Bundesweit gibt es Kontaktverbote und Ausgangssperren. Das öffentliche Leben liegt weitgehend still. Trotzdem hält die Kultusministerkonferenz an der Durchführung der Abschlussprüfungen fest. Das widerspricht den Interessen von LehrerInnen und Schülerschaft, GEW, Schülervertretungsgremien und Einzelpersonen wenden sich mit Presseerklärungen, Protestschreiben und Petitionen dagegen.
Zum einen stellt es eine Gesundheitsgefahr für alle Beteiligten da und zum anderen verschärft es den ohnehin hohen Leistungsdruck. Auch SchülerInnen leiden darunter, wenn Einkommen und Beschäftigung der Eltern bedroht sind und vielerorts müssen auch SchülerInnen bei der Kinderbetreuung jüngerer Geschwister einspringen, wenn die Eltern im Home-Office und Kitas zu sind. Mehrere Wochen Unterricht sind wegen Corona ausgefallen. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ich ein paar Wochen mehr oder weniger Unterricht zur Vorbereitung der Prüfungen in Austausch mit Mitschülern und mit Betreuung durch Lehrkräfte habe. So kommt es noch stärker, als ohnehin, auf die Bedingungen Zuhause an: Habe ich einen eigenen Laptop und gescheite Lernatmosphäre (ein eigenes Zimmer?) Zuhause für Homeschooling? Können meine Eltern mich beim Lernen unterstützen und mir Zugänge zu teuren Lernplattformen kaufen oder muss ich nebenbei noch ein Vollzeitbetreuung meiner Geschwister gewährleisten? In dieser Situation sollte das Abitur nicht einfach durchgezogen werden.
Unter Kritiker kursieren Alternativvorschläge, die die Errechnung einer Durchschnittsnote aus den Leistungen der letzten Jahre vorschlagen. Wer damit nicht zufrieden ist, kann zu einem späteren Zeitpunkt durch eine mündliche Prüfung seine Note aufbessern. Diesen Vorschlag befürworten wir.
Allerdings sollten wir dieses System prinzipiell infrage stellen, welches Chancen auf mehr oder weniger beschissene Arbeitsplätze von Prüfungen abhängig macht, die nur mit Bulimie-Lernen funktionieren. Wem nützt das? Nur den Unternehmern. Sie enthalten uns gute, gesicherte Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vor. Deswegen haben wir Angst vor einem schlechten Abschluss. Sie sortieren uns nach Noten aus. Sie haben ein Interesse daran, dass wir durch die Schule diszipliniert werden und nur das Lernen, was wir für den Arbeitsmarkt und damit die Vermehrung der Profite der Unternehmen brauchen.
Wir als SDAJ formulieren in unserem Zukunftspapier einen anderen Anspruch an Bildung: „Bildung sollte uns dazu befähigen, uns unserer Lage bewusst zu werden, die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisch zu hinterfragen und entsprechend unserer Interessen zu handeln. Dazu gehört die theoretische und praktische Vermittlung des aktuellen Wissens- und Entwicklungsstandes der Gesellschaft. Erst das bildet die Basis für gesellschaftlichen Fortschritt. Dafür muss ein lebenslanger Lernprozess ermöglicht werden, so dass jeder Mensch jederzeit die Möglichkeit hat, seine Fähigkeit und Interessen in alle Richtungen weiter zu entwickeln. Dabei ist Lernen kein einseitiger Prozess, in dem einige Wenige allen Anderen Wissen eintrichtern.“