Ausbeuter geoutet, Erfahrungen gesammelt, Klassenkämpfe gestärkt

veröffentlicht am: 31 Dez, 2014

Interview der POSITION mit Paul Rodermund, Bundesvorsitzender der SDAJ

POSITION: Die Kampagne „Unsere Zukunft statt eure Profite – Ausbeuter outen, Ausbildung erkämpfen!“ ist abgeschlossen. Wie sieht dein Fazit aus?

Paul: Positiv. Noch vor wenigen Jahren lag unsere betriebliche Interessenvertretungspolitik am Boden. Die wenigen Kontakte, die wir in die Betriebe hatten, haben wir nicht systematisch genutzt. Wir mussten also einige Grundlagen erarbeiten. Mit welchen Problemen haben Azubis und junge ArbeiterInnen heutzutage zu kämpfen? Wie drückt sich der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit in den Konflikten aus und wie machen wir ihn erfahrbar?
Ein ganzes Jahr haben wir uns mit diesen Fragen beschäftigt, theoretisch und praktisch. Deutlich geworden ist, dass immer mehr Jugendliche im Kapitalismus aufs Abstellgleis geraten. Mehr als 1/3 der BewerberInnen bekommt keinen Ausbildungsplatz und mehr als die Hälfte derjenigen, die ihre Ausbildung abschließen, landen in prekären Arbeitsverhältnissen. Der soziale Druck und die Angst vor Hartz 4 ist riesig und um dem zu entgehen, sind Jugendliche bereit die beschissensten Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Die Arbeiterjugend in Deutschland hat aber allen Grund ihre Verzichtshaltung aufzugeben. Dazu wollten wir mit unseren Mitteln beitragen: Dabei ging es um unbefristete Übernahme wie z.B. bei den Stadtwerken in Kiel oder den Helios Kliniken in Schwerin, die Forderungen nach einer Qualitativ hochwertigen Ausbildung und für eine ausreichende Personaldecke die eine Ausbildung erst ermöglicht z.B. in den Kliniken Tübingen, Essen, Hamburg, Göttingen, den Kampf gegen Massenentlassungen in Nürnberg, Essen, Geislingen und Bochum, die Skandalisierung von niedrigen Löhnen und Gewerkschaftsfeindlichkeit in München bei Norma, in Leipzig beim Callcenter, bei Fast-Food-Ketten in Trier oder Leiharbeisfirmen in Gütersloh. Wir haben in dutzenden Aktionen in ganz Deutschland deutlich gemacht, dass man so miese Bedingungen nicht hinnehmen muss. Dabei sind wir mit unseren Ideen auf offene Ohren gestoßen. Das halte ich für den größten Gewinn der Kampagne. Wir werden als zuverlässiger Bündnispartner wahrgenommen und konnten unsere Kontakte und Verankerung in Betrieben und Gewerkschaften deutlich ausbauen.

POSITION: Wichtigstes Element in der Kampagne waren die „Outings“. Wie kann man sich das vorstellen und warum gerade diese Aktionsform?

Paul: Es ist unüblich über Geldsorgen oder die Arbeit zu reden. Über Schikanen und Arbeitshetze, die die Arbeiterjugend über 8 Stunden pro Tag hinterm Werkstor erlebt, wissen die wenigsten Bescheid. Selbst untereinander tauschen sich Azubis zu selten zu solchen Fragen aus. Mit den Outings wollten wir beispielhaft schlechte Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in die Öffentlichkeit zerren und somit angreifbar machen. Unsere Aktionen sollten auch Kontakt in die Betriebe herstellen und zur Beteiligung an Kämpfen zu animieren.
Unsere Aktionsformen reichten von Interviews, über Flashmobs mit Verkleidung und Stiefeln voll Gülle bis hin zu Straßentheatern.
Durch das wiederholte Skandalisieren der Missstände wollten wir deutlich machen, dass es sich nicht um Ausrutscher besonders fieser Chefs handelt, sondern die schlechten Bedingungen System haben. Sie verbessern die Ausbeutungsbedingungen für die Kapitalisten.
In Kiel war die SDAJ kontinuierlich am Uniklinikum aktiv. In der verteilten Kleinzeitung haben die GenossInnen O-Töne von Beschäftigten aufgegriffen, die Ergebnis früherer Interviews waren. Neben einer Chronik der Skandale am Klinikum, wurden dort auch aktuelle Auseinandersetzungen wie die Tarifverhandlungen und das Untersagen der JAV-Wahlen per Gerichtsbeschluss aufgegriffen. Damit liefert die Kleinzeitung nicht nur einfache und spannende Anknüpfungspunkte zur Diskussion, sie orientiert auch in aktuellen Konflikten und zeigt wie man sich wehren kann. Die einzelnen Beispiele zeigen nämlich vor allem eins: Wenn wir unsere Interessen als junge Beschäftigte durchsetzen wollen, dann müssen wir das gegen den Widerstand der Unternehmer tun. Bessere Arbeitsbedingungen kratzen schließlich an ihrem Profit.

POSITION: Welche Erfahrungen habt ihr bei den Outings gemacht?

Paul: Positive. Insbesondere bei öffentlichen Einrichtungen oder Großbetrieben konnten viele PassantInnen aus eigenen Erfahrungen berichten. Bei einer Soli-Aktion für die Beschäftigten von BurgerKing in Bochum sind wir mit den KundInnen ins Gespräch gekommen und es ging schnell nicht nur um die schlechten Arbeitsbedingungen bei BurgerKing, sondern in diversen Betrieben. Das war für alle Beteiligten eine wichtige Erkenntnis: Ich bin nicht allein mit diesen Problemen!
Es gab spontane Solidaritätsbekundungen und häufig auch den Willen direkt zu unterstützen. Auch die Presse hat sich interessiert gezeigt, wenn es um Unternehmen vor Ort ging. Das konnten wir nutzen.
Bei den Beschäftigten selbst haben wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Die meisten Rückmeldungen waren hier positiv. Die Jugendlichen waren überrascht wie genau wir die Lage im Betrieb kannten. Die größten Schwierigkeiten hatten wir in Betrieben, in denen wir keinen Kontakt zu KollegInnen hatten. Hier war es schwer herauszufinden wann und wo man die meisten KollegInnen mit einer Aktion erreicht, und es deutlich schwieriger Stimmungen und Vorbehalte einzuschätzen. Schwierigkeiten auf die wir gestoßen sind, sind hohe Identifikation mit dem eigenen Betrieb, Skepsis gegenüber politischen Organisationen und geringe Bereitschaft selbst aktiv zu werden.
An diesen Problemen ändert sich natürlich nichts von selbst, sondern nur über eine kontinuierliche Arbeit. Wir haben im Zuge der Outings auch die Erfahrung gemacht, dass unsere Forderung nach einem Ausbildungsgesetz helfen kann Vorbehalte zu überwinden und eine Orientierung zu bieten.

POSITION: Im Anschluss an den IGM-Aktionstag im September in Köln hat die SDAJ einen Jugendkongress durchgeführt. Worum ging es da?

Paul: Wir wollten uns gemeinsam mit Aktiven aus Betrieben, Gewerkschaften und linken Jugendorganisationen über Probleme der täglichen Interessenvertretungsarbeit austauschen und diskutieren wie unsere Kämpfe im Betrieb und auf der Straße angriffslustiger und erfolgreicher werden können. Der Kongress hat viel Unterstützung erhalten und in den Workshops hat sich gezeigt, dass wir den Nerv getroffen haben. Für Jugendliche die tagtäglich in Schule, Betrieb, oder Gewerkschaft für Verbesserungen unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen, die aber auch die kapitalistische Gesellschaft als solches in Frage stellen, gab es bislang kein richtiges Forum um Erfahrungen auszutauschen. Wir haben uns daher vorgenommen zu prüfen, ob ein Jugendkongress in ähnlicher Form auch 2015 stattfinden kann. Auf der abschließenden Podiumsdiskussion und in der anschließend verabschiedeten Resolution haben wir uns u.a. dafür ausgesprochen, unsere Kämpfe stärker zusammen zu führen und uns dazu verpflichtet gemeinsam den Kampf für ein Ausbildungsgesetz aufzunehmen.

POSITION: Ist der Kampf für bessere Ausbildungsbedingungen mit dem Ende der Kampagne jetzt abgeschlossen? Wie geht es weiter?

Paul: Bei uns wird es tatsächlich eine Schwerpunktverschiebung geben. In der ersten Jahreshälfte 2015 stehen mit der NATO-Sicherheitskonferenz und dem G7 Gipfel, aber auch mit Blockupy und unserem Festival der Jugend eine Reihe von bundesweiten Terminen an, zu denen wir aktiv werden wollen. Denn während das Kriegsgeschrei immer größer und die militärische Mobilmachung zum Normalzustand wird, sind schon jetzt Millionen Opfer deutscher Großmachtpolitik. Wir nehmen vor diesem Hintergrund die Aktionstage zum Anlass, um den Widerstand gegen den deutschen Imperialismus zu stärken, das Bündnis mit anderen antimilitaristischen Kräften zu suchen und aufzuzeigen, dass der kapitalistische Wahnsinn nicht alternativlos ist.
Gleichzeitig werden wir uns natürlich auch weiterhin für eine Ausbildung nach unseren Interessen stark machen. Das ist nicht voneinander zu trennen. Die Stärke des deutschen Imperialismus resultiert auch aus der Schwäche gewerkschaftlicher Kämpfe. Neben einem aktiven Eingreifen in Tarifrunden und den Überlegungen zu einem weiteren Jugendkongresses wird es in nächster Zeit darum gehen, aus den Erfahrungen der Kampagne zu lernen, nicht locker zu lassen und die Kämpfe vor Ort, in den Betrieben und Gewerkschaftsgremien weiter voran zu treiben.

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