Deutschland hatte 16 Jahre eine Kanzlerin und eine „Verteidigungs“ministerin. Die EU hat eine Kommissionspräsidentin. Frauenlohngruppen gehören der Vergangenheit an. Schwangerschaftsabbrüche sind, wenn auch nicht legal, so doch zumindest straffrei zugänglich und zum Frauentag gibt es nicht nur so viele Specials im Supermarkt, wie sonst nur am Valentinstag, sondern ist in Berlin und nach dem Willen der neuen Rot-Roten Regierung bald auch in Meckelnburg-Vorpommern, gesetzlicher Feiertag. Glatt könnte der Eindruck entstehen, wir seien ganz schön weit gekommen, im Kampf um die Rechte der Frau, um ein befreites Leben, um Brot und Rosen eben. Leider ist dieser Eindruck falsch. Während an der Tür von Edeka, neben der flatternden Diversitätsregenbogenfahne, für die tollen Angebote zum Frauentag geworben wird, sitzt an der Kasse die personifizierte Armut. Und die ist meistens weiblich. Karge 1.770 Euro Brutto verdient sie in Vollzeit, gewünscht und viel lieber eingestellt, werden aber meistens Teilzeitkräfte.
Nach Steuern und Großstadtmieten, bleibt da kaum was zum Leben übrig, auch der Frauentagsgruß vom Konkurrenten Rewe (Blumenstrauß plus Kirschblütensecco ab 23,99 Euro) ist davon nicht zu bezahlen. Die Altersarmut ist in der Bezahlung von sogenannten „frauentypischen“ Berufen schon angelegt, da hilft auch die Abschaffung von Frauenlohngruppen nichts. Wenn dann noch Elternzeitjahre oder eine dauerhafte Teilzeittätigkeit dazukommen, sind Frauen im Alter endgültig in der Armut gefangen.
Rollback durch die Konterrevolution
Seitdem vor 30 Jahren die Konterrevolution gesiegt hat, hat sich die ökonomische Lage der Arbeiterklasse konstant verschlechtert und mit der Erpressungsmaschinerie namens Hartz IV, haben SPD und Grüne dafür gesorgt, dass das auch so bleibt. Damit wir das nicht so merken, greifen die Herrschenden in diesem Land zu genauso hässlichen, wie einfachen Tricks. Neben Rassismus, ist einer der Beliebtesten, das Schlechtmachen von Alternativen. Damit die Ausgebeuteten in diesem Land der Ansicht bleiben, die Gesellschaft, wie sie hier ist, ist das Happy End der Geschichte, muss vergessen werden, dass es 40 Jahre lang ein Deutschland gab, in dem Frauenrechte in der Verfassung standen, in dem Kinderbetreuung nicht nur kostenlos, sondern für alle zugänglich und pädagogisch sinnvoll war, in dem es das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ohne Zwangsberatung gab, in dem Frauen gleichberechtigt am Erwerbsleben teilgenommen haben und die Reproduktionsarbeit nicht nur geteilt, sondern staatlich organisiert wurde. Also installiert man Ost- und Stasi-Beauftragte und die Medien überfluten uns mit als Wahrheit getarnten Lügen über die DDR. Darin wird dann nicht nur von Diktatur und Stasi-Verbrechen gefaselt, sondern auch Frauen weisgemacht, dass ihresgleichen zum Arbeiten gezwungen wurde. Dabei wären doch alle viel lieber mit ihren Kindern zu Hause geblieben. Für immer. Der andere Trick, zu dem die Herrschenden greifen, um uns glauben zu machen, wir lebten in der besten aller möglichen Welten, ist die Pseudogleichberechtigung. Wenn das Land von einer Frau regiert wird, in Aufsichtsräten Frauen per Quote zu ihrem Recht kommen, Feminismus ein Dauerthema in den Feuilletons ist und selbst die CDU darüber diskutiert, dass eine Quote für Vorstände sinnvoll sein kann, dann ist doch alles im Lot in Sachen Gleichberechtigung, oder? Spoiler: Ist es nicht.
Weibliche Ausbeuter bleiben Ausbeuter
Um den Quatsch mal direkt loszuwerden: Kann uns doch egal sein, was die herrschende Klasse mit ihren Frauen macht. Frauen in kapitalistischen Herrschaftspositionen verhindern keinen Krieg, verbessern kein Gesundheitssystem und bescheren der Kassiererin keinen Cent mehr zu ihrem mageren Lohn. Im Gegenteil, möchte man mit Blick auf Margaret Thatcher, Ursula von der Leyen und Annalena Baerbock hinzufügen. Aber was ist mit dem Feminismus von Alphamädchen bis zur gruseligen Alice Schwarzer? Könnte hilfreich sein, ist es aber nicht. Heute ist Feminismus etwas, womit Firmen ihre Webseiten und Männer wie Frauen ihre Instagram-Accounts schmücken, an den bestehenden Verhältnissen ändert dies aber nichts. Solange die Rechtsentwicklung in diesem Land und weltweit den Sexismus von Herrenwitzen bis „Lebensschutz“ nach oben spült, haben wir mit bürgerlichen Feministinnen zwar eine ganze Menge gemeinsamer Forderungen – unser grundsätzliches Ziel bleibt ein anderes.Während die bürgerliche Frauenbewegung sich darauf verlässt, dass Proteste, so sie denn lautstark, andauernd und zahlreich genug sind, sowohl die Gesetzeslage als auch den Chauvinismus im Land ändern werden, ist uns klar, dass nicht nur das Geschlechterverhältnis die Unterdrückung der Frau bestimmt, sondern vor allem das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Die Analyse Clara Zetkins ist noch genauso goldrichtig wie vor 100 Jahren: „Im Proletariat ist es das Ausbeutungsbedürfnis des Kapitals, das die Frau zur Erwerbsarbeit zwingt und die Familie zerstört. Durch ihre Erwerbsarbeit wird die proletarische Frau dem Manne ihrer Klasse wirtschaftlich gleichgestellt. Aber diese Gleichstellung bedeutet, dass sie, wie der Proletarier, nur härter als er, vom Kapitalisten ausgebeutet wird. Der Emanzipationskampf der Proletarierinnen ist deshalb nicht ein Kampf gegen die Männer der eigenen Klasse, sondern ein Kampf im Verein mit den Männern ihrer Klasse gegen die Kapitalistenklasse.“
Spaltungsinstrument Sexismus
Das Ausspielen der Geschlechter gegeneinander hat denselben Grund – und denselben Effekt, wenn es erfolgreich ist – wie das Ausspielen von deutschen gegen migrantische ArbeiterInnen: Der gemeinsame Kampf soll erschwert, wenn nicht sogar verhindert werden, das Kapital ist der lachende Dritte. Denn solange wir nicht gemeinsam mit den Männern unserer Klasse gegen die Ausbeuter kämpfen, werden wir uns die Zähne ausbeißen an Themen wie gerechter Bezahlung, verdienen wir doch immer noch 18 Prozent weniger als Männer und arbeiten damit 69 Tage im Jahr faktisch ohne Entlohnung. Um diesen gemeinsamen Kampf der ausgebeuteten Klasse zu verhindern nutzt das Kapital jede Möglichkeit. Und eine davon ist, so lange in ihre Zeitungen zu schreiben, dass man sich der Problemen von Emanzipation und Gleichberechtigung bewusst ist und daran arbeitet, bis wir es glauben. Die Offizierinnen und Unteroffizierinnen des Kapitals, ob sie jetzt Angela Merkel oder Alice Schwarzer heißen, sind unsere Klassengegnerinnen. Sie stehen auf der anderen Seite der Barrikade, auch wenn sie noch so viel mit Gleichberechtigung winken.
Wenn die wahren Probleme der Gleichberechtigung – Care-Arbeit, Sexismus, Frauenfeindlichkeit und weibliche Armut – von Gendersternchen und Co. nur zugedeckt werden, hilft das der Befreiung der Frau aus der doppelten Ausbeutung im Kapitalismus nicht weiter. Es war richtig, dass die Textilarbeiterinnen, die 1912 in Lawrence für mehr Lohn und gegen Kinderarbeit streikten, zum Brot auch die Rosen dazu forderten. Nur – ohne Brot nützen die Rosen nichts. Von den Rosen sind wir hierzulande also noch weit entfernt. Gerade auch, weil man zu unserem internationalen Kampftag Kirschblütensecco mit „einem lieben Gruß zum Frauentag“ kaufen kann.