Entnazifizierung, Entmilitarisierung, Demokratisierung, Entmonopolisierung – diese vier klaren Ziele hatte die Anti-Hitler-Koalition im Potsdamer Abkommen für den Aufbau eines neuen Deutschlands festgehalten. Diesen Zielen lag ein Verständnis davon zugrunde, welche Kräfte und Bedingungen den faschistischen Terror und Krieg hervorgebracht hatten: Großindustrie und Großbanken, darüber bestand in Bevölkerung und nahezu allen politischen Organisationen weitgehend Einigkeit, hatten die Errichtung der faschistischen Diktatur gefördert und ihre Politik wesentlich mitbestimmt: Die Führungsschichten in Verwaltung, Militär und Polizei trugen dies mit – dazu sollte es nie wieder kommen, auch darin stimmte die Mehrheit überein. Aber die Westalliierten konnten und wollten eine wirkliche Besichtigung der Faschisten aus Amt und Würden nicht betreiben.
Aus der Perspektive des Kalten Krieges galten ihnen ab 1948 gerade die alten faschistischen Fachkräfte im Kampf gegen Demokratie, Arbeiterrechte und letztlich Kommunismus als tauglichste Kameraden. Hierzu nur zwei von zahllosen Beispielen für Funktionäre des Nazistaats, die in der BRD ins öffentliche Leben reintegriert wurden: Hanns-Martin Schleyer, im Faschismus SS-Führer, wurde in der BRD Arbeitgeberpräsident und Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Reinhard Gehlen, im Faschismus Wehrmachtsgeneralmajor und am Völkermord in der UdSSR beteiligt, wurde in der BRD Antreiber der Wiederbewaffnung und Chef des Bundesnachrichtendiensts.
Antifa-Komitees und faschistische Ämter
Anfangs waren es die Antifa- und Volksausschüsse, bestehend aus WiderstandskämpferInnen, die vielerorts die politische und gewerkschaftliche Organisierung und Entnazifizierung ganz allein vorantrieben. Die Westalliierten verboten sie aber bereits 1945/46 (während die spätere DDR diese Komitees aktiv förderte), und führten die Entnazifizierungsmaßnahmen in der Folge selbst durch, bis sie sie 1948 an die immer noch faschistisch durchsetzte deutschen Verwaltungen übertrugen.
Marshallplan und Währungsreform, schließlich auch die Gründung der BRD hatten eine eindeutige strategische Zielbestimmung, nämlich die Wiederherstellung der politischen und ökonomischen Macht des deutschen Monopolkapitals, der deutschen Banken und Konzerne in genau dem Umfang, der notwendig war, um Westdeutschland als Bastion im „Kalten Krieg“ aufzustellen.
Neofaschismus im neuen Staat
Durch diese Rechtstendenzen war die „Restaurationsperiode“ der BRD bestimmt. Sie kennzeichnen die Gründung der Bundesrepublik selbst als entscheidende Rechtsentwicklung. Erstens bildeten die Faschisten bis in die 60er-Jahre hinein die reale Politik der BRD ebenso wie die politisch-ideologische Stimmung mit – VVN-, FDJ- wie KPD-Verbot. Adenauer-Erlass und Wiederbewaffnung sind nur wenige Beispiele für ihren massiven Einfluss. Zweitens bildete die so vollzogene Restauration die Grundlage für die Wiederbegründung zahlreicher faschistischer Gruppen, Parteien und Publikationen und damit die organisatorische Herausbildung des Neo-Nazismus. Eine herausragende Rolle unter ihnen spielen „Ehemaligenverbände“, etwa die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS“, die bundesweit bis 1992 bestand und vor allem durch die CDU unterstützt wurde, „Vertriebenenverbände“ wie der „Bund der Vertriebenen“, der ebenfalls von CSU/CDU gefördert wurde und wird sowie die politischen Parteien des Neofaschismus (die SRP, die DP, die NPD).
Die Ursachen auch für die aktuelle Beschleunigung der Rechtsentwicklung in Deutschland lassen sich also bis zum Gründungssinn der BRD zurückverfolgen: Renazifizierung, Remilitarisierung, Entdemokratisierung und Monopolisierung vollziehen sich damals wie heute im Interesse des Großkapitals. In Zeiten der relativ sicheren Herrschaft des Großkapitals funktionieren die Faschisten als Stichwortgeber für den Rechtsruck und Blitzableiter für soziale Unruhen. In Krisenzeiten können sie die offene terroristische Diktatur umsetzen.
Cecilia, Marburg