Schore für die Welt
Als sich Mitte des 19. Jahrhunderts das chinesische Reich weigerte, freien Handel mit den westlichen Großmächten zu betreiben, beschlossen Großbritannien (und später Frankreich) sich auf eine andere Weise Zugang zu dem für sie wertvollen Markt zu erschließen: Mit Drogen. Das Kaiserreich wurde mit Opium überflutet, Millionen von Menschen in die Abhängigkeit getrieben und die Wirtschaft dadurch zersetzt. Schließlich wurde der Mohn, aus dem Opium gewonnen wird, als Auslöser zweier brutaler Kriege genutzt, um China einen Handel aufzuzwingen, den sie nicht wollten. Die noch heute sechstgrößte Bank der Welt und dutzende Firmen in Hong Kong würden heute nicht ohne den Drogenhandel existieren. In der französischen Kolonie in Vietnam wurden sogar staatliche Opium-Labore, sogenannte „Opium-Verwaltungen“, gebaut. Dies war das erste Mal in der Geschichte der kapitalistischen Produktionsweise, dass Rauschmittel dazu verwendet wurden, um imperialistische Interessen durchzusetzen und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Entweder durch direkten Handel oder durch enge Beziehungen zu der Mafia, Triaden oder anderen Drogen-Kartellen. Als beispielsweise 1921 die Kommunistische Partei Chinas gegründet wurde und in Shanghai Streiks und Proteste organisierte, paktierten die Franzosen in der sogenannten französischen Konzession (einem Stadtteil von Shanghai unter französischer Kontrolle) mit den örtlichen Triaden. Sie sollten die Kontrolle über alle Opium-Höhlen des Bezirkes, der Polizei und Politik erhalten, wenn sie im Gegenzug kommunistische AufwieglerInnen töten, Streiks unterbänden und für Ordnung sorgten. Hunderte ArbeiterInnen wurden deshalb brutal ermordet. Auch die sizilianische Mafia wurde während des zweiten Weltkrieges von den Amerikanern mit Narrenfreiheit, Macht und finanzieller Unterstützung ausgestattet, weil man die Kontrolle über Sizilien nicht den starken kommunistischen Partisanengruppen überlassen wollte. Anstatt also den Widerstand gegen den italienischen Faschismus zu unterstützen, förderten die USA die Mafia.
Schon bald wurde die Zusammenarbeit mit Drogen-Kartellen, die finanzielle Unterstützung des Opium-Schmuggels oder der Schmuggel selbst ein bewährtes Mittel der westlichen Geheimdienste, um die herrschenden Interessen durchzusetzen. So zum Beispiel während des Ersten Indochinakriegs, als die sozialistische Việt Minh um 1950 einen Guerillakrieg gegen die französische Kolonialmacht führte. Mit der „Operation X“ finanzierte sich der französische Geheimdienst eine 40.000 Mann starke Anti-Guerilla-Armee, indem er sämtliches Opium aus der Region aufkaufte, zu Heroin verarbeiten ließ und es an vietnamesische Drogen-Kartelle verkaufte.
Und auch an anderer Stelle wurden die Rauschmittel während des Kalten Krieges verwendet. Als die Sowjetunion in den 80er Jahren die fortschrittliche Regierung Afghanistans militärisch unterstützte, wurden die Großgrundbesitzer, „Rebellen“ und die Taliban durch die CIA mit Mohn-Samen und Geldmitteln unterstützt, um den bewaffneten Kampf gegen die Regierung zu finanzieren. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es kaum oder gar keine Mohnfelder in Afghanistan, heute werden dort 80% des gesamten Heroins (weltweit?) produziert. Das Opium macht ein Drittel des gesamten Wirtschaftsaufkommens Afghanistans aus.
Opium für die Massen
Doch nicht nur um außenpolitische Interessen durchzusetzen, ist der Drogen-Markt aus Sicht der Kapitalisten förderlich. Auch im Kampf gegen die eigene Bevölkerung fanden und finden Drogen immer wieder ihren Einsatz. So zum Beispiel während der Anti-Vietnamkrieg-Proteste in den USA oder um gegen die unliebsame schwarze Bevölkerung vorzugehen. Einer der engsten Berater des US-Präsidenten Nixon, John Ehrlichman, hat es einmal sehr treffend beschrieben: „Die Nixon Kampagne […] hat zwei Feinde: Die Antikriegs-Linke und schwarze Menschen. […] Wir können schlecht gegen sie vorgehen, weil sie gegen den Krieg oder schwarz sind. Aber wenn wir es schaffen, dass die Öffentlichkeit mit Hippies und Schwarzen Marihuana und Heroin verbinden und wir dann beides schwer kriminalisieren, dann können wir diese Gruppe zerschlagen.“
Diese Aussage deckt sich gut mit dem Programm der CIA, die gut zehn Jahre später nachweislich in eine Überschwemmung von Los Angeles mit Crack involviert war. Nicaraguanische Konterrevolutionäre haben mit dem Crack-Handel ihren Krieg gegen den anti-imperialistisch regierten Staat finanziert und, weil das Crack dann in den USA vor allem Ghettos mit hohem PoC-Anteil verteilt wurde, profitierten die USA mit Spaltung, Kriminalisierung und Destabilisierung der Black Panther Proteste.
Zwar schon etwas früher, aber aus ähnlichen Gründen, setzte die US-Regierung auf den sogenannten „War on Drugs“ – den Krieg gegen die Drogen. Nur mit einer harten Drogen-Politik könnten gemäß der US-Machthabenden politische GegnerInnen bekämpft und Gründe für Auslandsinterventionen geschaffen werden. Ein Beispiel für eine solche Intervention ist Kolumbien, das aufgrund seiner besonderen Lage (weitläufige, undurchdringbare Dschungel-Flächen, schlechte polizeiliche Infrastruktur, fruchtbarer Boden) perfekt dazu geeignet ist, Kokain zu produzieren. Als die USA die kolumbianische Regierung zu einem Auslieferungsabkommen kolumbianischer Drogenbosse zwingen wollte, übernahmen diese zunehmend auch die Macht im kolumbianischen Parlament, korrumpierten die Polizei und bauten ihren Einfluss aus. So zum Beispiel auch Pablo Escobar, der zum Abgeordneten wurde. Dies war eine gute Gelegenheit für die USA, Druck auf Kolumbien auszuüben, um ihre imperialistischen Interessen, also letztlich die ihrer Banken und Konzerne, in Lateinamerika durchzusetzen. Vor allem mit Blick auf die Bekämpfung der seit Ende der 1960er in Kolumbien erstarkenden marxistischen Guerillabewegung FARC, die drohte, das Kräfteverhältnis zu verschieben, kam ihnen der Drogenkrieg sehr gelegen. Zwar war die FARC aufgrund der besonderen ökonomischen Rolle, die Koka in Kolumbien einnimmt, selbst gezwungen mit Drogen zu handeln, doch dass es der USA nicht ernsthaft um den Kampf gegen die Drogen ging zeigte die offizielle Unterstützung der faschistischen Paramilitärs AUC während des Konflikts, die sich später mit der kolumbianischen Regierung verbündeten und Mitte der 2000er etwa ein Drittel aller Abgeordneten stellten.
Die Geschichte zeigt also, dass Rauschmittel mehr sind als ein vermeintlich moralisch-verwerfliches Konsumgut oder ein milliardenschwerer Markt. Drogen wurden und werden immer wieder von imperialistischen Kräften, allen voran den USA, als Waffe zur Unterdrückung und Spaltung der arbeitenden Bevölkerung und fortschrittlicher Kräfte eingesetzt. Ihr angeblicher „War on drugs“ richtet sich nie wirklich gegen Drogen, sondern ist letztlich nichts anderes als Klassenkampf – Krieg gegen die unterdrückten Klassen.
Domi, Neumarkt
Dieser Artikel erscheint in der aktuellen Ausgabe der Position, dem Magazin der SDAJ.