Generation Z – Zu nichts zu gebrauchen?

veröffentlicht am: 3 Okt, 2024

Alle Jahre wieder grüßt die PISA-Studie mit ihren erschreckenden Ergebnissen über das deutsche Bildungssystem. Zumeist beginnt dann die Hetze gegen die „dumme junge Generation“, welche „eh zu nichts zu gebrauchen ist“. Dabei sind es nicht wir, die es dahin kommen lassen haben. Wir können nur das lernen, und unter diesen Voraussetzungen, wie es uns eben vor die Füße geworfen wird.

 

Deutsche Bildungsmisere

Seit Jahren machen Schlagzeilen über die erschreckenden Erkenntnisse der PISA-Studie Eindruck in den Medien. Wobei diese Ergebnisse schon lange nicht mehr erschreckend, sondern zum Alltag geworden sind – zumindest für all die Lehrkräfte und SchülerInnen an deutschen Schulen, denn diese leiden nicht erst seit gestern unter dem kaputt gesparten Bildungssystem. Doch was meinen wir, wenn wir vom kaputtgesparten Bildungssystem reden? Wir reden zum Beispiel von dem chronischen Lehrkräftemangel. Zurzeit liegt die offizielle Zahl bei 14.500 unbesetzten Lehrstellen und soll laut Prognosen bis auf 177.500 fehlende Lehrkräfte im Jahr 2035 steigen. Das Deutsche Schulbarometer unterstreicht diese Zahlen und formuliert drei zentrale Probleme: Lehrkräftemangel, Lernrückstände und Aufnahmekapazitäten. Diese Punkte decken sich mit der Realität: Im Kreis Gießen-Vogelsberg haben bereits zwei Schulen einen Überlastungsantrag gestellt. Die bereitgestellten Ressourcen reichen weder, um die Folgen der Pandemie noch, um die Inklusion der SchülerInnen im Unterricht zu gewährleisten. Die Reaktion des Kultusministeriums ist die Zuständigkeit auf das Schulamt zu verweisen, was weder an der Klassengröße, noch an der Stundenanzahl etwas ändern kann. Stattdessen werden pädagogische Tage zur Lehrergesundheit und Unterweisungen zum richtigen Atmen angeboten.

Doch das ist noch lang nicht alles, es fehlt der Bildung an allen Ecken und Enden. So wurde der Digitalpakt 1.0, der als Reaktion auf die Coronapandemie und die damit angezogene Digitalisierung der Schulen verabschiedet wurde, nicht einmal komplett ausfinanziert. Laut Medienberichten klafft eine Lücke von 783 Millionen Euro. Um die Fortführung in Form vom Digitalpakt 2.0 wird noch immer gestritten. Im angesetzten Haushalt für 2025 wird bereits jetzt ersichtlich, dass dieses Paket so nicht getragen werden kann. Doch wie soll es auch anders sein? Während in den letzten Jahren prozentual immer weniger Geld in die Bildung fließt, wird mehr als das Doppelte in die Rüstung gepumpt – und das auch ohne sämtliche Sonderpakete! Während wir in maroden Schulgebäuden sitzen, in welchen allzu häufig Unterricht ausfällt, weil es entweder an Ausstattung mangelt oder uns die Decke auf den Kopf fallen könnte, werden Milliarden in die Rüstung gesteckt. Da wird deutlich, dass für die Herrschenden ihre Profitinteressen über einer gerechten Bildung für Alle stehen.

Das Resultat dieser Missstände ist nicht allein ein niedrigeres Bildungsniveau. Wie die LandesschülerInnenvertretung Hessen in einer breit aufgestellten Umfrage herausfand, leiden rund 90 % der hessischen SchülerInnen unter psychischem Druck durch die Schule. Grund dafür sind große Klassen, schlechte Ausstattung und mangelnde Berücksichtigung der individuellen Lernbedürfnisse.

Zwischen Demokratie- und Bildungsdefizit

Bei dieser desaströsen Lage der öffentlichen Schulen liegt es wohl auf der Hand, dass die Zahl der privaten Schulen in den letzten 20 Jahren um 50 % gestiegen ist. Große Konzerne haben längst erkannt, dass mit Bildung Geld zu verdienen ist, und zwar in großem Umfang und mit staatlich garantierten öffentlichen Zuwendungen. Bildung ist eine Wachstumsbranche, weil auch die Unzufriedenheit mit den Leistungen des unterfinanzierten öffentlichen Bereichs wächst. Die bereits bestehende Chancenungleichheit wird noch größer, die soziale Selektion und die gesellschaftliche Spaltung nehmen weiter zu. Demokratische Beteiligung, Mitbestimmung und Kontrolle werden minimiert. Bildungsinhalte und vermittelte Qualifikationen werden nur noch an der ökonomischen Verwertbarkeit orientiert. Die pädagogisch Beschäftigten werden weniger denn je in der Lage sein, gemeinsam für eine angemessene Ausstattung der Bildungseinrichtungen zu streiten.

Nun wird in der Öffentlichkeit Stimmung gegen die Jugend gemacht, welche sich doch erst einmal anstrengen solle, denn früher war es ja auch nicht leicht. Was in diese Redensart auch super reinpasst, ist das Lügenbild der vorgeblich faulen, disziplinlosen neuen Generation – Grundlage für viele reaktionäre Kräfte in der Argumentation für eine Wehrpflicht, denn die verweichlichte Jugend müsse einfach mal Gehorsamkeit und Disziplin lernen. Allerdings wollen wir nicht Gehorsamkeit und Disziplin lernen, um für ein System zu kämpfen, welches uns nicht einmal eine vollumfängliche Bildung bereitstellen kann.

Dass wir uns all dies nicht gefallen lassen müssen, zeigen uns die Kämpfe der Vergangenheit auf, zum Beispiel die Bildungsstreiks 2009, bei welchen 270.000 lernende Jugendliche gemeinsam auf die Straße gingen, um gegen G8 und für eine Verbesserung der Studienbedingungen zu kämpfen. Auch unsere Vertretungsgremien sind ein Resultat von Kämpfen, die junge Menschen wie wir geführt haben. In der jüngeren Vergangenheit hat sich immer wieder Protest gebildet, wie zum Beispiel das Bündnis „Bildungswende Jetzt!“, welches gegen das marode Schulsystem auf die Straßen gegangen ist. In Gießen hat sich der StadtschülerInnenrat zu Wort gemeldet und klargestellt, dass das Problem eine Systemfrage ist und wir für eine Schule für Alle kämpfen müssen. Die Probleme unseres Bildungssystems treten immer deutlicher zu Tage. Was uns die Zukunft bringt, werden wir sehen, doch müssen wir alle proaktiv dran arbeiten, sie zu unseren Gunsten zu ändern. Wir müssen mit unseren MitschülerInnen sprechen und aufzeigen, dass genug Geld für eine vollumfängliche Bildung da wäre – wir müssen es uns nur holen!

Luca, Kassel

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