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veröffentlicht am: 8 Okt, 2024

K.I.Z: Und der Anschlag auf die U8

Lustig, leicht verstörend, schmerzhaft nachvollziehbar: klassisch K.I.Z.
Während das neue Album „Görlitzer Park“ ungewöhnlich ernst und emotional die Lebensumstände der drei Rapper behandelt, ist das Album zum Album „Und der Anschlag auf die U8“ vor allem ein genialer Fiebertraum. Beim ersten Hören mag man hinterfragen, ob die Musik überhaupt inhaltlich irgendwie zusammenhängend oder ganz grundsätzlich gut ist. Spätestens beim dritten Hören merkt man jedoch, wie relevant die Inhalte eigentlich sind. Auch wenn, oder gerade weil sie, typisch für K.I.Z., absolut sarkastisch und scherzhaft indirekt sind. Thematisch dreht sich das Album um die Absurdität unseres Lebens im Kapitalismus. In manchen Tracks fühlt sich das an wie ein verrückter Traum, in anderen wie der klassisch deutsche Alltag, und dann wieder wie die neoliberale Ideologie aus dem Bilderbuch. Besonders sticht der Titel „Bundeswehr“ hervor, ein „Werbelied“ für die Deutsche Armee, das die Selbstdarstellung der Bundeswehr als normale Arbeitgeberin nach Strich und Faden verarscht. Der ironische Unterton, der die Militarisierung dieses Landes scharf kritisiert, sollte keinem aufmerksam Hörenden entgangen sein. „Und der Anschlag auf die U8“ mag nicht so bewegend und qualitativ hochwertig sein wie „Görlitzer Park“, ist aber in seiner absurden Art einfach perfekt zum Mitschreien, Frustablassen, immer wieder zum Lachen und natürlich zum Feiern.


Hel, Berlin

 

 

Die Lage


Ein Taschenbuch in einem sandigen Rotton und einem Schmetterling darauf – Mesut Bayraktar veröffentlichte kürzlich sein neues Buch im Autumnus Verlag in Berlin. Diesmal ein Erzählband, der den Titel „Die Lage“ trägt und sicherlich nicht zufällig die Assoziation zu Friedrich Engels „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ offenlässt. Darin erzählt Bayraktar die Geschichten derer, die der deutschen Literatur bisher zu oft fernblieben. Bayraktar schafft es, die vielfältige Realität der arbeitenden Klasse der letzten Jahrzehnte in ihrer Brutalität und Sanftheit aufzufangen. In seinen Geschichten, die in ihrer Alltäglichkeit und den zuweilen bedrängend akuten Lagen ihrer Figuren wirken, zeichnet Bayraktar die Gewalt der kapitalistischen Ausbeutung nach, die sich uns in verschiedenen Erscheinungen zeigt: der Gewalt, die sich in den Körper schlägt, oder der Gewalt, welche sich selbst in die intimsten Gedanken gräbt. Dabei sind weniger das empirisch nachweisbare Leiden, sondern die Gefühle der Figuren, ihr Streben nach einem besseren Leben und das eigene Gefühl als LeserIn, das einen mit Wut durch jede Geschichte drängt, der entscheidende Gehalt, der die sehr unterschiedlichen Erfahrungswelten, Generationen und persönlichen Schicksale zusammenwebt. Mit mal leiserer Wut, lauter, kalter oder heißer. Diese Form der Literatur, die auf Konfrontation mit den Verhältnissen geht, braucht die deutsche Linke mehr denn je – die Lage von Mesut Bayraktar muss man gelesen haben!


Alina, Hamburg

 

 

 

The Boys: Staffel 4

Für alle, die „The Boys“-Staffeln 1–3 auf Amazon noch nicht gesehen haben, fasse ich spoilerfrei zusammen: Die eintönig schwarz-weißen Schurken und Helden aus Marvel und anderen Blockbuster-Giganten treffen auf die bittere, korrupte Realität von Showbusiness und US-amerikanischer Innenpolitik. Getragen von stark geschriebenen Charakteren, die regelmäßig vor moralisch fragwürdigen Entscheidungen stehen und dabei gekonnt ihre verschiedenen Traumata verdrängen, bekommt ihr in „The Boys“ eine düstere Komödie über das Machtverhältnis von prominenten Superhelden zur normalsterblichen Gesellschaft, die sich ihr FSK18-Rating verdient hat.
In Staffel 4 spitzt sich der Präsidentschaftswahlkampf zu und liberale DemonstrantInnen geraten mit ihren republikanischen Gegenstücken aneinander. Homelander und andere Supes haben sich von der Leine ihrer Agenturen losgerissen und treten vor der Bevölkerung als politische VertreterInnen auf. Dabei findet das Blutvergießen immer mehr öffentlich statt, Panik in der Gesellschaft wird geschürt und Populismus verhärtet die Fronten. An Parallelen zu Erscheinungen des Faschismus mangelt es also nicht.
Aber in „The Boys“ ging es nie nur um die großen politischen Machtkämpfe, sondern vor allem um die Boys selbst, die semiprofessionellen Superhelden-Killer und ihre internen Konflikte. Die werden den ZuschauerInnen zwar anfangs noch etwas unbeholfen präsentiert, liefern dem Rest der Staffel aber wieder riskante Infiltrationen und blutige Kompromisse ab. Allerdings macht sich bemerkbar, dass die Boys immer „gegen“ etwas gekämpft haben, Unglücke verhindern wollten, aber selbst kein wirkliches gemeinsames Ziel verfolgen. Eine fade Gemeinsamkeit mit den Filmen und Serien, die „The Boys“ eigentlich parodiert.
Tja, und echte Fans wissen, dass man nicht über Staffel 4 sprechen kann, ohne über zwei bestimmte Diskussionen zu stolper: Erstens ist Frenchie „ganz plötzlich“ bisexuell. Wer sich daran stört, hat wohl drei Staffeln lang schwere Traumata und das ohnehin unkonventionelle Verhältnis zu Romantik übersehen, denn die Figur ist zu fantastisch geschrieben, um sich jetzt auf Sexualität reduzieren zu lassen.
Und zweitens der chirurgische Eingriff von Schauspielerin Erin Moriarty (Starlight). Ob sie ihr natürliches Aussehen geändert hat, um ungesunden Hollywood-Standards zu entsprechen, oder Unbeteiligte, die das vielleicht gar nichts angeht, lenkt von der eigentlichen Problematik ab: Ähnlich wie die Superhelden aus der Serie inszenieren sich viele Prominente aus der Unterhaltungsbranche als bodenständige, nahbare, sympathische Leute. Dabei wird meistens ein Lifestyle präsentiert (Autos, Urlaube, SchönheitsOPs etc.), der dem Zuschauer eine falsche, ungesunde und kaum erreichbare Vorstellung von Erfolg und Lebensglück vermittelt. Meine Empfehlung spreche ich aber trotzdem aus. Die Serie hat ihren leichtfüßigen Sarkasmus so langsam verloren, macht aber weiterhin, was wir von ihr erwarten: richtig blutigen, großen Spaß.

Crischo, Kassel

 

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