– Im Gespräch mit dem Internet-Experten Timo Daum –
POSITION: Kann von einer neu gewonnenen Freiheit im Internet gesprochen werden und wenn ja, welchen Preis zahlen wir dafür?
Timo: Das Internet ist eine bahnbrechende Technologie, die heute nicht mehr wegzudenken ist. Es ist ein wichtiger Teil im Leben des modernen Menschen und in seiner Bedeutung vergleichbar z.B. mit der der Erfindung der Eisenbahn. Genau wie diese eröffnet das Internet neue Möglichkeiten, bspw. kann jede/r eine eigene Webseite einrichten und sehr viele Menschen erreichen, ohne einen Druckbetrieb oder ähnliches zu benötigen. Hinzu kommt, dass die Nutzung des Internets nahezu kostenlos ist. Auf der anderen Seite herrschen im Internet Machtverhältnisse. Um Facebook & Co zu nutzen, müssen wir deren Regeln zustimmen. Scheinbar kostenlos, bezahlen wir mit unseren Daten, der Einstimmung, uns deren Werbung auszusetzen, uns beobachten zu lassen. Der Überwachsungsaspekt ist tief verwurzelt im Geschäftsmodell der großen IT-Konzerne.
Wie ändert sich unsere Wahrnehmung durch die Kommunikation im Internet, welche Realität wird uns dort vermittelt?
Timo: Zunächst einmal hat der Kommunikationskanal immer Rückwirkung auf den Kommunizierenden. Mit der Art zu kommunizieren verändern auch wir uns. So hat es z.B. einen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und die Art, wie und was wir kommunizieren, wenn auf Twitter alle Inhalte in 140 Zeichen gepackt werden müssen. Auch gehört dazu der Effekt, dass es weniger darauf ankommt, sich Dinge zu merken als zu wissen, wie man sucht. Diese Entwicklungen sollten vor allem Gegenstand öffentlicher Debatte sein. Dass das Internet eine andere Realität, eine Art „zweite Welt“ ist, würde ich nicht sagen. Ich denke, dass es weniger eine andere Realität ist als eine Erweiterung der Realwelt. Letztlich begegnen uns Teilrealitäten in der realen Welt, wenn wir auf die Straße, in die Bar oder zur Arbeit gehen, genauso wie das in der digitalen Welt der Fall ist. Die Tauschprozesse, die kapitalistischen Machtverhältnisse, welche unsere Beziehungen in der realen Welt bestimmen, herrschen ebenso im Internet.
Wie sollte der Umgang mit dem Internet aussehen, z.B. mit unseren personenbezogenen Daten?
Timo: Zunächst einmal geht es darum, die Mechanismen des heutigen Internets, die dort bestehenden Machtverhältnisse zu verstehen. Die Lösung liegt weniger darin, bestimmte Dienste, wie z.B. Facebook nicht zu verwenden. Das ist letztlich eine individuelle Konsumentenentscheidung, die an dem System an sich nichts ändert. Nötig ist eine gesellschaftliche Sichtweise. Die Plattformökonomie hat inzwischen alle Bereiche des Internets durchdrungen und eine Abkapselung hiervon ist im Grunde genauso wenig möglich wie für ArbeiterInnen, sich nicht mehr ausbeuten zu lassen. Sicher sollten Wahlmöglichkeiten genutzt werden, wenn es um Datensicherheit geht, bspw. Signal statt WhatsApp benutzt werden, aber hierbei stößt man schnell an systemische Grenzen. Ziel sollte es sein, die Wichtigkeit unserer Daten als Produktivkraft zu realisieren und damit die Notwendigkeit, sie zu vergesellschaften.
Das Interview führte Daniel, Trier