„Der Staat soll sich aus der Wirtschaft raushalten“ sagen viele. Real funktioniert Kapitalismus schon lange nicht mehr ohne Staatshilfe. Produktion findet in gesellschaftlichen Dimensionen, durch Zusammenwirken vieler Menschen statt; sie ist zunehmend vergesellschaftet. Massenhafte Erwerbstätigkeit erfordert Schul- und Berufsbildung, Gesundheitsversorgung, Alten- und Kinderbetreuung. Soziale Staatsfunktionen sichern das nötige Mindestmaß an Stabilität, dämpfen den Klassenkampf. Erzählungen von „sozialer Marktwirtschaft“ und „Sozialpartnerschaft“ sowie das Schüren nationaler Überheblichkeit gegen andere („Schuldnerländer“, „faule Griechen“, „reformunwillige Franzosen“) sollen Lohnabhängige für die Profitziele der „eigenen“ Konzerne einspannen. Für den Krisenfall werden repressive Apparate, Polizei und Armee ausgebaut.
Staatliche Umverteilung
Neben herrschaftssichernden Funktionen erfüllt der Staat ökonomische Aufgaben zur Absicherung von Profitproduktion und -realisierung. Staaten und Zentralbanken mobilisieren große Geldmengen zur Stützung von Banken. Der deutsche Staat förderte mit der Agenda 2010 Prekarisierung und Lohndumping, um die Wettbewerbskraft deutscher Großkonzerne auf dem Weltmarkt zu steigern.
Über Steuern, Abgaben, Subventionen, Sozialkürzungen verteilt der Staat das erarbeitete Sozialprodukt um. Dabei geht es primär um Umverteilung von unten nach oben, es sei denn, der Klassenkampf der „Unteren“ erzwingt eine andere Verteilung. Die Staatsquote, der Teil des Sozialprodukts, der durch die Hände des Staates geht, liegt in entwickelten kapitalistischen Ländern bei knapp 40% (USA) bis 58% (Finnland); in der BRD lag sie zuletzt bei 45%.
Staaten sind zum Nutzen ihrer Konzerne aktiv: mit Handelsverträgen, Mitarbeit in Gremien, wie der Welthandelsorganisation, der G7 (Westmächte) oder der G20 (G7 plus Schwellenländer). In Deutschland sind die Unternehmer in mächtigen Verbänden organisiert, mit Konzernbossen an der Spitze. Unternehmerverbände und Regierende schufen formelle und informelle Gremien, Stiftungen, Projekte, in denen sie wichtige Entscheidungen der Innen- und Außenpolitik abstimmen. Spitzen der Politik, Konzernchefs, milliardenschwere Großaktionäre bilden die staatsmonopolistische Oligarchie.
Die Anforderungen an den Staat sind jedoch widersprüchlich: Interessen der Kapitalisten widersprechen sich oft, die Stabilität des Gesamtsystems erfordert die Einbindung von Mittelstand und Arbeiterklasse. Der Staat ist durch Kämpfe beeinflussbar. Seine systemstabilisierende Funktion kann er nur bei relativer Selbstständigkeit gegenüber Partikularinteressen erfüllen.
Planbarer Kapitalismus?
Wurde der Kapitalismus durch den Stamokap planbar, zum „Sozialismus durch die Hintertür“? Die Unternehmer brauchen den Staat, schütteln ihn aber, so oft es geht, wieder ab, gemäß dem neoliberalen Credo „Privat vor Staat“. Der Stamokap entstand als Antwort auf Krisen. Planbar wird der Kapitalismus damit nicht, da Profitjagd immer wieder Überproduktion und Krisen erzeugt. Der Grundwiderspruch zwischen Vergesellschaftung und Privateigentum verschärft sich. Pleiten „systemrelevanter“ Konzerne und Banken führen immer leichter zum Crash des ganzen Systems.
Von Beate, Essen und Stephan, München
Beate Landefeld ist gelernte Hotelfachfrau, hat Literaturwissenschaft und Soziologie studiert und ist Mitautorin des Buchs „Staatsmonopolistischer Kapitalismus“ (Köln 2014).
Stephan Müller hat VWL studiert und schreibt u.a. in der „Kommunistischen Arbeiterzeitung“ (KAZ), in der Wochenzeitung „Unsere Zeit“ (UZ) und der Tageszeitung „jungeWelt“ (jW).