Knapp hundert linke Gewerkschaftsaktivisten nahmen am 8. und 9. Oktober an der Strategiekonferenz der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG) in Frankfurt am Main teil. Themen waren unter anderem der Kampf gegen Reallohnabbau und Inflation sowie laufende und kommende Tarifauseinandersetzungen.
Eingeführt wurde das Wochenende mit Referaten zur politischen Lage während der Corona-Pandemie und zur aktuellen Wirtschaftskrise. So wurde unter anderem Kritik an den Gewerkschaftsvorständen geübt, die sich auf sozialpartnerschaftliche Kompromisse eingelassen hatten. In Tarifauseinandersetzungen hätten sie sich mit Reallohnverlusten abgefunden sowie lange Laufzeiten und Einmalzahlungen vereinbart, was als Einknicken gewertet wurde. Die Gewerkschaftsvorstände seien in das kapitalistische System integriert und setzten deren Politik nichts entgegen. Gleichzeitig gäbe es in der Arbeiterklasse Protestpotential. Der Großteil der Beschäftigten leide an den enorm steigenden Preisen, jedoch haben es die Gewerkschaften und fortschrittliche Kräfte bisher nicht geschafft, massenhaften Protest auf die Straße zu bringen.
Gegen diese Preistreiberei!!
Eine Kritik, die mehrmals aufgekommen ist: Die Gewerkschaften unterstützten die Wirtschaftssanktionen gegen Russland durch die Bundesregierung, beziehungsweise setzten ihnen nichts entgegen. In der Arbeiterklasse und in einigen Ländern in der EU werde erkannt, dass Wirtschaftssanktionen keinen Krieg beendeten – das hätten sie noch nie getan. Wir sind es – die Lohnabhängigen in Deutschland, in Russland und überall –, die darunter leiden. Und wir seien es auch, die für den Wirtschaftskrieg und die Krise des Systems zahlen müssten. Die Gewerkschaften hätten die Aufgabe, sich dagegen zu wehren und Widerstand zu organisieren. Ein Einstehen für Friedensverhandlungen ist notwendig. Die Diskussion um die Frage, wie der Kampf gegen Reallohnabbau und Inflation zu gewinnen sei, wurde anhand des Tarifkampfes am Hamburger Hafen, der aktuellen Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie, sowie am Beispiel der im kommenden Frühjahr startenden Tarifrunde im Öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen) diskutiert. Zwar werde erkannt, dass gute Tarifverträge die Arbeiterklasse gegen Reallohnabbau schützen könnten, jedoch sind dies nur Abwehrkämpfe. Die Forderungen seien meist zu niedrig, wie in der Metall- und Elektroindustrie mit acht Prozent (die Höhe der Tarifforderung für den öffentlichen Dienst wurde erst nach der Konferenz beschlossen). Auch fehle eine gleitende Inflationsskala in den Forderungen.
Aber warum ist das so?
Demokratie einfordern In der Diskussion waren sich fast alle Beteiligten einig, dass das undemokratische Vorgehen der „Gewerkschaftsbürokratie“ die kämpferische Basis hemmt. Der hauptamtliche Apparat, aber auch ehrenamtliche Mitglieder von Tarifkommissionen seien nicht abwählbar. Auch dann nicht, wenn sie die Forderungen aus den Betrieben nicht unterstützten. Gefordert wurde die Demokratisierung gewerkschaftlicher Strukturen. In einigen Fällen ging jedoch die Kritik so weit, dass die Sinnhaftigkeit von Gewerkschaften generell in Frage gestellt wurde- hier schien es so, als ob die Kritik an den bestehenden Strukturen als Ausrede für ein Ohnmachtsgefühl sowie fehlschlagende gewerkschaftliche Arbeit in den Betrieben herhalten muss. Wir wissen natürlich: Bürokratie und Sozialpartnerschaft ändern nichts daran, dass die Gewerkschaften zu den wichtigsten Massenorganisationen und Bündnispartnern der Arbeiterklasse gehören – sie sind wichtige Errungenschaften der Arbeiterbewegung! Beispiele wie der Kampf um Entlastung an den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass auch dann, wenn unserem Kampf Hindernisse in den Weg gestellt werden, wir uns nicht darauf ausruhen dürfen. Anhand des Beispiels der Beschäftigten der Uniklinik in Essen wurde aufgezeigt, was dabei möglich ist. Dass der Kampf um Entlastung mit wochenlangen Streiks geführt werden konnte, musste innerhalb der ver.di-Strukturen erst einmal gegen Widerstände durchgesetzt werden. In den laufenden und anstehenden Tarifauseinandersetzungen sind wir es, die demokratische Strukturen einfordern und für starke Forderungen einstehen müssen. Es liegt an uns – den gewerkschaftlich Aktiven, Vertrauensleuten, Betriebsräten – die KollegInnen in unseren Betrieben mit in den Kampf einzubeziehen, mit ihnen betriebliche Aktionen durchzuführen und sie bei Streiks auf die Straße zu bringen. Wir müssen ihnen aufzeigen, welche Widersprüche der Kapitalismus in sich trägt und warum wir dagegen kämpfen müssen.