Kommentar über die steigende Kriegsgefahr
Anfang der 80ziger Jahre war die Hochphase der Friedensbewegung im Kampf gegen die Gefahr durch die atomaren Erstschlagwaffen des US-Imperialismus. „Papa, ich habe Angst“, schluchzte meine vierjährige Tocher damals. „Die Raketen machen alles kaputt. Müssen wir auch bald sterben?“ Bei uns in Bonn, zu dieser Zeit bundesdeutsche Hauptstadt, spielten sich Demonstrationen mit mehreren hunderttausend Teilnehmern in noch nie erlebtem Ausmaß ab. Zu dieser Zeit hatten die Ostermärsche der Friedensbewegung Massenzulauf. Überall entstanden lokale Friedensinitiativen. Der DGB rief zu einer Art bundesweitem Generalstreik auf: den 10 Mahnminuten im Oktober 1981. Alles schien politisch „wunderbar“ für uns zu laufen. Und wir waren mit unseren kleinen Kindern natürlich dabei. Doch was wusste ich schon, was wirklich in den Köpfen der Kleinen vor sich ging? Was wusste ich von ihren Ängsten? Das Bild meiner kleinen, weinenden Tochter hat sich mir tief eingeprägt. Und ich war an dem Abend zuerst sprachlos, bis mir der Satz entfuhr: „Ach, weißt du Nele, der Onkel Leonid wird schon aufpassen, dass uns nichts passiert.“ Dieser so ferne „Onkel“ war der damalige Generalsekretär der KPdSU Leonid Breschnew. Ob er sich überhaupt vorstellen konnte, dass ein junger, westdeutscher Kommunist ihn einmal als Trost-Onkel für eine verängstigte Kinderseele gebrauchen würde?
Auf die eigenen Kräfte schauen
Man kann nur darüber spekulieren wie viele Väter heutzutage wieder mit ähnlichen Fragen und Ängsten ihrer Kinder konfrontiert sind. Jedes einzelne, dass unter solche Zuständen aufwachsen muss, ist zuviel. Die Kriegsgefahr, lange Zeit eher etwas, was eigentlich nur die Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten direkt berührte, klopft wieder mit aller Macht an die hiesigen Haus- und Kinderzimmertüren. Doch einen solchen „Friedensonkel“ wie damals gibt es nicht mehr. Wir müssen auf unsere eigenen Kräfte schauen und den antimilitaristischen Kampf gegen die Kriegshetze und die Kriegsvorbereitungen des US-Imperialismus, der NATO und auch des BRD-Imperialismus neu organisieren und auf eine breitere Basis stellen. Dabei dürfen wir uns nicht von der imperialistischen Propagandamaschinerie darüber für dumm verkaufen lassen, von wem die Aggressionen ursächlich ausgehen. Kein nordkoreanischer Soldat steht an der kanadisch-US-amerikanischen Grenze und auch kein nordkoreanisches Kriegsschiff kreuzt im Golf von Mexiko vor der texanischen Küste – von Flugzeugträgern und atomaren U-Booten ganz zu schweigen. Kein rational denkender Mensch kann an den unkalkulierbaren Risiken eines Einsatz von A-Waffen interessiert sein. In einem Atomkrieg kann und wird es nur Verlierer geben. Er lässt sich nicht „lokal begrenzen“.
Wer bedroht also wessen Existenz?
Erst die Entmilitarisierung und vor allem der Abzug der US-amerikanischen Truppen und Atomwaffen von der koreanischen Halbinsel sowie ein Ende der Bedrohung Nordkoreas könnten eine Chance für eine nichtmilitärische und nichtkonfrontative Politik der friedlichen Koexistenz im Fernen Osten eröffnen, die auch uns in Europa vor schlimmen Entwicklungen bewahrt.
Die deutsche Bundesregierung muss sich für den Weg der atomaren Abrüstung und den Abbau der militärischen Bedrohung in Fernost und hier in Europa einsetzen und sich nicht in die Front des Krieges einreihen. Raus aus der NATO – das ist ein Gebot der Stunde!
Dr. Hans-Peter Brenner, Diplompsychologe und Psychotherapeut, stellv. Vors. der DKP