Eindrücke und Erlebnisse einer Erstsemester-Studentin
„Ich glaube, alle fühlen sich zu Beginn ihres Studium ähnlich: Aufgeregt, orientierungslos und voller große Pläne. Ich habe mich bei einem ingenieurswissenschaftlichen Studiengang eingeschrieben und gehöre damit zu den etwa 20% Frauen, die an der Fakultät für Maschinen- und Schiffsbau studieren. Kein Problem, dachte ich, aber der Alltag wird zuweilen schon abenteuerlich.
Auf dem Campus…
„Hallo, ich bin neu hier, kannst du mir…?“ – Mehr als einmal bekam ich auf diese, an einen männlichen Mitstudenten gerichtete Frage in gönnerhafter Rettermanier zu hören: „Ich hab zwar wenig Zeit, aber dir helfe ich gern!“ Ich mag nette Menschen. Und ich bin als Erstsemesterin wirklich dankbar für Hilfe. Aber nicht so dankbar, dass ich dafür jedem meine Telefonnummer für ein Treffen zum Kaffee trinken, Lernen oder offenkundigem „Lernen“ herausgebe!
Im Hörsaal, ein Prof…
„Insbesondere die jungen Frauen unter Ihnen, möchte ich ermutigen, bei naturwissenschaftlichen Fragen zu mir zu kommen. Sie haben da ja häufiger Probleme.“ Bitte was?! Offensichtlich hat die Fähigkeit, Formeln auf ein Blatt Papier zu schreiben, massiv mit den Genitalien zu tun. Womit auch immer die Leute da so schreiben …
Andererseits ist dieses nett gemeinte Hilfsangebot Ursache für neue Probleme: Es beinhaltet, dass es normal ist, wenn man Naturwissenschaften als Frau nicht versteht, und ist damit sowohl Legitimation für das eigene Unverständnis als auch Begründung dafür, gerade keine Fragen zu stellen, dann wäre man ja die „dumme Frau“. Zusätzlich erhöht dieses „Angebot“ auch den Erfolgsdruck für meine männlichen Kommilitonen.
Ein Einzelfall? Keineswegs!
Ich habe meine Kommilitoninnen nach ihrer Sicht gefragt. Es gab drei „Lösungsstrategien“: 1. Du bist überempfindlich! 2. Solche Situationen sind unangenehm, deshalb schlage ich mich alleine durch oder frage nur Frauen. 3. Nutze diese Rolle des männlichen Retters für dich!
Ich denke nicht, dass ich überempfindlich bin und halte es für unpraktikabel, nur Frauen um Hilfe zu bitten. Die dritte Strategie macht den Bock zum Gärtner: Das bewusste Eingehen eines „Tauschhandels“ in Form von „Ich flirte mit dir – dafür hilfst du mir!“, bei dem frau das Gefühl hat die bestimmende Rolle einzunehmen, degradiert im Ergebnis sowohl den Mann als auch sich selbst auf triebgesteuerte Objekte.
Abschließend muss ich feststellen, dass es einiges an Nerven und Selbstvertrauen kostet ständig sagen zu müssen, was man will oder grade nicht will. Aber bei all den Problemen sollte man nicht vergessen: es gibt auch Menschen an der Uni, die einfach nur nett sind.“