„Wir sind nicht weit von einem Krieg entfernt“, erklärte Anfang Oktober der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan mit Blick auf die andauernden Kämpfe im syrisch-türkischen Grenzgebiet. Wenige Tage zuvor beschloss das türkische Parlament eine generelle Einsatzerlaubnis für Angriffe auf Syrien. Nachdem bereits im Juni ein türkisches Kampfflugzeug in den syrischen Luftraum eingedrungen war, reagierte das türkische Militär mit gezielten Artillerieschlägen auf einen angeblichen Angriff der syrischen Armee auf ein türkisches Dorf im Grenzgebiet. Obwohl die syrische Regierung die Toten bedauerte und kurze Zeit später die „Rebellen“ der Freien Syrischen Armee (FSA) sich zu dem Angriff bekannten, machten die westlichen Staaten das syrische Regime dafür verantwortlich. Eine Woche später zwang die türkische Luftwaffe luftrechtswidrig ein syrisches Passagierflugzeug zum Landen, das von Moskau nach Damaskus unterwegs war. Angeblich hätte es Hinweise auf militärische Fracht gegeben. Kurzerhand wurde die Ladung beschlagnahmt, von einer militärischen Fracht war jedoch nichts zu entdecken. Auch Tage danach titelten westliche Medien, das Flugzeug hätte Munition geladen gehabt.
Mit solchen und ähnlichen Lügen versuchten die imperialistischen Staaten schon immer Angriffe auf für sie unliebsame Länder zu rechtfertigen, seien es die angeblichen Massaker in Jugoslawien, die unauffindbaren Massenvernichtungswaffen des Irak oder die angebliche Bombardierung der Zivilbevölkerung in Libyen. Wenn es um die Durchsetzung imperialistischer Interessen, also Absatzmärkte, Rohstoffe und Handelsrouten geht, war den westlichen Staaten noch nie eine Lüge zu weit hergeholt.
Die Türkei verfolgt beispielsweise im Konflikt nicht nur imperialistische Hegemoniebestrebungen im arabischen Raum, sondern auch innenpolitische Ziele im Bezug auf die Kurdenproblematik. Diese haben nämlich in Nordsyrien deutlich mehr Autonomie als in Ostanatolien und davon profitiert auch die kurdische Autonomiebewegung in der Türkei. Und nicht zuletzt ist Syrien einer der wichtigsten Verbündeten des Iran und damit nicht nur dem türkischen, sondern auch beispielsweise dem deutschen Imperialismus ein Dorn im Auge. Dieser unterstützt nicht nur das türkische Militär, sondern auch weiterhin durch Waffenlieferungen indirekt die Freie Syrische Armee, verstößt damit also gegen internationales Recht – um die Interessen der deutschen Banken und Konzerne durchzusetzen. Die Deutsche Bahn plant z.B. seit einigen Jahren wieder weiter an der bereits vor 100 Jahren angedachten Bagdad-Bahn, hat also ganz handfeste Profitinteressen, die sie durch die Unabhängigkeit des syrischen Staats gefährdet sieht. Und auch wegen diesen Interessen setzen die imperialistischen Staaten auf den Regime-Change in Syrien, sei es nun durch einen Bürgerkrieg oder einen Angriff durch die NATO. Dem syrischen Volk wird dadurch natürlich nicht geholfen, aber darum geht es nunmal auch nicht.
Tom, München