Falscher Frieden – Zu den jüngsten Entwicklungen in Nahost

veröffentlicht am: 29 Nov, 2020

Im September unterzeichneten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Israel im Weißen Haus eine Reihe an Abkommen, die neben der Normalisierung diplomatischer Beziehungen auch neue Möglichkeiten zur politischen und wirtschaftlichen Kooperation schaffen. Die US-Regierung – unter deren Vermittlung besagte Deals zustande kamen – feiert sich selbst als großer Friedensstifter. Dabei bestätigt die so öffentlich zur Schau getragene Übereinkunft letztlich nur eine bereits bestehende politische Realität.

Gemeinsam gegen den Iran

Nachdem Jordanien und Ägypten schon seit langem offizielle Kontakte zu Israel unterhalten, bemüht sich seit einiger Zeit eine ganze Reihe anderer arabischer Staaten ebenfalls darum, die Beziehungen zum einst isolierten Nachbarn auszubauen. Angeführt wird dieses Sammelsurium aus reaktionären Golfmonarchien, schrillen Militärdiktatoren und pragmatischen Islamisten von Saudi-Arabien und in Teilen auch den VAE. All diesen Staaten ist gemein, dass ihnen sowohl revolutionäre Unruhen, türkische Großmachtbestrebungen sowie der iranische Einfluss in der Region zuwider sind. Im letzteren Fall gibt es eine tieferliegende Überschneidung von Interessen mit Israel und den USA. Seit Jahren zielen daher beide Seiten darauf ab, Möglichkeiten für eine Allianz zu schaffen, um gezielt gegen den Iran vorgehen zu können. Die öffentlich als Friedensinitiative inszenierten diplomatischen Akte sind kein Frieden zwischen den Völkern, sondern eine Verständigung zwischen den Herrschenden, um sich auf neue Kriege vorzubereiten. Die großen Verlierer in diesem Zusammenhang sind erneut die PalästinenserInnen. Nicht nur waren sie in keinster Weise politisch in den Prozess eingebunden, auch konkrete Lösungsansätze oder Perspektiven, die auf die Gleichstellung in Israel oder auf das Ende der Besatzung und die Aussicht auf einen eigenen Staat abzielen, sucht man vergeblich in den jüngst beschlossenen Vereinbarungen. Stattdessen steht immer noch der vergangenen Sommer durch die Trump-Regierung vorgelegte „Friedensplan“ im Raum, der jedoch in seiner Gänze einer bedingungslosen Kapitulation gleichkommt und nicht im Ansatz das Recht auf wirkliche Selbstbestimmung beinhaltet.

Legitimation der israelischen Besatzung

Indirekt wird mithilfe der getroffenen Abkommen die israelische Politik gegenüber den PalästinenserInnen gestärkt. Während Israel früher noch internationalen Druck und sogar Kritik aus den Reihen der eigenen Verbündeten fürchten musste, steht der Staat aktuell diplomatisch so gut da wie wahrscheinlich noch nie. Rechte Hardliner in Israel sehen sich vor dem Hintergrund außenpolitischer Erfolge umso mehr bestätigt, weitere Annexionen voranzutreiben und die Besatzung bis hin zu großangelegten Vertreibungen zu verschärfen. Ein Frieden im Sinne der Zweistaatenlösung scheint damit auf längere Sicht unmöglich.

In der Vergangenheit nutzten arabische Regime die PalästinenserInnen noch gerne als außenpolitisches Druckmittel oder um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Echte Hilfe oder Unterstützung gab es historisch gesehen jedenfalls kaum. Heute taugen sie den Herrschenden der Region nicht mal mehr zur Instrumentalisierung. Es wurde abermals deutlich, dass die Befreiung von der Besatzung und die Erlangung politischer Souveränität nur das eigene Werk sein kann und auf arabische Reaktionäre dabei kein Verlass ist. Diese Einsicht spürt man derzeit auch auf den Straßen im Westjordanland und überall dort, wo aktuell Tausende PalästinenserInnen gegen eben jene Abkommen lautstark protestieren.

Leo, München

Dieser Artikel erschien in der aktuellen Position, dem Magazin der SDAJ.

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