Nur sechs Tage nach dem furchtbaren Anschlag in Solingen am 23. August dieses Jahres einigte sich die Regierung auf ein neues „Sicherheits- und Asylpaket“, das direkt aus der Feder der AfD stammen könnte. Aber die rassistischen Gesetzesänderungen waren keine Kurzschlussreaktion, sondern lagen längst in Faesers Schublade. Die Konsequenz aus dem mutmaßlichen Terroranschlag? Eben nicht. Geflüchtete sollen nur noch ein Bett, Brot und Seife bekommen – jede weitere Sozialleistung soll für alle Geflüchteten gestrichen werden, die über ein Land der sogenannten Dublin-Regelung eingereist sind. AfD-Politik, ohne dass es die AfD dafür braucht, und der beste Beweis dafür, dass man nicht auf SPD und Grüne vertrauen kann, wenn es darum geht, den Faschismus und den reaktionären Staatsumbau zu bekämpfen.
Wie diese Gesetzesänderungen Kriminalität und Taten wie in Solingen verhindern sollen, kann einem wohl niemand der Herrschenden erklären, aber darum geht es ja auch nicht. Sie wollen die Geflüchteten in solche aufteilen, die durch deutsche Konzerne ausgebeutet werden können, sich nicht wehren und mit denen man die Löhne der anderen ArbeiterInnen weiter runterdrücken kann, und solche, die diese Funktion nicht erfüllen können und daher keine Funktion für das deutsche Kapital erfüllen. Letztere sollen in Deutschland auch nicht Schutz suchen, werden schon an der EU-Außengrenze abgefangen und warten in Gefängnislagern auf ihre Abschiebungen. Und diejenigen, die bereits in Deutschland sind, sollen schnellstmöglich abgeschoben oder zum Gehen gezwungen werden, um ja nicht einen weiteren Cent aus humanitären Gründen bezahlen zu müssen.
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
Diese Agenda verfolgt die Ampelregierung von Anfang an und zeichnete sich auch in der Regierung davor ab. Unter der Ampel hat sich die Situation für MigrantInnen in Deutschland noch einmal dramatisch verschlechtert. Um einige Beispiele zu nennen: Dank der Reformen im Staatsbürgergesetz können beispielsweise nur Menschen, die 20 Monate am Stück unterbrechungsfrei in Vollzeit gearbeitet haben, den deutschen Pass beantragen. Arme Menschen, Rentner und Frauen (die viel häufiger in Teilzeit arbeiten) sind damit so gut wie ausgeschlossen. Ein von der Ampel eingeführtes Punktesystem macht die Migration nur dann möglich, wenn Einwanderer verwertbar sind. Wer sich in Deutschland als Mensch mit Migrationshintergrund positiv zum palästinensischen Widerstand äußert, zum Beispiel durch ein Like auf Social Media, soll nach den neuen Gesetzen auch abgeschoben werden können.
Mittlerweile setzt eine Regierung aus SPD und Grünen das um, was eine NPD vor 10 Jahren gefordert hat. Damals wäre das für viele undenkbar gewesen, heute ist das bitterer Alltag in Deutschland.
All das zeigt: Die von der Ampel in die Wege geleiteten Gesetzesänderungen verfolgen einen Plan. Es geht nicht darum, zu verhindern, dass sich Taten wie in Solingen wiederholen. Die Opfer von Solingen werden für die Interessen der deutschen Banken und Konzerne gleichwohl wie durch die Faschisten instrumentalisiert. Wäre es einem ernst, müsste man sich ganz andere Fragen stellen: Was sind die Ursachen von Anschlägen wie denen in Solingen und wird man mit einer Politik der Abschottung sowas in Zukunft verhindern? Wie trägt die Tatsache, dass man Menschen ohne jede Perspektive auf ein Leben in sozialer Sicherheit in Massenunterkünften dahinvegetieren lässt, dazu bei, dass sich Menschen „radikalisieren“?
Die AfD als Stichwortgeber
Manch ein Politiker mag durch die medienwirksame Ankündigung von Gesetzesverschärfungen hoffen, Stimmen von der AfD abgreifen zu können, um seinen eigenen Kopf zu retten. Grundsätzlich ist es aber nicht so, dass die AfD einfach nur alle anderen Parteien vor sich hertreibt und diese einfach nur dumm genug sind, über dieses Stöckchen zu springen. Vielmehr handelt es sich um eine willkommene Synergie, ganz im Interesse der Herrschenden. Das System verursacht unlösbare Probleme und Unzufriedenheit, die AfD lenkt von den Ursachen dieser Probleme ab und sammelt die Unzufriedenen unter ihrem Banner. Dabei schafft sie ein Klima, das solche staatlichen Maßnahmen überhaupt erst zulässt. Sie ist Stichwortgeberin für eine Politik im Interesse der Banken und Konzerne.
Spaltung im Interesse der Herrschenden
Die Diskussion um Abschiebungen, „kriminelle Ausländer“ und Terrorismus hat wieder neue Fahrt aufgenommen und wurde durch mediale Hetze weiter vorangetrieben. Während ein fast zeitgleicher rassistischer Messerangriff eines Faschisten auf zwei Muslime in München absolut keine mediale Beachtung fand, wurde Solingen als gelungenes Instrument zur weiteren Spaltung der Gesellschaft verwendet. Aber Solingen zeigt noch mehr. Denn die Reaktion auf den Mordanschlag hatte nicht nur zur Folge, dass man Geflüchtete öffentlich ihrer Rechte beraubte. Faschisten haben wochenlang versucht, ähnliche pogromartige Ausschreitungen wie im Frühsommer in Großbritannien zu provozieren, ganz vor den Augen einer überforderten Polizei. Faschistische Schlägertupps und die Junge Alternative haben aus dem Umland nach Solingen mobilisiert, um die Bevölkerung einzuschüchtern und Hass zu verbreiten. Wir erleben in diesem Sommer allgemein eine Offensive faschistischer Aufmärsche, sei es in Solingen oder immer wieder am Rande von CSD-Veranstaltungen, die gestört werden. Gewaltbereite Faschisten demonstrieren unter Polizeischutz ihre Macht, testen ihre Möglichkeiten aus und schüchtern ein. Auch das ist im Interesse der Herrschenden, denn sollte einmal der Punkt kommen, wo die Banken und Konzerne ihre Interessen nicht mehr auf dem Boden der „demokratischen Grundordnung“ durchsetzen können, dann wird es für sie hilfreich sein, auf Schlägerbanden und Terroristen zurückgreifen zu können. Das erklärt auch die Repressionen gegen die antifaschistischen Proteste in diesem Land.
Unsere Antwort: Widerstand
Für uns zeigt das wieder einmal nur, dass es Handarbeit bleibt, den reaktionären Kräften (egal ob auf der Straße oder in der Politik) etwas entgegenzusetzen. Wir dürfen uns nicht spalten lassen und zulassen, dass man uns – der Arbeiterklasse, die auch aus unseren migrantischen KollegInnen besteht – unserer Rechte beraubt. Wir dürfen nicht zulassen, dass faschistische Schlägertrupps ungestört aufmarschieren und Menschen bedrohen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich herrschende Politiker der Welt ungestört als antifaschistisch präsentieren können, während sie gleichzeitig rassistische Politik betreiben. Es liegt an uns, der arbeitenden und lernenden Jugend, den reaktionären Entwicklungen etwas entgegenzusetzen!
Domi, Neumarkt