Ernst machen

veröffentlicht am: 3 Apr, 2013
(Foto: Jochen Siegle/TechShowNetwork, CC)

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Die Azubis bei Telekom haben für Übernahme mobil gemacht. Das Ergebnis ist trotzdem mittelmäßig. Gespräch mit Lina Galatsi. Lina ist IT-Systemkauffrau und freigestellte Vorsitzende der Auszubildendenvertretung bei Telekom in Frankfurt.

POSITION: Ihr habt neue Tarifverträge zu Ausbildung und Übernahme. Was ist für euch dabei herausgekommen?
Lina: Wir haben jetzt für die Jahre 2013 bis 2015 die Einigung, dass in diesen drei Jahren 5.780 Azubis übernommen werden, bei der ganzen Telekom. Davon sind 4.650 Stellen unbefristet. Aber auch die befristeten Stellen sind bei der Telekom selbst, nicht bei der internen Leiharbeit – da hat die Telekom auch einige Tricks auf Lager. Außerdem gib es noch weitere Einstellungen für den Ausbau des Glasfasernetzes. Aber wir mussten auch eine bittere Pille schlucken: Der Vertrag „Beschäftigungsbrücke“ verlängert worden ist. Dieser Vertrag sieht vor, dass die Nachwuchskräfte am Anfang weniger Geld bekommen – 3.000 Euro im ersten, 2.000 Euro im zweiten und 1.000 Euro im dritten Jahr werden denen vom Gehalt abgezogen. Und bei der Ausbildungsquote hat sich nicht viel getan. Jedes Jahr werden Ausbildungsplätze in der Zahl von 2,9 Prozent der Gesamtbeschäftigten angeboten. Der Unterschied ist nur, dass im neuen Tarifvertrag auch die dualen Studenten und eine bestimmte Gruppe von Praktikanten in diese Quote mit reingerechnet werden.

POSITION: Wie bewertest du das Ergebnis?
Lina: Ich glaube, da wäre mehr drin gewesen – mehr an Übernahmen, mehr an Ausbildung, und den Vertrag „Beschäftigungsbrücke“ mussten wir auch verlängern. Also, dass ist einfach ein mittelmäßiges Ergebnis. Die Verhandlungen gingen sehr schnell – ein paar Wochen nach der ersten Sondierung war der Tarifvertrag schon unterschrieben.

POSITION: Trotzdem habt ihr die Zeit für Aktionen genutzt.
Lina: Ja, es gab bundesweit an allen Standorten Aktionen. Zum Beispiel haben wir ein Foto von allen Auszubildenden bei uns gemacht mit der Forderung nach Übernahme. Oder wir haben draußen vor dem Foyer einen Stand gemacht mit so einem Mafiosi und einem Schild: „Wir bilden nicht nur nicht aus, wir stellen danach auch nicht ein. Telekom.“ Und diese Bilder haben wir dann online gestellt und auch an den Konzernvorstand geschickt – ich glaube, die haben schon mitbekommen, dass wir da ernst machen, dass wir bereit sind, die Leute zu mobilisieren.

POSITION: Als AV dürft ihr ja gar nicht in Tarifauseinandersetzungen eingreifen. Was heißt das für eure Arbeit?
Lina: Wir müssen da schon sehr vorsichtig sein, wir können da nicht als AV aktiv werden. Wir machen das dann als Privatpersonen, in der Mittagspause. Wenn der Arbeitgeber das Gefühl hat, ich mache in der Arbeitszeit viel Gewerkschaftsarbeit, kann das sogar ein Kündigungsgrund sein. Diese Arbeit, dass ist die Aufgabe der Vertrauensleute – wir haben in jeder Ausbildungsgruppe zwei Vertrauensleute. Aber natürlich ist der Kontakt zwischen ver.di und AV sehr eng.

POSITION: Haben die Azubis die Verhandlungen verfolgt? Wie groß war die Bereitschaft, an Aktionen teilzunehmen?
Lina: Wir als AV haben die Thematik erklärt, zum Beispiel auf einer Vollversammlung, und haben über die Gewerkschaft deutlich gemacht, dass sie laut werden müssen – sonst entscheidet der Telekom-Konzern einfach über deren Köpfe hinweg. Also, die Azubis haben das schon verfolgt, es gab immer wieder Nachfragen über den Verhandlungsstand. Aber bei vielen war auch die Ohnmacht zu spüren, die haben gesagt, egal was wir jetzt machen, der Konzern entscheidet sowieso ohne uns. Als dann klar war, dass es jetzt doch so viele Stellen gibt, haben sich viele gefreut. Viele Azubis hatten aber auch Angst, dass sie Probleme bekommen, wenn sie an Aktionen teilnehmen, dass das z.B. ihre Chancen auf Übernahme verschlechtert.

POSITION: Woher kommen diese Ohnmacht und diese Angst?
Lina: Ich glaube, dass schon eine gewisse Enttäuschung über ver.di eine Rolle spielt, über den Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke von 2007. Wir sprechen immer vom grauenhaften Jahr 2007. Wir lassen uns jährlich immer wieder von der Telekom erpressen. Das Druckpotential der Gewerkschaften, das ist nicht mehr so wie früher. Das liegt z.B. auch an den vielen Umstrukturierungen im Konzern. Viele Leute versuchen eher, für sich alleine eine Lösung zu finden. Die denken sich dann: Naja, dann kriege ich halt hundert Euro weniger. Dann bewerbe ich mich halt woanders, wenn ich hier nicht übernommen werde. Das Solidaritätsgefühl unter den Beschäftigten ist auch nicht mehr so wie früher.

POSITION: Was kann man machen, um das zu ändern?
Lina: Wir müssen sehr viel informieren, wir müssen den Leuten auch mal die Erfolge vor Augen führen. Zeigen, dass es etwas bringt, wenn man sich nicht alles vom Arbeitgeber gefallen lässt. Solche Erfolge gibt es ja. Und wir müssen den Leuten die Angst nehmen. Ich glaube, solche Aktionen, wie wir sie gemacht haben, sind zumindest ein erster Schritt.

Olaf, Frankfurt

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