60 Jahre Unterschied – und doch so viel gemeinsam

veröffentlicht am: 5 Mrz, 2015

Warum der Kampf für die Befreiung der Frau keine Frage des Geburtsjahres ist
In der BRD kämpfen tagtäglich Kommunistinnen jeden Alters und mit ganz unterschiedlichen Biografien, Erfahrungen und Vergangenheiten gegen die herrschenden, kapitalistischen Verhältnisse, für eine sozialistische Zukunft und nicht zuletzt auch für eine Verbesserung ihrer Lage als Frau. Exemplarisch für ganz viele andere haben wir mit zwei von ihnen gesprochen.

POSITION: Eva, du bist Jahrgang 1926. Was genau heißt das? Wie war das damals?
Eva: Ich bin 88 Jahre alt, aufgewachsen in Nürnberg, in einem kommunistisch organisierten Elternhaus. Meine Kindheitserinnerungen, das sind meine Eltern, die Genossinnen und Genossen bei uns zu Hause oder auf Ausflügen und der solidarische Umgang miteinander. 1933 hat viel verändert. Mein Vater stammt aus einer liberalen, jüdischen Familie. Sein Elternhaus wurde bei der Reichspogromnacht 1938 zerstört, meine Großeltern später deportiert und in einem KZ in Polen ermordet. Mein Vater ist gleich 1933 in die Emigration gegangen, aber einige Jahre später in England an TBC gestorben. Meine Mutter wurde von den Nazis inhaftiert. Unsere Kindheit während der Nazizeit haben mein Bruder und ich größtenteils bei unseren Großeltern mütterlicherseits verbracht. Die haben versucht, alles irgendwie von uns fern zu halten, eine heile Welt zu schaffen. Trotzdem habe ich mich immer am Rande gefühlt, es war mir bewusst, dass ich für viele ein Mensch 2. Klasse bin. 1945, als dann der Einmarsch der Amis kam, war das für uns natürlich eine riesige Freude und Befreiung. Meine Mutter hat wieder Kontakt zu alten und neuen Genossen aufgenommen und mit der politischen Arbeit begonnen, zunächst über die antifaschistischen Stadtteilkomitees, denn die Partei wurde von den Amis ja erst wieder im Herbst zugelassen, und später dann in der KPD. Sie war die Kommunistin in ihrer Familie, alle anderen waren stramme SPDler, das gab immer Zwist, vor allem, als nach dem Krieg sofort wieder die Hetze gegen die Sowjetunion losging.

POSITION: Und wie war dein persönlicher, politischer Werdegang?
Eva: Mein Bruder und ich haben uns zunächst bei den Falken organisiert. Ich habe die Kindergruppen beaufsichtigt, und so haben wir das Freizeit-und Jugendleben, von dem meine Mutter immer so geschwärmt hatte, nachgeholt. Zuvor durften wir uns als „Mischling 1. Grades“ ja nirgends organisieren. 1948/49, als es unter Adenauer die ersten Bestrebungen zur Wiederbewaffnung gab, und für eine Gründung der Bundeswehr, wollten wir das nicht mittragen und haben uns in der FDJ organisiert. Die wurde 1951 per Verwaltungsbeschluss verboten. 1956 folgte das Verbot der KPD und 1957 haben sie die Frauenorganisation DFD verboten. Später, in der DKP, also mit Unterstützung der Partei, habe ich dann in den siebziger, achtziger Jahren viel und schwerpunktmäßig Frauenpolitik gemacht.

POSITION: Diana, du bist 28 Jahre alt, hast zwei Ausbildungen absolviert, kommst aus Aue im Erzgebirge und arbeitest aktuell, nach einem Zwischenstopp in Nürnberg, als Physiotherapeutin im Ruhrgebiet. Wie kam es dazu?
Diana:
Meine erste Ausbildung hab ich mit 16 gemacht: eine zweijährige, schulische Qualifikation zur staatlich anerkannten Wirtschaftsassistentin mit Fachbereich Informationsverarbeitung. Klingt nett, ist aber eine klassische, unbezahlte, überwiegend weiblich besetzte Schmalspurausbildung. Wenn wir in der Klasse jemanden vom Arbeitsamt gefragt haben, wo wir uns später bewerben sollen oder was wir mal mit unserem Abschluss anfangen können, bekamen wir als Antwort: „eigentlich gar nichts“. Man hat damit wirklich nichts gefunden, sondern wurde direkt arbeitslos. Und mit dieser Situation stand ich nicht alleine da, das war und ist ein strukturelles Problem. Meine Cousins und Cousinen, meine Tanten, die zu DDR-Zeiten in einem großen, nach neunzig stillgelegten, Textilbetrieb gearbeitet haben, zeitweise auch meine Mutter: alle arbeitslos. Und wenn es keine Perspektive gibt, dann ist der Schritt auch nicht mehr so groß wegzugehen. Nur die Familie zurückzulassen ist natürlich nicht ganz so leicht. Das war für mich immer der Ort zum Diskutieren, um sich über viele Dinge klar zu werden, sich auszutauschen und zu politisieren.

POSITION: Du hast also den Osten verlassen, um in den „goldenen Westen“ zu gehen?
Diana: Zunächst einmal muss ich sagen, dass es dieses Bild vom Westen bei mir zu Hause nie gab. Bestimmt kam ich auch in einer andren BRD an, als sie gern verkauft wurde, weil sich ja auch dort vieles zum Schlechteren entwickelt hat, nachdem es die DDR nicht mehr gab. Wir waren aber in der Familie nie so, dass wir groß den Westen gehypt haben. Dennoch hatte man natürlich Bilder im Kopf, vor allem von mehr und besser bezahlten Jobs. Das erste, womit ich dann im Westen konfrontiert wurde, war die Bürokratie und oftmals auch Unfreundlichkeit auf dem Arbeitsamt. Und damit, dass es auch in Nürnberg gar nicht so leicht war, einen vernünftigen Job oder eine Ausbildung zu kriegen. Das hat mich eigentlich schon überrascht: alle freien Jobs die es gab, waren damals schon nur in Leiharbeit. Und ich musste echt hart darum kämpfen, schließlich meine Ausbildung als Physiotherapeutin machen zu können: In einer schulischen Ausbildung, mit monatlichen Gebühren und ohne Ausbildungsvergütung, das nervt wirklich.

POSITION: Eva, war es für dich jemals eine Option den anderen Weg zu gehen, also die BRD zu verlassen, um in der DDR zu leben?
Eva: Mein Bruder ist in die DDR gegangen, nach der Sache damals in Fürth. Das war 1950, die sog. Fürther Kirchweihkrawalle. Da war eine Demonstration gegen die Wiederbewaffnung und dort kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. 23 Kommunisten wurden daraufhin verhaftet und inhaftiert, auch mein Bruder, und das war dann für ihn der Grund in die DDR zu gehen. Aber ich war zu sehr zu Hause verwurzelt. Meine Mutter war ja alleine, sie musste jahrelang um Wiedergutmachung und um ihre Rente kämpfen, und so wollte ich dann hierbleiben. Aber man muss ja eins wissen: Über lange Jahre hinweg saß die DDR als sog. „3. Verhandlungspartner“ bei politischen Auseinandersetzungen, Streiks, sozialen Kämpfen u.s.w. , die wir hier geführt haben , immer mit am Tisch. Insofern gab es eine Verbindung. Nicht direkt, aber dadurch, dass es eine sozialistische Perspektive gab.

POSITION: Hattet ihr den Eindruck, dass es als Frau schwerer war oder ist politisch aktiv zu sein?
Eva: Man muss ja sehen: Wir hatten neben der Politik immer auch die Kinder, die Familie, und meistens trotzdem auch unsere Arbeit. Die Frauen waren immer da, wenn Streik war, am Frauentag, bei der Betriebsverteilung, z.T. vor der eigenen Arbeit. Aber daneben wollte man sich ja auch eine eigene Familie aufbauen. Deswegen ging es später der Partei ja auch viel darum, dass die Anzahl der Kindergarten – und Krippenplätze in Nürnberg endlich gesteigert wurde. Natürlich war es auch in der DDR am Anfang schwer, da lag ja auch alles in Trümmern und es musste aufgebaut werden. Aber ich glaube, dass die Frauen dort mit ihren Rechten und Pflichten zu allem genauso beigetragen haben wie die Männer, und das hat man gemerkt, an ihrer Art, ihrem Selbstbewusstsein.
Diana: Naja, der Kapitalismus ist eben nicht fair. Und die Spaltung zwischen Männern und Frauen ist ein Mechanismus, aus dem die Kapitalisten Profit schlagen. Deshalb gibt es an vielen Punkten, wie ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit, bürgerliche Rollenklischees etc. mit Sicherheit zusätzliche Hürden für eine politische Betätigung für Frauen. Aber genau deswegen organisieren wir uns ja, gemeinsam mit unseren männlichen Genossen, um an diesen Zuständen etwas zu verändern.

POSITION: Hilft euch eure politische Überzeugung im Alltag?
Diana: Auf jeden Fall! Ich finde es toll, auf Grundlage meiner Positionen Diskussionen, z.B. auf Arbeit, anzustoßen. Es gibt so viele Punkte und Möglichkeiten, wo man mit den Leuten über schlechte Zustände oder Dinge, die einen stören, ins Gespräch kommen kann und das finde ich super.
Eva: Meine Weltanschauung hat mir sehr viel gegeben. Es war nicht immer leicht. Wir haben den Krieg miterlebt und anschließend den Wiederaufbau. Wir haben gesehen, dass einige im Krieg ihren Reibach gemacht haben und später beim Aufbau wieder. Aber ich bereue keinen Tag, den ich mich eingesetzt und meine politische Arbeit gemacht habe.

POSITION: Was bedeutet für euch ganz persönlich der internationale Frauentag, der 8.März?
Diana: Eigentlich bedeutet er, so wie viele andere Tage des Jahres auch, gemeinsame, politische Arbeit. Mit dem inhaltlichen Schwerpunkt auf der Situation von Frauen und ihren Kämpfen um Gleichberechtigung weltweit.
Eva: Kämpferische Veranstaltungen, gute Referate.

POSITION: Eva, wenn du heute jungen, politischen Mädchen und Frauen etwas mit auf den Weg geben kannst, was ist das?
Eva: Seid kritisch, seid interessiert, stellt Dinge in Frage! Das betrifft das alltägliche Leben, ist aber so wichtig! Man muss immer hinschauen, wem etwas nützt. Und man muss solidarisch sein, v.a. auch international. Dabei dürft ihr nicht vergessen: Auch wir Alten wissen nicht immer gleich auf alles die Antwort, deswegen hoffen wir ja auf euch.

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