meinst, dann zieh aus den letzten Jahren auch mal deine Lehren, sei konsequent und trete endlich aus dem Verein aus.

Max, Solingen & das Zeitungskollektiv

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #5/2019
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