Immer wieder werden Berichte über die rechte Öko-Sekte „Anastasia“ veröffentlicht, die sich in ländlichen Regionen zusammenrottet, um aus dem gesellschaftlichen Alltag auszusteigen. Die esoterische Gemeinschaft fühlt sich dort wohl, wo sie kaum jemand sieht. Deswegen kaufen ihre Anhänger Grundstücke in Brandenburg und Sachsen auf. Nah am Wald bestellen Frauen in langen Röcken das Feld, dort geht es zurück in die Vergangenheit. Was als „natürlich“ angepriesen wird, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Blut-und-Boden-Ideologie im alten, neuen Gewand.
Dass rechte Aktivisten versuchen in ländlichen Regionen ihre Zelte aufzuschlagen, ist kein neues Phänomen. Verschiedene selbsternannte „Königreich Deutschland“s aus dem sogenannten „Reichsbürger“-Milieu bauen sich eine scheinbare Realität mit pseudostaatlicher Ordnung auf.
Alter Scheiß neu verpackt
Ab den 1990er-Jahren haben Faschisten sich mit ihren völkischen Kameraden in verschiedenen Regionen auf dem Land niedergelassen. Das kleine Örtchen Jamel in Mecklenburg-Vorpommern fand traurige Berühmtheit, schließlich hat der NPD-Politiker Sven Krüger seinen Geburtsort fest in der Hand und sitzt mit fast zehn Prozent im Rat der übergeordneten Gemeinde Gägelow. Die NPD ist immerhin die traditionsreichste Faschisten-Partei in Deutschland, sozusagen das Original des AfD-Flügels um Höcke.
Ähnliche Versuche, Dörfer oder Viertel durch gezielten Zuzug von Gesinnungskameraden zu kontrollieren, lassen sich seit langer Zeit in Sonneberg in Chemnitz oder in Dorstfeld in Dortmund beobachten. So wundert es auch nicht, dass sich Faschisten in diesen Regionen frei bewegen können und sogar Proteste für sich instrumentalisieren können. Gerade dort versuchten Nazis verschiedener Organisationen im letzten Herbst die Sozialproteste gegen die Wirtschaftssanktionen und hohen Energiepreise für sich zu instrumentalisieren.
Unterwanderungsversuche
Faschisten mischen sich gezielt mit anschlussfähigen Parolen unter demokratische und widerständige Bewegungen, um ihre eigenen Ansichten salonfähig zu machen und um Enttäuschte und Unzufriedene zu sich zu holen. Am Ostersamstag mischte sich in München das Deutsche-Stimme-Plakat „Volksfeinde anklagen, Politikerhaftung umsetzen“ unter Friedensproteste. Dass es sich hier um eine Kampagne der NPD-Zeitung handelt, war für die Demonstrierenden nicht erkennbar: Schließlich war das obenstehende Wort „Volksfeinde“ weggeschnitten und von der NPD nirgends was zu sehen.
Dafür stand nebenan ein Infotisch vom österreichischen „alternativen“ TV-Sender AUF1. Dessen Chefredakteur Stefan Magnet klärt unter anderem über den „Trans-Humanismus“ als Gefahr auf. Hier ein Originalzitat von Magnet auf1.tv: „Das ist die relativ neue Ideologie der Globalisten. Das Ziel: Menschen ‚upgraden‘, wie sie es sagen. Bedeutet: Genverändern. Nano-Roboter in die Blutbahnen schleusen. Gehirnströme lenken. Chips implantieren. […]Nachdem Familien, Kulturen und Nationalstaaten zerstört wurden, sollen jetzt die Menschen endgültig entmenschlicht werden.“
Wir sehen also, dass diese Unterwanderungsversuche eine Win-Win-Situation bieten. Die etablierte Politik nutzte die langfristig gescheiterten Übernahmeversuche der Faschisten, um die Friedens- oder Sozialproteste schlecht zu reden, schließlich seien diese ja von den Nazis beeinflusst oder Nazis dort geduldet. Ob diese klar erkennbar sind und ob Demonstrierende denn ein Interesse an einem Schulterschluss mit Rechten haben bzw. was der Grund ist, warum sich die Nazis verstecken, wird in der Regel nicht diskutiert. Und so nutzen die Nazis ihre Duldung, die in der Regel damit einhergeht, dass die etablierten Parteien weder Antworten für die Probleme vor Ort bieten noch klare Kante gegen die Faschos zeigen, um sich auf die Proteste draufzusetzen und etwas abzubekommen von ihrer Dynamik – Wer würde schon sonst auf die Idee kommen, sich zum Beispiel mit „Alternativmedien“ wie der DS oder AUF1 zu beschäftigen?
Dabei sind genau diese scheinbaren Alternativen zum herrschenden Mainstream das, was viele Menschen suchen, die sich von der etablierten Politik der großen Banken und Konzerne und ihren Parteien abgewandt haben. Doch nicht bei allen ist es die Erkenntnis darüber, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, die an dem zweifeln lässt, was Monopolpresse und Leitideologie uns eintrichtern wollen. Manches Mal (und zwar leider ziemlich oft) kann dieser Zweifel auch umschlagen in eine Abkehr von der Realität – in der das Bauchgefühl zum Gesetz wird oder Irrationales genauso viel Wert ist, wie eine wissenschaftliche Erkenntnis.
In diesem Land, in dem z.B. den Gewerkschaften seit dreißig Jahren die Mitglieder davonlaufen, das Kriegführen seit 20 Jahren zur Normalität gehört und die ostdeutsche Bevölkerungsgruppe immer noch keine gleichen Chancen besitzt und heute statt Linkspartei lieber ein Kreuz bei der AfD macht – in so einem Land dürfen KommunistInnen und andere progressive AktivistInnen nicht darüber schimpfen, dass alles so ausweglos sei und wir deswegen so wenige seien. Eben weil die klassenkämpferischen Kräfte in diesem Land so marginalisiert sind, fühlen viele lohnabhängige Menschen nur Ausweglosigkeit.
Rechte „Friedens“-Demagogen
Doch um die Ecke schleicht in diesem Moment, wie schon so oft, ein Agent in neuen Kleidern. Ob als Schläger vom III. Weg oder der Neue-Heimat-Partei oder aber als spießbürgerlicher Anzugträger vom AfD-Flügel um den Geschichtslehrer Björn Höcke: So oder so lässt sich an dem Inhalt, den er verbreitet, feststellen, dass er zwar vorgibt, auf der Seite des „kleinen Mannes“ zu stehen, doch eigentlich die aggressivsten und reaktionärsten Interessen der herrschenden Monopolgruppen vertritt. Als die deutsche Exportwirtschaft die EU in der Eurokrise bezwang, da brachte sich ein Teil der Herrschenden in Stellung, um eine Alternative für die Zeit nach dem Euro zu haben. Jetzt, wo die NATO mit dem Atomkrieg zündelt, da möchte sich ein Teil der politischen Rechten für die herrschende Klasse in diesem Land anbieten, falls die USA ihre Führungsrolle überdehnen.
Deswegen versuchen Gruppen rund um die AfD und ihrem Einflussbereich zurzeit, klassische Friedensinitiativen zu unterwandern oder alternative „Friedensdemonstrationen“ zu organisieren. Dabei greifen sie oftmals auf Verankerung im Spektrum der Kritiker der Corona-Maßnahmen zurück. So gingen z.B. in Nürnberg nun immer wieder Menschen bei eigenen Umzügen gegen die NATO-Kriegspolitik auf die Straße. Kürzlich folgten dann ein paar Dutzend Menschen der Nürnberger AfD zu ihrer Kundgebung, während sich die AfD- Fraktion im Bayerischen Landtag für die Rüstungsindustrie einsetzt. Und so schafft die politische Rechte, wozu sie antritt: Notwendigen Klassenkampf in scheinbaren Kulturkampf umzumünzen. Ebendas ist der Grund, warum sich die Zeitschrift „Sezession“ des rechten Publizisten Kubitschek seit Jahren mit den Rissen in der deutschen Friedensbewegung beschäftigt oder warum das Nazi-Magazin „Compact“ ungefragt Linkspartei-PolitikerInnen, die sich für Frieden einsetzen, wie Wagenknecht oder Dehm abdruckt und so tut, als stünden sie zusammen auf einer Seite der Barrikade.
Klar ist: Mit Kriegstreibern und Faschisten kann es keine Kompromisse geben. Im Kampf gegen Krieg und Faschismus müssen wir zusammenstehen und dürfen wir uns nicht spalten lassen. Wenn Rechte versuchen, linke Parolen, Protestformen oder Figuren zu vereinnahmen, gilt es, geeint zurückzuschlagen. Wenn wir uns dann von Teilen der Linken abwenden, hinterlassen wir eine Lücke, auf die die völkischen Strategen schon lange warten. Wenn wir schwächer werden, wird Widerstandspotential immer wieder von den Rechten vereinnahmt und damit politisch kastriert.
Markell Mann